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RECHT/672: Anspruch auf Eingliederungshilfe auch in einer privaten Förderschule (LHZ)


Lebenshilfe Zeitung, Nr. 4 - Dezember 2010

Anspruch auf Eingliederungshilfe auch in einer privaten Förderschule

Von Ricarda Langer


Benötigen Kinder mit einer Behinderung für eine angemessene Schulausbildung Hilfe, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, die Kosten, zum Beispiel für eine Schulassistenz oder heilpädagogische Maßnahmen, vom Sozialhilfeträger als Eingliederungshilfe erstattet zu bekommen. In Hessen musste sich das Landessozialgericht (LSG) nun damit befassen, ob Eltern das Schulgeld für den Besuch einer privaten Förderschule auch dann als Eingliederungshilfe vom Sozialamt erhalten können, wenn die Beschulung in einer staatlichen, gleich geeigneten Förderschule möglich (gewesen) wäre (Urteil vom 18.08.10 - Az: L 6 SO 5/10).

Für das 1993 geborene Kind, körperlich und geistig behindert, erklärte das staatliche Schulamt im Jahr 2000 sein Einverständnis mit dem Besuch der privaten Förderschule. Das offizielle Schulgeld betrug bis 2002 594,41 DM monatlich, von da an 303,92 Euro. Die Eltern hatten mit dem Träger der Schule vereinbart, dass sie selbst lediglich einen Teil des Schulgeldes in Höhe von 400 DM bzw. 204,52 Euro pro Monat zahlen. Der Restbetrag wurde durch verschiedenste Sozialleistungsträger erbracht.


Wahlfreiheit der Eltern steht Kostenübernahme nicht entgegen

2007 beantragten die Eltern nun die Übernahme des Schulgeldes in voller Höhe von 303,92 Euro beim Sozialhilfeträger. Dieser lehnte ab. Begründung: Eine Privatschule könne grundsätzlich nicht über die Sozialhilfe finanziert werden, wenn die Möglichkeit bestehe, eine schulgeldfreie, staatliche Schule zu besuchen. Zwar habe sich das Schulamt mit der Privatschule einverstanden erklärt, jedoch sei damit nicht gemeint gewesen, dass das Kind nur diese Schule besuchen könne. Die Eltern hätten damals noch klären müssen, ob nicht die Beschulung an einer öffentlichen Förderschule möglich gewesen wäre.

Bereits das Sozialgericht Marburg erteilte der Ansicht des Sozialhilfeträgers jedoch eine Absage. Der Wortlaut des Bescheides habe für die Eltern nur den Schluss zugelassen, dass die Entscheidung für genau diese Schule verbindlich sei. Der Sozialhilfeträger sei (wie immer) an die Entscheidung der Schulbehörde gebunden. Zu tragen habe er aber nur die tatsächlich für die Eltern angefallenen Kosten von 204,52 Euro.

Das LSG sah das jetzt genauso. Ergänzend führte es aus, dass es gar nicht darauf ankomme, ob das Schulamt verbindlich gehandelt habe. Vor dem Hintergrund der im Grundgesetz besonders geschützten Rechte von Kindern, Eltern und Menschen mit Behinderung, könne eine durch Schulrecht eröffnete Wahlmöglichkeit zwischen einer öffentlichen Förderschule und einer privaten Ersatzschule nicht durch den Sozialhilfeträger wieder in Frage gestellt werden. Wenn dies so sein solle, müsste der Gesetzgeber dies eindeutig festlegen. Auch gebe es keine Regel im Gesetz, dass die Übernahme von Schulgeld bereits dann ausgeschlossen sei, wenn eine kostenlose staatliche Schule eine ebenso angemessene Schulbildung ermögliche.


Sozialhilfeträger ist gebunden an schulrechtliches Ergebnis

Erneut musste das LSG den Sozialhilfeträger daran "erinnern", dass er an die Entscheidung der Schulbehörde gebunden ist. Darüber hinaus stärkte das Gericht auch die Position von Eitern: Ihre Wünsche bezüglich der Bildung ihres Kindes hat auch der Sozialhilfeträger zu respektieren, wenn die Schulgesetze der einzelnen Länder ein Wahlrecht enthalten. Jedoch mahnte auch das LSG an: Die Kosten für den Privatschulbesuch müssten auch im Einzelfall noch angemessen sein. Einen genauen Betrag benannte es dabei nicht. Im vorliegenden Fall musste es zu diesem Punkt nichts ausführen, da es aufgrund der bereits siebenjährigen Schulzugehörigkeit des Kindes einen Schulwechsel für unzumutbar hielt.


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Quelle:
Lebenshilfe Zeitung, Nr. 4/2010, 31. Jg., Dezember 2010, S. 15
Herausgeber: Bundesvereinigung Lebenshilfe
für Menschen mit geistiger Behinderung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Februar 2011