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WIRTSCHAFT/2932: Zukunftspakt - Für einen Aufbruch aus der Krise


Pressemitteilung der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 27. Mai 2020

Zukunftspakt: Für einen Aufbruch aus der Krise


Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hat einen "Zukunftspakt: Für einen Aufbruch aus der Krise" beschlossen. Damit legen wir einen Gesamtplan vor, wie sich wirtschaftliche Erholung, Klimaschutz, sozialer Zusammenhalt und europäische Solidarität zusammenbringen lassen. Die Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter haben den Zukunftspakt heute in der Bundespressekonferenz vorgestellt. Den Zukunftspakt und eine Kurz-Zusammenfassung gibt es hier.

Dazu erklärt Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender:

"Wir machen das, was wir auch von der Regierung einfordern: wir legen eine klare Zukunftsstrategie für Deutschland vor. Wir müssen in den nächsten Monaten Milliarden in die Hand nehmen, die wir nicht falsch ausgeben dürfen.

Wir brauchen kein Strohfeuer, sondern eine Offensive für Investitionen, Innovationen und Modernisierung. Deshalb ist das Herz unseres Programmes ein Investitionsfonds, der über zehn Jahre wirken soll. Mit 500 Milliarden Euro wollen wir den Klimaschutz voranbringen, die Infrastrukturen der Zukunft schaffen und Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit sichern. Dabei bekennen wir uns auch zu steuerlichen Hilfen für Unternehmen und gezielten Anreizen für Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung.

Darüber hinaus braucht es auch kurzfristige Maßnahmen: Einzelne Branchen werden noch sehr lange mit großen Einschränkungen leben müssen. Sie brauchen eine Verlängerung und Anpassung der Direkthilfen. In einem begrenzten Maße schlagen wir zudem konjunkturelle Impulse vor. Wir wollen den Ladenbesitzern und Gastronomen mit gezielten Kauf-Vor-Ort-Gutscheinen helfen und so verhindern, dass die Innenstädte veröden und am Ende nur die Onlineriesen übrig bleiben. Mit einer Energiepreissenkung entlasten wir kleine Unternehmen und Privathaushalte.

Unser Zukunftspakt bringt damit Klimaschutz, den Erhalt und die Schaffung von Jobs sowie die Entlastung unterer Einkommen zusammen.

Ganz entscheidend ist für uns, dass wir ab sofort alle Programme auf den Klimaschutz ausrichten. Wir stehen am Anfang der entscheidenden Dekade für den Klimaschutz. Wenn wir jetzt nicht handeln, riskieren wir den permanenten Ausnahmezustand für unsere Kinder.

Deshalb müssen Investitionen in den Klimaschutz, also in die Verkehrswende, in die Gebäudesanierung, in eine Wasserstoff-Infrastruktur, absolute Priorität haben. Wir brauchen eine Ausbauoffensive für die Erneuerbaren Energien. Dazu gehört eine umfassende EEG-Reform - noch vor der Sommerpause. Für die Industrie kann es nur Hilfen geben, wenn diese an eine klare Transformationsstrategie gekoppelt sind. Einfach den fossilen Status Quo weiter zu subventionieren, das wäre schlechte Wirtschaftspolitik. Es kann öffentliche Gelder nur für Innovation und Klimaschutz geben.

Diese Bundesregierung entscheidet sich leider bisher immer, wenn es konkret wird, für den fossilen Rückschritt statt für den erneuerbaren Aufbruch. Beim Green Deal in Europa blockiert die Regierung ambitioniertere Klimaziele. Mit Prämien für fossile Verbrenner plant sie öffentliches Geld gegen den Klimaschutz einzusetzen. Und an die Rettung der Lufthansa knüpft sie, anders als die Regierung in Frankreich, keine nennenswerten ökologischen Bedingungen.

Und: Unser Aufbruch aus der Krise ist ein europäischer. Gerade Deutschland als Exportland wird nicht aus der Krise kommen, wenn es unseren Nachbarn schlecht geht. Es ist gut, dass diese Erkenntnis nun auch im Kanzleramt angekommen ist. Wir begrüßen deshalb die deutsch-französische Initiative von Angela Merkel und Emmanuel Macron als guten ersten Schritt. Die EU-Kommission muss heute einen ambitionierten Vorschlag vorlegen. In der Höhe ist der deutsch-französische Vorschlag ungenügend, das Europäische Parlament fordert ein Krisenpaket mit einem Volumen von zwei Billionen Euro. Vor allem aber muss der Recovery Funds klar am Green Deal ausgerichtet sein. Auch dieses Geld muss in die Zukunft investiert werden. Wir fordern Ursula von der Leyen auf, den Recovery Funds mit einer Anhebung der europäischen Klimaschutzziele zu verbinden. Sie hat dazu heute Gelegenheit."

Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende, erklärt:

"Was wir jetzt brauchen, ist ein dreifacher Kraftakt: Um die Wirtschaft zu stabilisieren und zukunftsfest umzubauen, um den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu stärken und um zu einem neuen Wir in Europa zu kommen.

Wir sind überzeugt: Es braucht einen Pakt für die Zukunft - kein altes Denken. Unser Land braucht kein Konjunkturprogramm, das die Vergangenheit restauriert, sondern einen mutigen Aufbruch ins Neue.

