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VERBAND/702: "Gemeinsam für Geschwisterkinder" - Netzwerk stärkt Familien (Selbsthilfe)


Selbsthilfe - 1/2013

"Gemeinsam für Geschwisterkinder"
Netzwerk stärkt Familien mit schwerkranken Kindern durch Förderung der gesunden Geschwister

Von Volker Rinne



Johanna ist 9 Jahre alt, als ihre Eltern erfahren, dass ihr vierzehnjähriger Bruder Malte an einem Gehirntumor erkrankt ist. Die Nachricht wirkt wie ein Schock auf die gesamte Familie. Alles ändert sich schlagartig: unregelmäßige, mitunter längere Klinikaufenthalte, Wechselbäder von Hoffnung und Angst. Hohe, neue Anforderungen an Organisation und Lebensbewältigung aller Familienmitglieder.


Geschwister müssen zurückstecken

Da die Familie durch die Krankheit des Jungen sehr in Anspruch genommen wird, muss Johanna sich oft alleine beschäftigen. Durch auffälliges Verhalten versucht sie sich bei ihren Eltern bemerkbar zu machen (negative Aufmerksamkeit). Dies belastet die Eltern zusätzlich und sorgt häufig für kleinere Konfrontationen, die zum Teil lautstark enden.

Da Johannas Eltern durch die Krankheitsbelastung nicht genug Zeit für sie haben, darf Johanna täglich fernsehen, auch Programme/Filme, die noch nicht für ihr Alter ausgelegt sind. Da sie nach der Schule häufig mit ins Krankenhaus muss, um ihren Bruder zu besuchen, bleibt ihr am Tag nicht so viel Zeit wie früher, um mit Freundinnen zu spielen oder ausgelassen einfach nur "Kind zu sein". Dies macht sie traurig. Lieber würde sie mehr zuhause spielen oder Sachen unternehmen. Johanna hat eine stark ausgeprägte Phantasie. Sie befasst sich viel mit den Themen: Unfall, Tod und Krankenhaus, z.B. in Bildern die sie malt oder Szenen die sie nachspielt.

Johanna und ihre Familie sind kein Einzelfall, denn dies sind typische Konflikte, die bei starker krankheitsbedingter Belastung entstehen können.


Hilfe kommt aus dem Netzwerk

Das Geschwisterkinder-Netzwerk mit Sitz in der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und dem Kinderkrankenhaus AUF DER BULT bieten gemeinsam mit vielen Partnern individuelle Famiienhilfen für Geschwisterkinder und deren Familien und Freunde an, um pädagogisch präventiv oder wenn nötig auch therapeutisch zu helfen.

Die Initiative wird vereint gefördertvon der "Hanns Lilje Stiftung", der "Niedersächsischen Lotto-Sport-Stiftung", der "Aktion Kindertraum", der "Kroschke Stiftung für Kinder", der "Bischöflichen Stiftung Gemeinsam für das Leben" und vom niedersächsischen Ministerium für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration. Fachkräfte um den Initiator des Projektes, Prof. Dr. Dirk Reinhardt, MHH, unterstützen Familien mit schwerkranken und/oder behinderten Kindern durch gezielte Förderung der gesunden Geschwisterkinder. Dieses Netzwerkteam fördert und vermittelt besondere pädagogische und andere Angebote für Geschwisterkinder unter Einbeziehung ihrer Familien und Freunde. Schirmherrin des Geschwisterkinder Netzwerkes ist die jeweils amtierende Niedersächsische Sozialministerin - derzeit Aygül Özkan.


Warum benötigen Geschwisterkinder manchmal besondere Unterstützung?

Der Begriff "Geschwisterkinder" benennt die gesunden Geschwister von schwerkranken Kindern und Jugendlichen sowie von Menschen mit Behinderung. Die Versorgung und Unterstützung von betroffenen Familien muss diese gesunden Geschwisterkinder mit einbeziehen, damit sie gesund bleiben und gestärkt ihren eigenen Lebensweg gehen können. Dafür benötigen sie von Zeit zu Zeit besondere Unterstützung, Zuwendung oder auch gezielte Hilfen. Neben der individuellen familiären Situation sollen auch Probleme die sich aus gesellschaftlicher, kultureller oder sprachlicher Integration ergeben, berücksichtigt werden.


