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PROJEKT/638: Kurzzeitunterbringung - Malen im Zuhause auf Zeit (Selbsthilfe)


Selbsthilfe - 4/2011

KURZZEITUNTERBRINGUNG
Malen im Zuhause auf Zeit

von Margot Fuss


Thorsten malt Kreise - und wie! In Knallfarben, intensiv und bunt bringt er sie sorgfältig aufs Papier und er führt seine Idee noch weiter. Die Kreise werden umrahmt und schließlich mit einer Kontrastfarbe ausgefüllt. Staunend stehen die Beobachter daneben, denn bis vor wenigen Minuten konnte der Jugendliche keine einzige Kreislinie ziehen. Thorsten ist geistig behindert. Er verbringt zusammen mit anderen Gästen das Wochenende in der "Kurzzeitunterbringung der Lebenshilfe" (KULE) der Lebenshilfe Baden-Baden - Bühl - Achern und er genießt sichtlich das entspannte Malen auf der Gartenterrasse.


Die KULE ist die "Kurzzeitunterbringung der Lebenshilfe". Die Einrichtung ist Ende letzten Jahres vom Bühler Froschbächle nach Baden-Baden in das neue Edith Mühlschlegel-Haus der Lebenshilfe umgezogen. Menschen mit Behinderung können hier kurzfristig ein Zuhause finden, wenn ihre eigentlichen Betreuer, zum Beispiel die Eltern, dieser Aufgabe übergangsweise nicht nachkommen können. Wie bei Michael. Die Mutter des 32-jährigen musste ins Krankenhaus, wollte und konnte Michael, der bei den Werkstätten der Lebenshilfe arbeitet, nicht alleine zuhause lassen. Also wohnt er jetzt zwei Wochen lang in der KULE. Und Michael genießt das, er kennt die Einrichtung bereits aus Bühl, findet die neue KULE aber noch viel besser: "Hier ist es schön und modern eingerichtet und es gibt viele Freizeitangebote", erklärt der junge Mann, der sehr kommunikativ und unternehmenslustig ist. Er nutzt möglichst alle Freizeitangebote nach der Arbeit. Und davon gibt es viele.


Beim bunten Freizeitangebot ist für jeden etwas dabei

Die Betreuer und Begleiter gehen mit den KULE-Gästen so oft wie möglich hinaus. Bei schönem Wetter steht der Schwimmbadbesuch an oder es geht in die Stadt, ins Museum oder ins Café - Möglichkeiten gibt es aufgrund der tollen Lage im Baden-Badener Westen schließlich genug.

Alle zwei Wochen kommt die Künstlerin Waltraud John ins Haus und öffnet ihre "Farbenwerkstatt" im Edith Mühlschlegel-Atelier. Sie bringt neben dem Material viele kreative Ideen und Erfahrungen mit, aber auch eine hohe Motivation für dieses ehrenamtliche Projekt, das sie selbst ins Leben gerufen hat. "Kunst kennt keine Behinderung", lautet ihre Devise. "Zur gesellschaftlichen Teilhabe zählt auch die kulturelle Teilhabe", erklärt die Baden-Badener Künstlerin und berichtet, dass die Menschen mit Handicap oftmals erst in der Farbenwerkstatt mit Kunst konfrontiert werden.


Im Malprojekt werden Kinder oft zum ersten Mal kreativ

Als Inspiration für ihre jungen Künstler eigne sich vor allem der spanische Maler Miro. "Mit großer Begeisterung werden seine einfachen Formen und Figuren nachgemalt - wenn möglich noch bunter als das Original", freut sie sich über die individuellen Fähigkeiten der behinderten Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

Ganz besonders gefällt ihr der rasche Erfolg von Thorsten. Waltraud John hat die anfänglichen Schwierigkeiten lösen können, indem sie dessen Tast- und Bewegungssinn mit einbezogen hat. Thorsten durfte seine Hand so lange in einer Sandkiste spazieren führen, bis das mit der Kreisform klappte. Noch zögerlich griff er zum Pinsel und gewann beim Malen immer mehr Sicherheit. Wenige Minuten später arbeitet er konzentriert und mit größter Freude an seinem Werk.


Kunst in den Alltag integrieren

Waltraud John demonstriert ihren Kunstschülern auch, wo und wie Kunst präsentiert wird. Sie begleitete im Sommer Gruppen mit behinderten Menschen nach Schwarzach in das Haus am Klostergarten, wo sie selbst ihre zeitgenössische Moderne Malerei aussteht.