Unser Zukunftspakt zeigt, wie wir gerechter aus der Krise kommen und er zeigt, wie wir vorsorgen für neue Krisen. Für uns steht fest: Der Sozialstaat in Deutschland benötigt ein Update. Wir brauchen einen vorsorgenden Sozialstaat, der nicht erst hilft, wenn Menschen bereits in Not sind. Wir wollen einen Sozialstaat, der absichert und Eigeninitiative und Selbsthilfe unterstützt. Sicherheit und Zukunft - das wollen die Menschen jetzt. Dafür schlagen wir eine doppelte Garantie vor: Niemand gerät durch die Krise in existentielle Armut und jeder bekommt die Chance und die Unterstützung für eine eigene, selbstbestimmte Perspektive. Wir kombinieren eine Sicherheitsgarantie mit der Chance auf den Aufbruch in Neue s.

Familien bekommen mit unserem Zukunftspakt Planungssicherheit. Einmalige Trostpflaster, wie sie die Regierung plant, helfen da nicht. Aber ein Corona-Elterngeld. So kommt trotz Arbeitszeitreduzierung, um für die Kinder da zu sein, noch genug Geld zum Leben rein. Und klar muss sein: Homeoffice ist nicht gleich Kinderbetreuung. Wir geben mit einem Zuschlag von 60 Euro auf die Kinderregelsätze den Familien Sicherheit, dass die Kinder satt werden, auch wenn es gerade kein warmes Schulessen oder Tafeln gibt.

Wir sehen die, die in der Regierung keiner sieht: Die Menschen der höchsten Risikogruppe. Für sie wollen wir ein Risiko-Attest einführen. Wer zur höchsten Risikogruppe zählt und nicht an seinem Arbeitsplatz oder von zuhause arbeiten kann, der kann sich von der Arbeit freistellen lassen und bekommt damit Lohnersatz. Menschen sollen nicht zwischen wirtschaftlichem Auskommen und Gesundheitsschutz wählen müssen.

Wir wollen, dass die Selbstständigen, Kulturschaffenden und kleine Unternehmen eine Zukunft haben. Leute, die was gewagt haben. Diesen Mut und diese Kreativität brauchen wir für einen Aufbruch. Sie sollen schneller aus den Schulden rauskommen, die sie jetzt unverschuldet anhäufen. Wir helfen Solo-Selbstständigen und Kulturschaffenden wieder auf die Beine. Und wer neu die Selbständigkeit wagt, den wollen wir mit einem Gründungskapital von bis zu 25.000 Euro unterstützen.

Es muss ein Recht auf Weiterbildung geben, das auch zieht, bevor man arbeitslos ist. Und jetzt in der Krise muss gelten: Wer heute in Kurzarbeit ist oder arbeitslos wird, soll innerhalb von drei Monaten ein Angebot zur Weiterbildungsberatung bekommen. Damit garantieren wir Chancen.

Auch Vorsorge gegen die Einsamkeit gehört übrigens zu einem Sozialstaat, wie wir ihn uns vorstellen.

Ich erkenne bei der Bundesregierung keinen Plan, der das Soziale, die Klimapolitik und den Umweltschutz im Blick hätte. Im Gegenteil: Für die Lufthansa und den alten Fuhrpark von VW, Mercedes & Co gibt's Steuermilliarden, aber Kinder, Familien und Frauen kriegen maximal ein Sedativum. Das ist ungerecht und hochriskant. Eine solche Rettungspolitik setzt den gesellschaftlichen Zusammenhalt unnötig weiter unter Druck. Dabei hat uns doch bislang eine große Solidarität in der Gesellschaft durch die Krise getragen. Das darf nicht aufs Spiel gesetzt werden. SPD und Union verfahren offensichtlich nach dem Motto: Wer am lautesten schreit, dem wird geholfen. Wenn Union und SPD die Lobby der Autokonzerne sind, dann sind wir die Lobby der Familien und Kinder und derjenigen, die nicht gesehen werden.

Gerecht aus der Krise heißt auch gleichberechtigt aus der Krise. Mit unserem Zukunftspakt wollen wir auch ankämpfen gegen einen Rollback in die 50er. Wir wollen, dass jetzt alle in der Krise geplanten Maßnahmen und Gesetze überprüft werden, welche Auswirkungen sie auf die berufliche Entwicklung für Frauen und für Männer haben - mit einem Geschlechtergerechtigkeits-Check. Staatliche Hilfen für Unternehmen werden wir an die Förderung von mehr Geschlechtergerechtigkeit, zum Beispiel Quoten, koppeln.

Unser Angebot ist ein mutiger Aufbruch mit Ideen und Innovationen, die die ökologische Transformation voranbringt und gleichzeitig sozialen Aufbruch schafft - damit es gerecht zugeht. So wird das Land fit für die 20er Jahre, entsteht nachhaltiger Wohlstand und so machen wir die Gesellschaft widerstandfähig auch für kommende Krisen."

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Quelle:
Pressemitteilung vom 27. Mai 2020
Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Pressestelle
Telefon: 030/227-567 89, Fax: 030/227-567 52
E-Mail: presse@gruene-bundestag.de
Internet: www.gruene-bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Mai 2020

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