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MEDIEN/201: 37° künftig mit akustischer Untertitelung - Interview zum Hörfilm (ZDF)


ZDF Pressestelle: Mainz, 10. Mai 2010

Fernsehen für Blinde: ZDF-Reihe "37°" künftig mit akustischer Untertitelung

Interview zur Audiodeskription im ZDF


Das ZDF baut seinen Service für Blinde und Sehbehinderte weiter aus. Ab Mitte Mai werden auch die "37°"-Sendungen mit Audiodeskription zur Verfügung stehen, und zwar jeweils in der Wiederholung auf 3sat. Die erste Ausgabe ist "Traumprinz aus der Ferne" am Dienstag, 18. Mai 2010, 22.15 Uhr (Wiederholung mit Audiodeskription auf 3sat am 25. Mai um 15.00 Uhr).

Der Film von Ulrike Baur erzählt die Geschichte dreier Frauen, die im Urlaub in Tunesien dem vermeintlichen Traumprinzen begegnet sind und nun versuchen, ihre Liebe in den Alltag hinüberzuretten.

Die akustische Untertitelung ist kein neues Verfahren - es gibt sie seit 1993 im ZDF. Doch mit "37°" wird die erste Dokumentarreihe des deutschen Fernsehens mit diesem Service für Blinde und Sehbehinderte angeboten. "'37°' beleuchtet in herausragender Art und Weise die gesellschaftliche, vor allem soziale Wirklichkeit in Deutschland. Dieser Stein fehlte uns noch im Mosaik des Angebots", begründet Dr. Eckart Gaddum, Leiter der ZDF-Hauptredaktion Neue Medien und verantwortlich für Audiodeskription im ZDF, die Entscheidung. Er sei sehr gespannt, wie das Angebot angenommen werde.


Dr. Eckart Gaddum zur Geschichte und zum Verfahren der Audiodeskription im ZDF

1. Seit wann gibt es Hörfilme im ZDF?

Entwickelt wurde die Technik der Audiodeskription in den 80er Jahren von Auguste Coppola an der San Francisco State University of Arts. Coppola stellte die Audiodeskription 1989 in Europa bei den Filmfestspielen in Cannes vor. Von dort ausgehend wurde die Audiodeskription vor allem in England, Frankreich und Deutschland aufgegriffen. Die deutsche Blindenselbsthilfe trug das Medium Hörfilm an das ZDF heran und stieß dort auf offene Ohren.

1993 strahlte das ZDF den ersten Hörfilm des deutschen Fernsehens aus: "Eine unheilige Liebe" von Michael Verhoeven. Es folgten vereinzelte weitere Hörfilm-Produktionen. Startschuss für das kontinuierliche Hörfilm-Engagement des ZDF war die Konferenz "Anders sehen. Chancen und Risiken der Digitalisierung im Rundfunk für Blinde und Sehbehinderte" (ausgerichtet von der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz) beim ZDF in Mainz im Dezember 1998. Dort kündigte der damalige Programmdirektor Markus Schächter die regelmäßige Ausstrahlung von Programmen mit Audiodeskription an. Am 29. März 1999 startete die Reihe "Derrick" mit Hörfilm-Service. Seither wird das Hörfilm-Angebot des ZDF in Kooperation mit der Deutschen Hörfilm gGmbH (DHG) realisiert.


2. In welchem Umfang bietet das ZDF diesen Dienst schon an?

Das ZDF ist der Sender mit dem größten Hörfilm-Angebot in Deutschland. Im Jahr 2009 wurden von der DHG rund 4500 Sendeminuten Programm mit Audiodeskription für das ZDF bearbeitet, unter anderem der Oscargewinner "Die Fälscher", "Die Nachrichten" (mit Jan-Josef Liefers und Dagmar Manzel), "Ein starker Abgang" (mit Bruno Ganz und Monika Bleibtreu), Woody Allens "Hannah und ihre Schwestern" sowie Material aus den Reihen "Der Kriminalist", "Kommissar Stollberg", "SOKO 5113", "SOKO Leipzig", "Ein Fall für zwei", "Notruf Hafenkante". Hinzu kommen Wiederholungs-Ausstrahlungen von Hörfilmen. Für sein Engagement wurde das ZDF 2002 und 2008 mit dem Deutschen Hörfilmpreis ausgezeichnet.