Zahlreiche Kunstwerke von KULE-Gästen konnten im Edith Mühlschlegel-Haus beim Tag der offenen Tür am 2. Oktober bewundert werden. Weiterhin ist im Dezember eine Kunstausstellung der Lebenshilfe in Kooperation mit dem Kunstverein Baden-Baden geplant.

Christian Lemcke, Mitglied der Geschäftsleitung der Lebenshilfe, freut sich sehr über Waltraud Johns Engagement: "Mit dieser tollen ehrenamtlichen Mitarbeit haben wir einen weiteren Mosaikstein in der Begleitung unserer KULE-Gäste."


KONTAKT:
Lebenshilfe der Region Baden-Baden - Bühl - Achern e.V.
Kurzzeitunterbringung KULE
Breisgaustr. 1
76532 Baden-Baden
Tel.: 07221/97147-50
Fax: 07221/97147-40
Mail: kurzzeut@kule-bad.de
www.lebenshilfe-bba.de


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DIE KULE

Das Haus bietet Platz für 12 Gäste, denen zwei Gruppen zur Verfügung stehen. Dadurch können Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit einer Behinderung aufgenommen werden. Der große Küchen-/Aufenthaltsbereich lädt zum Verweilen ein. In jeder Gruppe sind 2 Zimmer mit Pflegebetten und Waschmöglichkeiten ausgestattet, die hellen Holzmöbel stammen aus der hauseigenen Werkstatt.

Zur Ausstattung gehören ein Pflegebad sowie behindertengerechte Duschen. Das moderne Haus liegt am Rande eines Naturschutzgebietes im neuen Stadtteil Cité. Es gibt Spielplätze und ein Jugendzentrum in direkter Nachbarschaft. In der im Jahr 2010 fertiggestellten, lichtdurchfluteten KULE befinden sich auch weitere Einrichtungen, wie der Kindergarten der Lebenshilfe und die Büros der "Offene Hilfen".

Die Kurzzeitunterbringung wird für alle erlebnisreich gestaltet und individuell auf die Möglichkeiten der zu betreuenden Menschen abgestimmt. Ob Urlaub oder Schulferien, in der KULE gibt es viele Themenangebote wie: "Wunderfitz-Woche" - Die Umwelt erkunden: Wie sieht eine Backstube, ein Feuerwehrhaus oder ein Pferderennstall aus? "Verlängertes Wochenende für Musikfreunde" - Musik selbst machen, Karaoke singen und ein Musikfest besuchen. Oder auch Spaziergänge, Ausflüge und Kaffeefahrten.

Der Aufenthalt in der KULE kann wie folgt finanziert werden:

• Leistungen der Pflegeversicherung (SGB XI)
• Verhinderungspflege
• Kurzzeitpflege (nur bei minderjährigen Gästen)
• Zusätzliche Betreuungsleistungen
• Leistungen der Eingliederungshilfe (SGB XII)

Für Gäste, die keine Leistungen der Pflegeversicherung erhalten, kann der Aufenthalt über die Eingliederungshilfe finanziert werden. Eine Kostenübernahme erfolgt in der Regel für mindestens 28 Tage im Kalenderjahr. Eine Aufteilung in mehrere Kurzaufenthalte ist möglich. In besonderen Situationen kann die Aufenthaltsdauer verlängert werden. Auch Menschen mit Behinderung, die keinen Anspruch auf die obigen Leistungen haben, können die KULE nutzen.

Für eine qualifizierte und kompetente Begleitung sorgt ein Team aus pädagogischen/pflegerischen Fachkräften und erfahrenen Mitarbeitern. Unterstützt werden sie durch Praktikanten, Absolventen des Freiwilligen Sozialen Jahres und ehrenamtlich Engagierte.


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Quelle:
Selbsthilfe 4/2011, S. 30-31
Zeitschrift der BAG SELBSTHILFE
Herausgeber: Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe
von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung
und ihren Angehörigen e.V.
BAG SELBSTHILFE
Kirchfeldstr. 149, 40215 Düsseldorf
Tel.: 0211/31 00 6-0, Fax: 0211/31 00 6-48
E-Mail: info@bag-selbsthilfe.de
Internet: www.bag-selbsthilfe.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Januar 2012