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TAGUNG/285: Mit Psychotherapie gegen Epilepsie (Der Ring)


DER RING
Zeitschrift der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel - Juni 2012

Fachtagung zum Thema "Epilepsie und Angst"
Mit Psychotherapie gegen Epilepsie

Von Silja Harrsen



Im Krankenhaus Mara des Epilepsie-Zentrums Bethel gibt es eine Station, in der psychisch belastete und Patienten mit nicht-epileptischen Anfällen behandelt werden. Die Psychotherapie ist hier eine Selbstverständlichkeit. Denn die Anfälle werden durch psychische Störungen ausgelöst. Patienten mit anderen epileptischen Anfällen erhalten hingegen keine Psychotherapie, weil angenommen wird, dass ihre Krankheit rein körperlich bedingt ist. Das sei mittlerweile durch Studien widerlegt, betonten jetzt Epilepsie-Experten bei einer Tagung in Bielefeld-Bethel.


Dass Menschen mit Epilepsie Angst hätten, sei nicht verwunderlich, so Dr. Martin Schöndienst, leitender Abteilungsarzt im Epilepsie-Zentrum Bethel. "Die Vorstellung, einen großen epileptischen Anfall zu bekommen, Verletzungen beim Sturz, Kontrollverlust und soziale Ausgrenzung zu erleiden, löst verständlicherweise Angst aus." Doch bei der Tagung, die Dr. Schöndienst und seine Kollegen Anfang Mai im Epilepsie-Zentrum Bethel ausrichteten, stand weniger die Angst vor realen Situationen im Mittelpunkt als vielmehr die Angst vor der Angst und Depressionen.

Angststörungen kommen bei Menschen mit Epilepsie doppelt so häufig vor wie bei Menschen ohne Epilepsie. "Angst und Depression sind die häufigsten Symptome bei Epilepsie", sagte Dr. Christian Brandt, leitender Abteilungsarzt im Epilepsie-Zentrum Bethel. Bei einer Befragung, die im Krankenhaus Mara durchgeführt wurde, gaben 66 Prozent der Patienten mit Epilepsie an, Angstsymptome zu kennen. "Die Frage ist, was löst was aus, die Anfälle die Angst oder die Angst die Anfälle", so Dr. Brandt.


Bildgebungsstudien

Bildgebende Verfahren, wie die Magnetresonanztomografie, machen es möglich, Panik im Gehirn sichtbar zu machen. "Studien haben ergeben, dass bestimmte Strukturen im Gehirn bei Angstzuständen hohe Aktivitäten zeigen", stellte Dr. Kirsten Labudda fest. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität Bielefeld forscht im Epilepsie-Zentrum Bethel unter anderem zum Thema "Epilepsie und Hirnveränderungen". In den Bildgebungsstudien hat sie festgestellt, das Menschen, die während eines epileptischen Anfalls Angst verspüren, tatsächlich Auffälligkeiten in den entsprechenden Hirnarealen aufweisen. "Zwischen 20 und 35 Prozent der Patienten mit Temporallappen-Epilepsie haben während eines Anfalls Angst", so die Psychologin.

Melancholiker werden zu Epileptikern und Epileptiker zu Melancholikern - so beschrieb im 4. Jahrhundert vor Christus der griechische Arzt Hippokrates die wechselseitige Beziehung von psychischen Störungen und Epilepsie. Und auch Privatdozent Dr. Markus Reuben ist davon überzeugt, dass sie sich gegenseitig bedingen. "Stress und Angst können Depressionen auslösen. Depressionen nehmen Einfluss auf die Anfallsfrequenz. Wird die Depression behandelt, verbessert sich auch die Anfallsfrequenz", so der Neurologe, der an der Universität Sheffield in England forscht.


Umdenken gefordert

Wissenschaftliche Studien hätten längst bewiesen, dass epileptische Anfälle genauso wie nichtepileptische Anfälle psychische Ursachen haben könnten, betonte Markus Reuben. "Epileptologie ist immer eine psychosomatische Epileptologie", so der Experte. Deshalb fordert er ein Umdenken bei der Behandlung. Auch Patienten mit Epilepsie müssten künftig von psychotherapeutischen Angeboten profitieren. "Denn wir wissen, dass die Psychotherapie bei epileptischen Anfällen erfolgreich ist."

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Quelle:
DER RING, Juni 2012, S. 15
Monatszeitschrift der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
Herausgeber: Pastor Ulrich Pohl in Zusammenarbeit mit der
Gesamtmitarbeitervertretung der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juli 2012