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PROJEKT/608: "Ortschaftsentwicklung Bethel" (Der Ring)


DER RING
Zeitschrift der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel - Juni 2010

Projekt "Ortschaftsentwicklung Bethel"
Stammsitz und identitätsstiftender Ort

Von Jens U. Garlichs


"Als nun Jakob von seinem Schlaf aufwachte, sprach er: Fürwahr, der Herr ist an dieser Stätte, und ich wusste es nicht! Und er fürchtete sich und sprach: Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels. Und Jakob (...) nannte die Stätte Bethel (Haus Gottes)" (1. Mose 28, 16-19).


Aus der Erzählung von Jakobs Traum im ersten Buch Mose wählte Friedrich von Bodelschwingh 1874 den Namen Bethel für die wachsende Ortschaft der Hilfe unterhalb der Bielefelder Sparrenburg aus. Er spiegelte sein Verständnis der praktizierten christlichen Nächstenliebe in unmittelbarer Nähe zu Gott wider. In der Ortschaft fanden behinderte, kranke oder benachteiligte Menschen Aufnahme. Die Anstalten bildeten früher mehr oder weniger geschlossene Einheiten. Behinderte und kranke Menschen kamen teilweise von weit her, um in der Ortschaft Bethel oder in den anderen dann gegründeten und zu Bethel gehörenden Ortschaften Eckardtsheim, Homborn, Freistatt oder Lobetal Hilfe und Unterstützung zu bekommen.

Dieser historische Ortschaftsbezug findet aktuell seine Entsprechung in der Vision "Gemeinschaft verwirklichen"; dort heißt es unter anderem: "In unseren gewachsenen Ortschaften gestalten wir exemplarisch das Zusammenleben unterschiedlicher Menschen: Menschen, die unsere Dienstleistungen in Anspruch nehmen, Menschen, die bei uns arbeiten, Menschen, die aus anderen Gründen in diesen Ortschaften leben möchten."


Regionalisierung

Daneben ist in den zurückliegenden Jahren bewusst eine Dezentralisierung und Regionalisierung betrieben worden, denen der neue Name Bethels Rechnung trägt: v. Bodelschwinghsche Stiftungen Bethel - dieser seit Jahresbeginn neue Name steht für veränderte Strukturen der Dienste und Angebote. "Wir gehen zu den Menschen an die Orte und in die Regionen, in denen sie mit ihren Familien leben. Dadurch fördern und unterstützen wir die Einbindung behinderter Menschen in die Gesellschaft. Soziale Bezüge können erhalten und selbstbestimmtes Leben stärker als zuvor verwirklicht werden", betont Pastor Bernward Wolf, Bethels stellvertretender Vorstandsvorsitzender. So sind in den vergangenen Jahren neue Einrichtungen und Dienste in Westfalen, im Ruhrgebiet, in Niedersachsen und Brandenburg entstanden, um diesem Anspruch gerecht zu werden. Bereits heute erhält etwas mehr als die Hälfte der von Bethel betreuten Menschen Assistenz und Unterstützung in ambulanten oder dezentralisierten Angeboten.

Eine solche Veränderung bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die traditionellen Ortschaften. Die Frage, wie diese Ortschaften in Zukunft sinnvoll gestaltet und weiterentwickelt werden können, steht darum jetzt auf der Tagesordnung. Ziel ist es, sie auch zukünftig als attraktive Wohn- und Lebensorte zu gestalten. "Das gilt zum einen für die Menschen Bethels, zum anderen möchten wir die Ortschaften aber auch noch mehr als bisher für Menschen, die nicht in den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel arbeiten oder ein Angebot in Anspruch nehmen, öffnen", so Pastor Wolf. Dafür bedürfe es einer guten Infrastruktur. "Gleichzeitig soll die besondere Gemeinschaft Bethels auch weiterhin so prägend sein, dass sie diese Ortschaften liebens- und lebenswert macht", unterstreicht Bethels Vorstandsvorsitzender Pastor Ulrich Pohl.

Die Ortschaft Homborn im Stiftungsbereich Bethel vorOrt bildet dabei eine Ausnahme. Die meisten Angebote aus Homborn sind bereits in die umliegenden Städte verlagert worden, in Homborn bleiben die Werkstatt für behinderte Menschen und ein Wohnangebot erhalten. Für die zukünftige Gestaltung und Rolle der Ortschaft Freistatt, die zum Stiftungsbereich Bethel im Norden gehört, haben die Überlegungen begonnen.

