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PROJEKT/579: Neues Wohnen in Düsseldorf - 230 Quadratmeter Selbstständigkeit (Der Ring)


DER RING
Zeitschrift der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel - Mai 2009

Neues Wohnen in Düsseldorf
230 Quadratmeter Selbstständigkeit

Von Silja Harrsen


Die eigenen vier Wände - endlich! Sechs Männer mit erworbenen Hirnschädigungen, die aus Mangel an Alternativen in Altenheimen oder bei ihren Eltern leben mussten, sind in eine gemeinsame Wohnung gezogen. Möglich gemacht hat dieses Wohnmodell die Betheler "In der Gemeinde leben gGmbH" (IGL) in Düsseldorf, die bis Ende April vom Bundessozialministerium mit dem Projekt "Trägerübergreifendes Persönliches Budget" beauftragt war.


An seinem Schicksalstag war Dirk Hinrichs 16 Jahre alt. Er war Auszubildender auf einem Binnenschiff. Der Lastkahn hatte im Duisburger Hafen festgemacht, als durch den Zug der Seile ein Poller brach. Wie ein gewaltiges Geschoss traf das Metall den Kopf des jungen Mannes und zertrümmerte ihm das Gesicht und den Schädel. Sascha Petrewalsky war nur ein Jahr älter als sich sein Leben schlagartig änderte. Er verunglückte als Beifahrer in einem Auto und zog sich dabei so schwere Verletzungen zu, dass er lange Zeit im Koma lag.

Sascha Petrewalsky und Dirk Hinrichs sind mittlerweile Anfang 40. Die anderen Männer in der neuen Wohngemeinschaft haben ungefähr das gleiche Alter. Sie alle erlitten Hirnschädigungen nach einem Unfall oder Schlaganfall und müssen seitdem mit erheblichen Leistungseinschränkungen des Gehirns und teilweise auch mit körperlichen Behinderungen leben. Sowohl im Altenheim als auch bei ihren Familien fühlten sie sich nicht am richtigen Platz. Der Wunsch nach einem selbstständigeren Leben mit persönlichem Budget war bei allen Betroffenen groß. Weil es in ganz Deutschland kein einziges passendes Angebot für sie gab, hat die "In der Gemeinde leben gGmbH" ein neues geschaffen.

Für die beiden Projektmitarbeitenden der IGL, Sven Möller und Britta Zeus, war es auf dem Weg zum neuen Wohnmodell ein langer und beschwerlicher Ritt durch den Behördendschungel. Über 500 Arbeitsstunden haben sie in die Vorbereitungen gesteckt. Sechs Kostenträger mussten mit ins Boot genommen werden. Dabei gab es mehr Probleme mit den Formularen und Computerprogrammen als mit den Mitarbeitern in den Ämtern. Mittlerweile sind jedoch alle Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt, und das Projekt wurde erfolgreich beendet. Die IGL ist durch ihre Erfahrungen zu einer wichtigen Anlaufstelle für andere soziale Einrichtungen geworden, die Ähnliches vorhaben.

Dirk Hinrichs fühlt sich wohl in der WG in der Münsterstraße. Das Zimmer hat er sich nach seinem eigenen Geschmack eingerichtet. Ein paar Wochen hat er gebraucht, um sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden. Jetzt kennt er sich in der 230 Quadratmeter großen Wohnung schon recht gut aus. Dass in der Küche der Plan mit den Freizeitangeboten hängt, hat sich Dirk Hinrichs gemerkt. Daraus sucht er sich die Veranstaltung aus, die ihm gefällt, und bezahlt sie aus eigener Tasche mit dem persönlichen Budget.


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Quelle:
DER RING, Mai 2009, S. 15
Monatszeitschrift für Mitarbeiter, Bewohner, Freunde
und Förderer der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel
Herausgeber: Pastor Ulrich Pohl in Zusammenarbeit mit der
Gesamtmitarbeitervertretung der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel
Redaktion: Quellenhofweg 25, 33617 Bielefeld
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Mai 2009