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RECHT/668: Begleitung in der Regelschule durch Fachkräfte (LHZ)


Lebenshilfe Zeitung, Nr. 3 - September 2010

Begleitung in der Regelschule durch Fachkräfte

Von Ricarda Langer


Die Begleitung von Kindern mit Behinderung im Unterricht durch pädagogische Fachkräfte kann Aufgabe der Sozialhilfe sein, wenn dies für den Besuch einer Regelschule notwendig ist. Dies hat das Sächsische Landessozialgericht (LSG) entschieden.


Artikel 24 der Behindertenrechtskonvention, die 2009 für Deutschland verbindlich in Kraft getreten ist, legt fest, dass Menschen mit Behinderungen Anspruch auf integratives Lernen und gleichberechtigten Zugang zu Grund- und weiterführenden Schulen haben und dabei auch individuell angepasste Unterstützungsmaßnahmen beanspruchen können. Jedoch wird seit langem diskutiert, wie diese inklusive Beschulung genau aussehen soll. Kinder mit Behinderung bedürfen oftmals auch in der Regelschule einer individuellen Betreuung.


Wer trägt die Kosten

Umstritten ist, wer für die Betreuungsperson die Kosten übernehmen muss: Die Schule oder hilfsweise der Sozialhilfeträger. Da die Schulgesetze der Bundesländer keine Regelung über die Kostenübernahme enthalten, wird die Betreuung häufig als Leistung der Eingliederungshilfe bewilligt. Für behinderte Schüler besteht also grundsätzlich die Möglichkeit, die Kosten für einen Integrationshelfer für den Schulbesuch erstattet zu bekommen.

Das LSG musste nun die Frage beantworten, ob bei einem Besuch einer behinderten Siebtklässlerin in einer Montessorischule eine Unterscheidung zu treffen sei zwischen dem sonderpädagogischen und dem eingliederungsbedingten Bedarf. Der klagende Sozialhilfeträger berief sich darauf, dass er nicht für den sonderpädagogischen Bedarf zahlen müsse, weil die Schülerin an einer Regelschule unterrichtet werden wolle. Es sei Aufgabe der Schule, diesen Bereich abzudecken. Für den lediglich von ihm zu ersetzenden pflegerischen Bedarf bedürfe es keiner pädagogischen Fachkraft.


Begleitung muss eine Fachkraft sein

Das Sächsische LSG (Az: L 7 SO 19/09 B ER) sah das anders und gab der Schülerin, die sehbehindert ist und eine Muskelschwäche hat, Recht: Nach sächsischem Schulrecht entscheide die Schulverwaltung über die Zuweisung an eine bestimmte Schule. Daran habe sich der Sozialhilfeträger zu halten und könne nicht einwenden, dass der Bedarf an einer Förderschule nicht angefallen wäre. Wenn die Schule die notwendige Unterstützung nicht leisten könne, müsse der Sozialhilfeträger komplett dafür aufkommen. Auch habe die Schülerin Anspruch darauf, von einer Fachkraft begleitet zu werden.

Bei der Feststellung des Assistenzbedarfs orientierte sich das Gericht an den Empfehlungen der Schule und entschied auf einen Bedarf von wöchentlich 30 Stunden als Hilfe bei der Bewältigung von Alltagssituationen (z.B. Transport des Gepäcks, Hilfestellung beim Gehen, Begleitung im Schulgebäude), im Bereich lebenspraktischer Aufgaben (z.B. Unterstützung beim Ankleiden) und Hilfe im Unterricht (z.B. bei der Auswahl benötigter Materialien, bei der Auswahl, dem Einsatz und der Ausrichtung notwendiger Hilfsmittel).

Auch wenn Teile dieser Leistungen, etwa das Ankleiden, keine pädagogischen Anforderungen enthielten, kann die Betreuung insgesamt durch eine qualifizierte Person vorgenommen werden. Das Gericht urteilte hier lebensnah und sah eine Aufteilung auf mehrere Personen als unpraktikabel an.


Einzelfallentscheidung

Die Entscheidung macht deutlich, dass bei der Beantragung einer Integrationshilfe immer das Schulrecht der einzelnen Bundesländer ausschlaggebend ist. Ist darin nicht geregelt, dass die notwendige Teilhabemaßnahme die Schule zahlen muss, kommt eine Übernahme der Kosten durch den Sozialhilfeträger in Betracht (Näheres im Rechtsdienst 3/2010).


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Quelle:
Lebenshilfe Zeitung, Nr. 3/2010, 31. Jg., September 2010, S. 11
Herausgeber: Bundesvereinigung Lebenshilfe
für Menschen mit geistiger Behinderung
Bundesgeschäftsstelle, Leipziger Platz 15, 10117 Berlin
Telefon: 030/20 64 11-0, Fax: 030/20 64 11-204
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jährlich viermal (März, Juni, September, Dezember).


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. November 2010