Für die Ortschaft Bethel in Bielefeld ist unter der Leitung von Diakon Wolfgang Roos-Pfeiffer ein Jahr lang bis März 2010 bereits ein Projekt durchgeführt worden. Ein Ergebnis sind die vom Vorstand der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel im März verabschiedeten "Leitlinien für die Entwicklung der Ortschaft Bethel". Künftig wird ein Ausschuss die Entwicklung der Ortschaften Bethel und Eckardtsheim sowie der Schillingshofsiedlung gemeinsam beraten. Der Ausschuss hat die Aufgabe, eine Abstimmung zwischen den drei Orten und den dort tätigen Stiftungsbereichen sicherzustellen.


Planungsausschuss

"Für die Ortschaft Bethel ist klar, dass sie ein identitätsstiftender Ort für die v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel insgesamt ist und bleiben wird", beschreibt Pastor Bernward Wolf, der auch Vorsitzender des Ausschusses für Ortschaftsentwicklung ist, die Arbeitsaufgabe des Gremiums. In ihm vertreten 18 Mitglieder die Stiftungs- und Unternehmensbereiche in Bielefeld, die Gemeinschaften Sarepta und Nazareth, die beteiligten Stabsstellen von den Finanzen bis zur Öffentlichkeitsarbeit, die Kirchengemeinde und die Ortschaftsreferenten.

Die Ortschaft Bethel jedenfalls als Stammsitz der Einrichtung wird nie ein ganz normaler Stadtteil Bielefelds sein. "Es gibt neben der geschichtlichen Bedeutung Bethels zum Beispiel heute keinen anderen Ort, der so der Bildung und Ausbildung verpflichtet ist wie Bethel", sagt Pastor Wolf und erinnert an die rund 4.000 Schüler, Studenten und Auszubildenden in Bethel. Für die künftige Entwicklung hat der Vorstand in den Leitlinien beschlossen: Modellimmobilien mit barrierefreien und bedarfsgerechten Wohnmöglichkeiten für Menschen, die ganz unterschiedlichen Unterstützungsbedarf haben, sollen gebaut werden; ebenso Wohn- und Unterstützungsangebote für alte Menschen. Daneben sollen in der Ortschaft neue Formen der technischen und kommunikativen Unterstützung für Menschen erprobt werden. Außerdem sollen neben der Werkstatt für behinderte Menschen Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten für behinderte Menschen gefördert werden.

In der Ortschaft Bethel geht es aber in Zukunft auch darum, Infrastrukturkosten einzusparen, daneben bedeutende Immobilien zu sichern und nicht mehr nutzbare abzureißen. Freie Grundstücksflächen sollen genutzt und neue Menschen in die Ortschaft geholt werden, nachdem stationäre Plätze wie in Eckardtsheim abgebaut wurden. Es gilt die "Ortschaft lebendig, vielfältig und diakonisch" zu erhalten, wie Pastor Bernward Wolf resümiert. Er fasst damit die Erwartungen der rund 500 interessierten Menschen, die im Rahmen des Projekts an den Zukunftsfragen für die Ortschaft Bethel beteiligt waren, zusammen.

Für die weitere Entwicklung der Ortschaft Bethel müssen auch die Rahmenplanungen der Stadt Bielefeld mit einbezogen werden. "In den vergangenen Jahren hat eine deutliche Annäherung zwischen Bethel, dem Stadtbezirk Gadderbaum und der Stadt Bielefeld stattgefunden", sagt Ortschaftsreferent Diakon Paul-Friedrich Klein. Das habe zu Transparenz und guter Abstimmung geführt; so werden die Projektergebnisse aus Bethel auch in der Gadderbaumer Bezirksvertretung vorgestellt.


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Quelle:
DER RING, Juni 2010, S. 6-7
Monatszeitschrift für Mitarbeiter, Bewohner, Freunde
und Förderer der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
Herausgeber: Pastor Ulrich Pohl in Zusammenarbeit mit der
Gesamtmitarbeitervertretung der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
Redaktion: Quellenhofweg 25, 33617 Bielefeld
Telefon: 0521/144-35 12, Fax: 0521/144-22 74
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Internet: www.bethel.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juni 2010