Einer trage des Anderen Last!

Krankheit ist immer eine große Belastung für die gesamte Familie. Sorgen und Ängste werden zu ständigen Begleitern der Eltern. Pflege und Betreuung von schwerkranken oder behinderten Kindern fordern sehr viel Kraft und bestimmen den Alltag aller Familienmitglieder. Nicht immer reichen die Kräfte von Mutter und Vater, um auch allen Bedürfnissen der gesunden Geschwisterkinder gerecht zu werden. Ein Impuls von außen für Geschwisterkinder kann da helfen, die gesamte Familie zu stärken. Deshalb hat das Netzwerk für die Versorgung schwerkranker Kinder und Jugendlicher e.V. mit finanzieller Beteiligung des Landes und der oben genannten Stiftungen dieses Förder-Projekt für die Geschwisterkinder ins Leben gerufen.

Die Sensibilität für diejenigen, die aufgrund der besonderen familiären Situation naturgemäß oft aus dem Blickwinkel geraten, soll gesteigert und dauerhaft gehalten werden. Denn Prävention ist sinnvoller, hilfreicher und kostengünstiger als langfristige Therapien.

Im Rahmen des Geschwisterkinder-Netzwerkes werden den Geschwisterkindern, Jugendlichen und deren Familien spezielle Unterstützungen angeboten und vermittelt. Auf diese Weise möchte das Netzwerk-Team von Initiator Prof. Reinhardt auch den familiären Zusammenhalt stärken und einen Beitrag dafür leisten, dass die betroffenen Familien ihre Fähigkeit behalten, sich selbst zu helfen. Die Büros des Projektes befinden sich in Hannover im Kinder- und Jugendkrankenhaus AUF DER BULT sowie in der Kinderklinik der MHH.


Vernetzung, Beratung und Praxis-Angebote

Neben dem Aufbau einer zentralen Informations- und Koordinierungsstelle zur Vermittlung von Unterstützungsangeboten hat sich das Netzwerk auch zum Ziel gesetzt, spezialisierte Pädagogen und Therapeuten mit Anbietern aus den Bereichen Erlebnis- & Umweltpädagogik, Musik, Tanz, Theater, Sport sowie kirchliche und soziale Dienste zusammenzuführen. Darüber hinaus stehen die Förderung und Vermittlung von Qualifizierungs- sowie Weiterbildungsinitiativen und die Projekt-Entwicklungshilfen für ehrenamtliche und professionelle Partner auf der Agenda. Informationsveranstaltungen und Fachtagungen sollen Betroffenen die Möglichkeit bieten, sich zu begegnen. Insbesondere über die Homepage www.Geschwisterkinder-Netzwerk.de vermittelt das Netzwerk Angebote für Kinder, Jugendliche, Eltern, Pädagogen und Therapeuten und bringt Betroffene und Unterstützer deutschlandweit zusammen. Für den Ausbau dieser Angebotsvielfalt werden ständig neue Partner und attraktive Möglichkeiten gesucht. Konstruktive Ergänzungen sind ausgesprochen erwünscht. Fragen werden gerne beantwortet, Geschwisterkinder-Wünsche wenn irgend möglich erfüllt.


KONTAKT

Netzwerk für die Versorgung schwerkranker Kinder
und Jugendlicher e.V.

Ansprechpersonen:
Katrin Welter
welter.katrin@betreuungsnetz.org
Tel. 0511 8115-5898 / 532 5898
Volker Rinne
rinne.volker@betreuungsnetz.org
Tel 0511 8115-8903
www.geschwisterkinder-netzwerk.de

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Quelle:
Selbsthilfe 1/2013, S. 18-19
Zeitschrift der BAG SELBSTHILFE e.V.
Herausgeber: Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe
von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung
und ihren Angehörigen e.V.
BAG SELBSTHILFE
Kirchfeldstr. 149, 40215 Düsseldorf
Telefon: 0211/3 10 06-0, Fax: 0211/3 10 06-48
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Internet: www.bag-selbsthilfe.de
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juni 2013