Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → DIE LINKE

SOZIALES/1811: Geplante Einführung des Bluttestverfahrens "PraenaTest" - Diskriminierung verbieten!


Presseerklärung - die Linke im Bundestag vom 6. Juli 2012

Diskriminierung verbieten!



Zur geplanten Einführung des Bluttestverfahrens "PraenaTest" zur Diagnostik des Downsyndroms im Mutterleib durch das Konstanzer Unternehmen "LifeCodexx" erklärt der Vorsitzende des Allgemeinen Behindertenverbandes "Für Selbstbestimmung und Würde" e.V (ABiD), Dr. Ilja Seifert:

Selektion wird immer einfacher. Inzwischen erledigen das Computer. Oder "Medizinprodukte", die keine Zulassung erfordern. Es geht ja "nur" um Diagnostik. Was für eine Marketingstrategie! Ein soziales Seziermesser, präsentiert in der Sommerpause - bis zur nächsten Parlamentsdebatte ist der Aufschrei verhallt.

Und Selektion kommt als "Fortschritt" daher. Medizinischer Fortschritt, der Vielfalt verhindert, uniformiert. Down-Syndrom ist nicht heilbar. Aber verhinderbar. Was nicht verwertbar ist, darf beseitigt werden. Diese Haltung verwertet sich.

Unbemerkt verändert sich so unser Menschenbild. "Perfektion" wird zum Fetisch. Verwertbare Normalität zum Entscheidungsmaßstab. Das Unwägbare, das Unerwartete, das Unvollkommene an uns (Menschen) wird vom genetischen Vorteil zum sozialen Nachteil uminterpretiert - und umgehandelt!

Es geht angeblich um eine "mit Risiken behaftete Fruchtwasseruntersuchung". Also um Risikominimierung? Für wen? Die werdenden Eltern, das ungeborene Kind oder vielleicht für den Staat in seiner Aussicht auf Kostenersparnis?

Leben ist unteilbar. Wieviel Freude ein Mensch mit Downsyndrom erlebt, hängt von der Gesellschaft ab, von den Bedingungen, die sie schafft. Von der Anerkennung, die sie aufbringt, von der Unterstützung, die sie leistet.

Davon verabschiedet sich jede Regierung, die solche exklusive Diagnostik nicht verbietet. Exklusiv im Angebot für zahlungskräftige Nachfrage. Exklusiv in der selektiven Wirkung - gegen jedes mit diesem genetischen Zufall wachsende Kind. Alle Mahner vor dieser Entwicklung wurden belächelt, alle Gegenargumente ignoriert. Und die "pränatale Treibjagd auf andere Behinderungsformen", wie ein Betroffener schreibt, hat längst begonnen.

Jetzt stehen wir vor den Resultaten einer geschäftstüchtigen, allmachts-fantasierenden Vollkommenheitsmythologie. Dank an Professor für seine wissenschaftliche Gegenrede als Gutachter. Dazu gehört schon wieder Mut angesichts ruhmverliebter Forschungsexperten und gewinnsüchtiger Pharmaunternehmen.

Es ist eben kein Zufall, wie man Artikel 10 der UN-Behindertenrechtskonvention aus dem Englischen übersetzt. Wir sprechen vom "innewohnenden Recht auf Leben". Denn das angeborene Recht auf Leben läßt die vorgeburtliche Aus-Wahl zu. Die Wahl ins Aus.

Menschen mit Down-Syndrom werden der nächsten Generation fehlen.

*

Quelle:
Presseerklärungen - DIE LINKE. im Bundestag
vom 6. Juli 2012
Deutscher Bundestag
Fraktion DIE LINKE.
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: 030/227 52800, Telefax: 030/227 56801
E-Mail: pressesprecher@linksfraktion.de
Internet: www.linksfraktion.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juli 2012