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FRAGEN/159: Stichwort Deutscher Behindertensport-Verband (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 34 / 18. August 2009
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Stichwort: Deutscher Behindertensport-Verband
Sechs Fragen an Friedhelm Julius Beucher, den neuen Präsidenten des Deutschen Behindertensport-Verbandes (DBS)

"Wir müssen heraus aus der Mediennische"


DOSB PRESSE: Im Juni wurden Sie einstimmig zum neuen Präsidenten des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS) gewählt. Woher stammt Ihre Affinität zum Behindertensport?

BEUCHER: Für diesen Bereich des Sports interessiere ich mich schon seit einigen Jahrzehnten. Die Initialzündung dafür verdanke ich dem engen persönlichen Kontakt zu dem behinderten Weltklasse-Tischtennisspieler Rainer Schmidt, der wie ich aus dem Oberbergischen Land stammt, dessen Weg ich mit begleitet habe und zu dem sich im Laufe der Jahre eine enge Freundschaft entwickelt hat. Schon 1990, als ich über die SPD-Landesliste von Nordrhein-Westfalen erstmals in den Bundestag gewählt wurde, betrachtete ich die Förderung des Behindertensports als einen meiner inhaltlichen Schwerpunkte. Die Erlebnisse beim Besuch der Paralympics 1992 in Barcelona hatten mich dann zusätzlich darin bestärkt, auf diesem Feld unbedingt etwas zu tun.

DOSB PRESSE: Wie fällt die erste Bilanz als neuer Präsident aus?

BEUCHER: Es ist immer schon mein Anliegen gewesen, für den Behindertensport zu werben und seine faszinierenden Besonderheiten hervorzuheben. Beide Seiten des Sports - nicht behinderte Sportler und behinderte Sportler - sollten sich meines Erachtens auf Augenhöhe bewegen. Dahin müssen wir kommen. Dieses Ziel habe ich auch gegenüber den Delegierten bei meiner Wahl deutlich gemacht. Zum Beispiel hatte ich es in meiner Zeit als Vorsitzender des Bundestagssportausschusses so gehalten, dass die Chefs de Mission der Olympiamannschaft und des deutschen Paralympic-Teams gleichberechtigt Bericht erstatteten. Das ist heute Standard. Insgesamt ist der Weg zur Gleichrangigkeit natürlich noch lange nicht vollzogen, ungeachtet der erfreulichen Quantensprünge in den vergangenen Jahren.

DOSB PRESSE: Woran lässt sich das zum Beispiel festmachen?

BEUCHER: An tägliche Live-Schaltungen zu den Paralympics war ja lange Zeit gar nicht zu denken. Heute kann sich wahrscheinlich kaum noch jemand vorstellen, dass für die Berichterstattung von den Paralympics 1992 beim ZDF das Ressort Soziales verantwortlich zeichnete. Ich erinnere mich auch noch gut an die Peinlichkeit bei der Wahl zu den "Sportlern des Jahres" 2000. Damals hatte die ARD die in München anwesenden Medaillen-Gewinner der Paralympics von Sydney weder erwähnt noch beachtet, sondern irgendwo abseits in einer Ecke des Saals hinter den Kameras platziert. So etwas würde es heute nicht mehr geben. Die Paralympics genießen inzwischen eine beträchtliche mediale Aufmerksamkeit. In der Zeit zwischen diesen Ereignissen allerdings fällt der Behindertensport in der öffentlichen Wahrnehmung regelmäßig in ein tiefes Loch. Das gilt es zu ändern. Darin sehe ich eine meiner wichtigsten Aufgaben. Wir müssen heraus aus der Mediennische.

DOSB PRESSE: Wo werden Sie Ihre inhaltlichen Schwerpunkte setzen?

