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PROJEKT/655: Im PIKSL-Labor gegen die "digitale Spaltung" (Der Ring)


DER RING
Zeitschrift der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel - Oktober 2012

Im PIKSL-Labor gegen die "digitale Spaltung"
IGL-Projekt fördert Barrierefreiheit in der Computertechnologie

Von Gunnar Kreutner



Die rasend schnelle digitale Welt aus Blogs, Apps, Chats und Skypen war für Jennifer Wiche lange Zeit ein unverständliches und zugleich unzugängliches Mysterium. Dabei interessiert sich die 32-jährige behinderte Frau durchaus für Computer und das Internet, obwohl sie weder richtig lesen noch schreiben kann. Im PIKSL-Labor in Düsseldorf lernt sie seit einem Jahr, sich in dieser Welt zurechtzufinden. Mittlerweile hat Jennifer Wiche sogar ihre eigene Facebook-Seite.


Seit dem Start von PIKSL, einem Projekt der In der Gemeinde leben gGmbH in Düsseldorf, im Oktober 2011 besucht Jennifer Wiche gemeinsam mit ihrem Ehemann Christoph das Labor in der Erkrather Straße.

Das PIKSL-Labor ist ein vernetzter Ort mit Computer-Arbeitsplätzen, an dem Menschen mit Behinderung Zugang zur modernen Informationstechnologie finden. Gemeinsam mit Experten aus der Forschung und Studierenden der Fachhochschule Düsseldorf erarbeiten sie barrierefreie Lösungen.

PIKSL steht für "Personenzentrierte Interaktion und Kommunikation für mehr Selbstbestimmung im Leben". Das Modell-Projekt wird für die Laufzeit von drei Jahren von der Stiftung Wohlfahrtspflege gefördert.

Jennifer Wiche wollte nicht länger "offline" leben. Für sie bedeuten Internet und Computer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Sie möchte sich gerne mit anderen Menschen im Netz austauschen können und von den Möglichkeiten des Internets profitieren, auch für ihre große Leidenschaft, das Computerspielen. Die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien sind allerdings zu kompliziert für sie, vor allem wegen der Sprache.


Facebook-Account

PIKSL-Leiter Tobias Marczinzik spricht von "digitaler Spaltung". Das Projekt solle dazu beitragen, gemeinsam mit behinderten Menschen Barrieren abzubauen - ganz im Sinne der UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen von 2006. Dort wird ein gleichberechtigter Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologien gefordert.

Laborleiter Benjamin Freese hilft seinen Besucherinnen und Besuchern dabei, Kompetenz in der Nutzung der neuen digitalen Medien zu erlangen und als Experten in eigener Sache Lösungen zu finden. "Wenn moderne Kommunikationstechnik grundsätzlich weniger komplex, weniger verschriftet, sondern intuitiver und einfacher nutzbar wäre, dann hätte wirklich jeder etwas davon - ob alt oder jung, ob behindert oder nicht", ist er überzeugt.

Jennifer Wiche hat schon viel im PIKSL-Labor gelernt. Anfangs habe sie nicht einmal gewusst, wie man einen Computer einschalte, gibt sie mit einem Schmunzeln zu. Inzwischen hat sie ihren eigenen Facebook-Account und ist stolz, Freunden ganz einfache Nachrichten schicken zu können. Besonders viel Spaß macht ihr das Montagsangebot im PIKSL-Labor. Dann kommt ein Spiele-Experte vorbei, probiert mit den Nutzern neue Spiele aus und zeigt ihnen, wie "Online-Gaming" funktioniert.

Die PIKSL-Angebote und Projekte können alle Menschen mit geistiger Behinderung nutzen. Beim offenen Computertreff lernen die Teilnehmenden unter anderem, wie man E-Mails mit Foto-Anhang versendet und Skype nutzt, oder sie werden verständlich über die Sicherheit im Netz aufgeklärt.

Ein zentrales Ziel von PIKSL ist die multidisziplinäre Forschung in enger Zusammenarbeit mit den behinderten Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Gemeinsam mit Mediendesignern der Fachhochschule Düsseldorf wird unter anderem eine benutzerfreundliche Oberfläche zum Bloggen entwickelt. "Dafür haben die Teilnehmer viel mit Piktogrammen gearbeitet", erklärt Tobias Marczinzik. "Sie haben sich überlegt, wie man bestimmte Aussagen verständlich über Bilder und Symbole ausdrücken kann." In einer zweiten Phase prüfen Medieninformatiker, was von den Ideen umsetzbar ist, und programmieren das Eine oder Andere.

Für Christoph Wiche ist die Entwicklung von Lösungen besonders reizvoll. Er hat viele Ideen, wie man den Zugang zur digitalen Welt für Menschen mit Behinderung erleichtern kann. "Der Computer könnte zum Beispiel Nachrichten aus der Tageszeitung vorlesen, oder man könnte die Bedienung eines Computers durch sehr große und bildhafte Touchscreen-Elemente erleichtern", schlägt er vor.

Christoph Wiche fällt der Umgang mit Computern und dem Internet leichter als seiner Frau. Mittlerweile ist der 42-Jährige der erste Labor-Nutzer, der ein eigenes Projekt leitet. Er bietet einen Seniorenkurs an. "Ich bringe älteren Menschen den Computer von A bis Z näher", erklärt er stolz.


Land der Ideen

In dem Wettbewerb "365 Orte im Land der Ideen", den die Standortinitiative "Deutschland - Land der Ideen" in Kooperation mit der Wirtschaft und unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten veranstaltete, erreichte das PIKSL-Projekt im August den neunten Platz. Der Preis wird bundesweit für besonders innovative und zukunftsweisende Ideen vergeben. Die offizielle Preisverleihung findet am 15. Oktober im Diakonie-Institut für berufliche Bildung in Düsseldorf statt.


Nähere Informationen zum PIKSL-Projekt finden Interessierte im Internet unter
www.piksl.net

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Quelle:
DER RING, Oktober 2012, S. 10-11
Monatszeitschrift der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
Herausgeber: Pastor Ulrich Pohl in Zusammenarbeit mit der
Gesamtmitarbeitervertretung der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Dezember 2012