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WERKSTATT/267: Werkstätten machen sich fit für die Zukunft (LHZ)


Lebenshilfe Zeitung, Nr. 4 - Dezember 2010

Werkstätten machen sich fit für die Zukunft

Von Markus Schäfers


Rund 400 Teilnehmer informierten sich beim Führungskräftetreffen Arbeitsleben über neue Konzepte der beruflichen Bildung und Teilhabe.


"Werkstätten unter Druck - Veränderungen aktiv gestalten", unter diesem Leitsatz stand das 13. Führungskräftetreffen Arbeitsleben der Bundesvereinigung Lebenshilfe, das Ende September in Weimar stattfand. Rund 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen drei Tage lang zusammen, um über Zukunftschancen und neue Aufgaben für das Management der Werkstätten (WfbM) und anderer Institutionen der beruflichen Rehabilitation zu diskutieren, Ideen und gute Praxisbeispiele auszutauschen.

"Die Struktur unserer Arbeitswelt positiv zu beeinflussen und Barrieren abzubauen - diesem Ansatz kommt vor dem Hintergrund der UN-Konvention immer stärkere Bedeutung zu." Mit diesen Worten stellte Robert Antretter, Bundesvorsitzender der Lebenshilfe, in seiner Eröffnungsrede die Ziele heraus, die sich durch den Inklusionsgedanken ergeben. Mit der Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen hat sich Deutschland dazu verpflichtet, einen offenen und integrativen Arbeitsmarkt zu schaffen. Damit ist der Auftrag verbunden, entsprechende Fördermaßnahmen zu entwickeln und den Zugang zum Arbeitsmarkt durch Verbot von Diskriminierungen zu fördern.


WfbM kann Vorreiterrolle spielen

Robert Antretter, betonte den besonderen Stellenwert der WfbM, um diesen gesellschaftlichen Auftrag erfüllen zu können: "Werkstätten der Zukunft können aktiv zur Gestaltung eines Sozialraums beitragen, der Teilhabe fördert. Mit hoch qualifiziertem Personal, ihrer großen Erfahrung und reichen Expertise sind Menschen mit Behinderung vielfältige Formen der beruflichen Bildung und Beschäftigung anzubieten. Sie können eine Vorreiterrolle spielen, wenn es darum geht, in Zusammenarbeit mit Betrieben, Politik und Verwaltung Barrieren in der Arbeitswelt abzubauen."

Damit Werkstätten sich auf veränderte Rahmenbedingungen einstellen und auf neue Anforderungen innovativ reagieren können, bedarf es eines erfolgreichen Managements. "Wie müssen wir komplexe Organisationen steuern, um mehr Nutzen zu stiften?" So brachte Christoph Mahr vom Malik Management Zentrum St. Gallen in seinem lebhaften Vortrag die Kernaufgabe von Führungskräften auf den Punkt. Ständiger Wandel, steigende Komplexität und die Auswirkungen der Finanzkrise fordern den Sozialsektor und verlangen kreative Konzepte: "Es geht um die ganzheitliche, systemische Betrachtung von Management sozialer Organisationen und um Wegbeschreibungen, worauf sich Führungskräfte gerade in schwierigen Zeiten konzentrieren müssen, um ein komplexes System so zu führen, dass es sich selbst organisiert und selbst steuert."


Einfache Struktur und wenige Regeln - wie beim Kreisverkehr

Am Beispiel des Kreisverkehrs illustrierte Christoph Mahr anschaulich, was unter Selbststeuerung zu verstehen ist. So kommt ein Kreisverkehr mit nur einer Struktur und zwei Regeln aus: Der Verkehr verläuft gegen den Uhrzeigersinn, und wer im Kreis fährt, hat Vorfahrt. Mit diesen wenigen Regeln ist das System in der Lage, flexibel auf unterschiedliche Verkehrslagen zu reagieren (im Gegensatz zu Ampelanlagen) und damit eine hohe Komplexität zu bewältigen. Übertragen auf das Management sozialer Unternehmen bedeute dies, so Christoph Mahr, sich als Führungskraft gerade in schwierigen Zeiten auf wesentliche Kernaufgaben zu konzentrieren und einfache Strukturen in den Organisationen zu schaffen, um Veränderungen richtig und rechtzeitig wahrnehmen und passende Lösungen entwickeln zu können.

Welche Veränderungen in naher Zukunft auf die Werkstättenlandschaft zukommen könnten, skizzierte Bernd Finke von der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Sozialhilfeträger in seinem Referat. Im Zusammenhang mit der Reform der Eingliederungshilfe werde von politischer Seite eine Umstellung auf ein personenzentriertes Hilfesystem beabsichtigt. Die unterschiedlichen Leistungsormen "ambulant", "teilstationär" und "vollstationär", welche die Eingliederungshilfe bisher dominiert haben, würden hinfällig. Das würde gravierende und weitreichende Folgen für den Bereich der Teilhabe am Arbeitsleben haben. In der Diskussion sei, dass anstelle der heute im Sozialgesetzbuch (SGB) IX beschriebenen Leistungen im Eingangs-, Berufsbildungs- und Arbeitsbereich der Werkstatt Leistungsmodule definiert werden, die der leistungsberechtigte Mensch unabhängig vom Ort und Träger der Leistungserbringung in Anspruch nehmen kann - also auch außerhalb von Werkstätten.


Überfällige Reformen konstruktiv angehen

Bernd Finke plädierte dafür, gemeinsam mit den politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern die große Chance zu nützen, um die notwendigen, in der Vergangenheit immer wieder nachdrücklich eingeforderten und teils auch überfälligen Reformen konstruktiv anzugehen und umzusetzen.

An den Folgetagen nutzten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Führungskräftetreffens in kleineren Workshops und Arbeitsgruppen die Gelegenheit, gelungene Praxisprojekte aus den Themenfeldern "Optimierung", "Rehabilitation" sowie "Organisation und Kommunikation" kennenzulernen.

Dabei ging es unter anderem darum, wie neue Geschäftsfelder aufgebaut werden können, wie Konzepte für neue Dienstleistungen und Angebote aussehen können, wie die Veränderung einer Organisation begleitet werden muss und wie die erbrachten Leistungen bewertet und der Öffentlichkeit vermittelt werden können.

Das 13. Führungstreffen Arbeitsleben in Weimar hat sich als ein Ort des Ideenaustauschs und der Diskussion gezeigt. Fach- und Führungskräfte im Bereich der beruflichen Bildung und Teilhabe haben weiteres Rüstzeug an die Hand bekommen, um Veränderungen aktiv gestalten zu können.

Unter www.arbeitsleben.net sind die Präsentationen des Führungskräftetreffens Arbeitsleben 2010 als Download abrufbar.


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Quelle:
Lebenshilfe Zeitung, Nr. 4/2010, 31. Jg., Dezember 2010, S. 9
Herausgeber: Bundesvereinigung Lebenshilfe
für Menschen mit geistiger Behinderung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Januar 2011