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RECHT/659: Keine Rechtssicherheit bei der Bestattungsvorsorge (LHZ)


Lebenshilfe Zeitung, Nr. 1 - März 2010

Keine Rechtssicherheit bei der Bestattungsvorsorge

Von Norbert Schumacher


Früher war es einfach: im Falle des Todes gewährte die gesetzliche Krankenversicherung ein Sterbegeld als Zuschuss zu den Bestattungskosten. Damit ist es schon seit Januar 2004 vorbei. Seither muss jeder selbst oder die Familie die Beerdigung bezahlen.


Die Versicherungswirtschaft bietet Sterbegeldversicherungen an. Diese können eine Möglichkeit der Bestattungsvorsorge sein. Eine weitere ist eine verzinsliche Geldanlage. Ist ein Mensch infolge Alters oder Behinderung auf Sozialhilfe angewiesen, muss er nach der geltenden Rechtslage jedoch um seine Ersparnisse für die Bestattung fürchten.

Ursache dafür ist eine Vorschrift im Sozialhilfegesetzbuch 12. Buch (SGB XII). Gemäß § 90 Absatz 1 SGB XII muss jedermann sein gesamtes verwertbares Vermögen einsetzen, bevor die Sozialhilfe leistet.

Eine Ausnahmevorschrift (§ 90 Absatz 2 SGB XII) listet eine Reihe von Vermögensgegenständen auf, deren Einsatz vom Sozialhilfeträger nicht verlangt werden kann. Hierzu zählen nach allgemeiner Ansicht nicht Ersparnisse für die Beerdigung oder eine Sterbegeldversicherung. Diese, Form der Vorsorge kann auch nicht als Bestandteil der grundsätzlich schützenswerten Alterssicherung verstanden werden.


Alterssicherung endet mit dem Tod

Das Bundessozialgericht (BSG) hat entschieden, dass eine angemessene Alterssicherung begriffsnotwendig seine Grenze mit dem Tod der versicherten Person finde. Auch könne eine vom Sozialamt verlangte Verwertung eines Bestattungsvorsorgevermögens nicht generell als eine Härte im Sinne von § 90 Absatz 3 SGB XII angesehen werden. Insoweit ist festzuhalten, dass die Verwertung einer Erlebens- und Todesfallversicherung nur dann eine Härte darstellt, wenn der Rückkauf der Versicherung unwirtschaftlich ist.

Nach Ansicht des Landessozialgerichtes für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) stellen Versicherungen verwertbares Vermögen dar, wenn ein vorzeitiges Kündigungsrecht und ein Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufwertes besteht. Dies gelte auch für Sterbegeldversicherungen (Urteil vom 19.03.2009; Az: L 9 SO 5/07).

Für den Regelfall füllen bereits die Vorschriften zum Schonvermögen die Härteklausel aus. Demzufolge gilt derzeit eine Schongrenze von 2600 Euro. Dieser Betrag reicht jedoch für eine angemessene Bestattung und Grabpflege nicht aus.


Armenbegräbnis ist diskriminierend

Gibt es keine nahen Angehörigen, muss der Sozialhilfeträger die Begräbniskosten übernehmen. Manche Menschen empfinden jedoch ein Begräbnis auf Sozialhilfeniveau nicht als würdevoll. Viele Eltern und nahe Angehörige von Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, wären gerne bereit, für die würdevolle Bestattung ihres behinderten Kindes bzw. Angehörigen finanziell vorzusorgen. Leider waren alle diesbezüglichen Initiativen in der Vergangenheit erfolglos.

Eine Bundesratsinitiative im Jahre 2005, die eine angemessene Vorsorge für den Sterbefall auch für sozialhilfebedürftige Menschen ermöglicht hätte, wurde von der Bundesregierung als nicht erforderlich abgelehnt. Der Hinweis der Bundesregierung, dass nach geltendem Recht mit der Härtefallregelung in § 90 Absatz 3 SGB XII sowie mit der Vorschrift zur Bestattung auf Sozialhilfekosten eine menschenwürdige Bestattung sichergestellt sei, wird leider vielerorts durch die Praxis widerlegt: Sozialhilfeträger machen im Hinblick auf eine Vorsorge für die Bestattung und Grabpflege nur sehr zurückhaltend von der Härteregelung Gebrauch. Immer wieder wird von Fällen von Einfachstbestattungen oder Armenbegräbnissen berichtet, wenn auf Sozialhilfe angewiesene Menschen beerdigt werden.


Vorbildliche Regelung im Saarland

Im Saarland wird eine Regelung praktiziert, die viele Nachahmer verdient hätte: Dort können zusätzlich zum Schonbetrag in Höhe von 2600 Euro bis zu 5200 Euro als Rücklagen für die Bestattung und Grabpflege angespart werden. Bis zu dieser Höhe besteht ein Verwertungsschutz, wenn eine Ansparung im Rahmen eines Bestattungsvorsorgevertrages oder einer Sterbegeldversicherung erfolgt und eine Verwendung der Rücklage für diese Zwecke garantiert ist.

Wer Vorsorge für die Bestattung betreiben möchte, sollte seinen Sozialhilfeträger auf die Vorteile des saarländischen Modells hinweisen: Die Kosten einer angemessenen Beerdigung könnten auf diese Weise ohne Rückgriff auf die Sozialhilfe getragen werden.

Der Sozialhilfeträger wird zudem von seiner unter Umständen sehr aufwändigen Verpflichtung befreit, nach Angehörigen zu forschen, die vorrangig zur Tragung von Beerdigungskosten verpflichtet sind.


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Quelle:
Lebenshilfe Zeitung, Nr. 1/2010, 31. Jg., März 2010, S. 12
Herausgeber: Bundesvereinigung Lebenshilfe
für Menschen mit geistiger Behinderung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. April 2010