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MEDIZIN/163: "Burnout" - Wenn Heilen und Helfen krank macht (Der Ring)


DER RING
Zeitschrift der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel - September 2009

Wenn Heilen und Helfen krank macht
AINS-Forum im Ev. Krankenhaus Bielefeld

Von Robert Burg


"Man denkt mit der Uhr in der Hand" - mit diesen Worten beschrieb Friedrich Nietzsche einen Zustand, der das Lebensgefühl vieler Fachkräfte auf den Intensivstationen kennzeichnet. Ein Resultat hoher psychischer und physischer Belastungen kann der "Burnout" sein, den Prof. Dr. Frank-Gerald Pajonk untersucht hat. Der Psychiater sprach Anfang August im Ev. Krankenhaus Bielefeld (EvKB) über gravierende Erschöpfungszustände bei Klinikmitarbeitern.


Während die psychischen Probleme von Patienten auf einer Intensivstation bereits gut erforscht seien, erfahre die Belastung von Ärzten und Pflegekräften erst seit Kurzem das notwendige Interesse, unterstrich Prof. Pajonk, Chefarzt einer Privat-Klinik für Allgemeine Psychiatrie und Psychotherapie. Laut einer amerikanischen Studie seien 50 Prozent des Intensivpersonals von Erschöpfungszuständen betroffen. Zwar sei diese Zahl zu hoch gegriffen, dennoch sei auch in deutschen Kliniken von einer erheblichen Bedeutung des Burnouts auszugehen, so der Psychiater. Zu dem Vortrag wurde er von Chefarzt Prof. Dr. Fritz Mertzlufft und Dr. Friedhelm Bach von der Klinik für Anästhesiologie, Intensiv-, Notfall-, Transfusionsmedizin und Schmerztherapie (AINS) im EvKB eingeladen.

Der Burnout-Prozess lasse sich in drei Phasen gliedern, sagte Prof. Pajonk. Das Frühstadium des Burnouts sei gekennzeichnet durch Gereiztheit und Aktivität, darauf folge ein Rückzug, der in Passivität und selbst gewählte Isolation münde. Von der Willensstärke des Einzelnen hänge ab, wie sich der Verlauf zeitlich entwickele, doch das Ergebnis bleibe immer gleich. Da die Persönlichkeit für die Burnout-Anfälligkeit eine entscheidende Rolle spiele, forderte der Mediziner. "Jeder soll an dem Platz arbeiten, an dem er am meisten leisten kann." Doch gerade viele junge Ärzte schätzten ihre eigenen Stärken und Schwächen falsch ein.

Die wichtigsten Faktoren des Burnouts sind die Arbeitsbelastung, die berufliche Perspektive, die Bezahlung, der Umgang mit Kollegen, aber auch frühere Erfahrungen, das Privatleben oder die allgemeine körperliche Befindlichkeit. Oft geben kleine Dinge den Ausschlag: Bei einem deutschen Auto-Konzern gliederte eine zehnminütige Frühstückspause den Vormittag. Als die kurze Unterbrechung abgeschafft wurde, stieg der Krankenstand binnen eines halben Jahres um das Fünffache, die Qualität der Arbeit ließ deutlich nach. Die Entscheidung wurde rückgängig gemacht, und binnen kurzer Zeit stellten sich die alten Verhältnisse wieder ein.

Gingen Arbeitsleistung und "Entlohnung" durch Bezahlung, Wertschätzung und Anerkennung auseinander, vervielfache sich die Burnout-Gefahr, so Prof. Pajonk. Eine Risiko-Zunahme für das Intensivpersonal durch den täglichen Umgang mit dem Sterben sei hingegen nicht belegt. Zudem sei es gleich, ob die Mitarbeitenden einfachste Tätigkeiten ausführten oder komplexe, verantwortungsvolle Aufgaben bewältigen müssten.

Am Ende eines langen, unbehandelten Verlaufs kann sich aus dem Zustand des "Ausgebrannt-Seins" ein Krankheitsbild entwickeln, das einer Depression sehr ähnlich ist und dementsprechend mit Psychotherapie und Medikamenten behandelt werden muss.


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Quelle:
DER RING, September 2009, S. 21
Monatszeitschrift für Mitarbeiter, Bewohner, Freunde
und Förderer der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel
Herausgeber: Pastor Ulrich Pohl in Zusammenarbeit mit der
Gesamtmitarbeitervertretung der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. September 2009