3. Nach welchen Kriterien fällt die Entscheidung, ob ein Programm akustisch untertitelt wird?

Die Programme, die eine Audiodeskription erhalten sollen, werden von den einzelnen Redaktionen in Zusammenarbeit mit der DHG ausgewählt. Dabei kommen folgende Überlegungen zum Tragen: Welchen Stellenwert hat das Programm für die angestrebte kulturelle Teilhabe (unter anderem hohe Zuschauerresonanz, aktuelles Thema als Gesprächsstoff, filmgeschichtliche Bedeutung)? Ist der Sendeplatz attraktiv? Ist das Material geeignet für eine Audiodeskription bzw ist die Audiodeskription sinnvoll? Bei Lizenzankäufen: Wie viele Ausstrahlungen sind noch möglich? Angestrebt wird eine gute Mischung des Gesamtangebots nach Formaten und Genres (Serie / TV-Movie / Kino-Spielfilm / Doku), auch "kleine" Filme werden gezielt in den Focus gerückt. So erhielt etwa die ZDF-Produktion "Netto" aus der Redaktion Das Kleine Fernsehspiel den Hörfilm-Preis 2008


4. Warum ist es etwas Besonderes, dass nun auch "37°" akustisch untertitelt wird?

Mit "37°" wird die erste Doku-Reihe des deutschen Fernsehens mit Audiodeskription bearbeitet. Bislang gab es im Bereich Dokumentation nur Einzelstücke. "37°" beleuchtet in herausragender Art und Weise die gesellschaftliche, vor allem soziale Wirklichkeit in Deutschland. Dieser Stein fehlte uns noch im Mosaik des Angebots. Ich bin sehr gespannt auf die Akzeptanzwerte dieses Angebots.


5. Gibt es Erkenntnisse, in welchem Umfang der Service genutzt wird?

Die DHG betreibt einen Info-Service für die blinden und sehbehinderten Nutzer von Hörfilm-Angeboten. Die Rückmeldungen der Nutzer zeigen, dass die Audiodeskription als große Bereicherung empfunden wird - sowohl von Menschen, die als Geburtsblinde nie etwas gesehen haben, als auch von Menschen, die, bedingt durch Alter, Krankheit, Unfall den Sehsinn verloren haben und mittels Audiodeskription bei "ihrem" Medium, dem Fernsehen, bleiben können.


6. Wie genau funktioniert das Verfahren, und wer macht das im ZDF?

Das Hörfilm-Angebot des ZDF wird produziert von der Deutschen Hörfilm gGmbH (DHG), die seit 1999 Kooperationspartner des ZDF ist. Die technische Umsetzung erfolgt in den Berliner Studios des ZDF. Zunächst wird von eigens ausgebildeten Audiodeskriptoren ein Manuskript erstellt, das die fehlenden Bildinhalte erfasst und sie in die Dialogpausen einpasst. Dabei wird das filmische/audiovisuelle Erzählen übersetzt in ein auditives Erzählen, das Bildbeschreibungen, Dialoge, Atmosphäre und Filmmusik zu einem neuen, kohärenten Ganzen zusammenfügt. Das Audiodeskriptions-Manuskript wird von einem blinden Mitarbeiter abgenommen und gegebenenfalls nachbearbeitet. Die Bildbeschreibungen werden dann im Tonstudio von einem professionellen Sprecher eingesprochen und mit dem Filmton abgemischt. Das Ergebnis ist eine weitere Tonspur, der Hörfilm-Ton (Audiodeskription), der vom Fernsehteilnehmer optional angewählt werden kann. Voraussetzung für den Empfang ist eine digitale Empfangsmöglichkeit.

Die DHG hat das angewandte Produktionsverfahren in Zusammenarbeit mit dem ZDF entwickelt. Auch aus der effizienten Produktionsweise erklärt sich der hohe Anteil des ZDF an der Gesamtproduktion von Audiodeskription in Deutschland.

Die Fragen stellte Maria Zimmer-Geyer.


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Quelle:
ZDF - Zweites Deutsches Fernsehen
ZDF Pressestelle: Mainz, 10. Mai 2010
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Internet: www.zdf.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Mai 2010