BEUCHER: Wir müssen dringend den Reformprozess fortführen. An der Spitze versuchen wir bereits mit gutem Beispiel voranzugehen, indem als erstes das Präsidium von 13 auf 7 Positionen verkleinert wurde. Mir schwebt auch eine engere Zusammenarbeit mit unseren Landesverbänden vor, weil dort die Kompetenzen vor Ort gebündelt sind. Selbstverständlich auch jene in unseren weit über eintausend Vereinen, die in den Städten und Gemeinden erster Ansprechpartner für Rehabilitationssportler und Menschen mit Behinderungen sein sollten. Leider leiden viele unserer Vereine, die nach 1945 als so genanntes sportliches Auffangbecken für die Versehrten des Zweiten Weltkrieges gegründet wurden, inzwischen an Überalterung. Wir müssen uns einmischen, wenn es um Menschen mit Behinderung geht! Egal ob es um den demografischen Wandel, betriebliche Gesundheitsfürsorge, Präventionsgesetz oder generelle Veränderungen im Gesundheitssystem geht - wir müssen erreichen, dass Menschen mit Behinderung explizit und nicht nur am Rande berücksichtigt werden. Unsere Vereine, unsere Landes- und Fachverbände haben eine enorme Kompetenz in den Bereichen Breiten- und Rehabilitationsport, die es zu kanalisieren und Ziel gerichtet einzubringen gilt. Es muss uns auch gelingen, mehr Kinder und Jugendliche mit Behinderung an den Sport heranzuführen. Was das betrifft, sind die Bundesjugendspiele für Schülerinnen und Schüler mit Behinderung ein guter Anfang.

DOSB PRESSE: Wie würden Sie die aktuelle wirtschaftliche Situation Ihres Verbandes beschreiben?

BEUCHER: Wir sind stolz, zum zweiten Male hintereinander einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen zu können und inzwischen viele weitere Förderer gefunden zu haben. Das ist auch ein Ergebnis des Konsilidierungsprozesses, den mein Vorgänger Karl Hermann Haack erfolgreich auf den Weg gebracht hat. Doch nicht nur in wirtschaftlichen Dingen gilt es, professioneller zu arbeiten. Das gilt ebenso in Bezug für die Zahl und die Berufsperspektiven unserer Trainer und wir müssen auch viel stärker die Möglichkeiten der dualen Karriere für unsere Spitzenathleten hinterfragen. Ich weiß, dass die Bundesministerien und der öffentliche Dienst insgesamt viele Plätze für Behinderte vorhalten, aber deren Kapazitäten sind erstens begrenzt und zweitens kann dies nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Inzwischen haben wir uns auch im Behindertensport zu einer weltweit führenden Nation gemausert. Wenn wir diese Position behaupten wollen, geht kein Weg daran vorbei, zumindest für unsere Leistungssportler das berufliche Umfeld optimal zu gestalten. Dafür werde ich kämpfen. Ein Weg dahin führt zweifellos über die so genannten Top-Teams. Dank unserer nationalen Förderer Deutsche Telekom und Allianz sowie der Stiftung Deutsche Sporthilfe und weiterer Unterstützer können sich seit den Spielen 2004 auch unsere Athleten in solchen Teams auf die großen sportlichen Höhepunkte besser vorbereiten. Die Sporthilfe förderte im Vorfeld der Spiele von Peking die DBS-Athleten allein 2007 mit etwa 535.000 Euro, und an unsere 59 Medaillengewinner wurden von der Stiftung anschließend 180.000 Euro an Prämien ausgezahlt. Für Gold gab es 4.500 Euro, für Silber 3.000 Euro und für Bronze 1.500 Euro. Das ist sehr erfreulich, aber andererseits natürlich weit unter den Summen für Medaillengewinner bei Olympischen Spielen. Von einer Gleichrangigkeit kann man also auch hier noch nicht sprechen.

DOSB PRESSE: Am 31. Juli haben Sie sich als Rektor der integrativen Montanus-Grundschule Burscheid offiziell vom Schuldienst in den Ruhestand verabschiedet. Gibt es für Sie nach Ihren drei Legislaturperioden von 1990 bis 2002 nun eventuell ein Comeback im Bundestag?

BEUCHER: Nein, das ist für mich keine Option. Das hatte ich schon vor der Bundestagswahl im Jahr 2005 deutlich gemacht. Im Jahr 2007 hatte ich bereits nach 20 Jahren den Vorsitz im Kreisverband der Oberbergischen SPD abgegeben. Insofern kann ich mich jetzt dem Ehrenamt beim Deutschen Behindertensportverband besser widmen. Man darf dabei ja eines nicht vergessen: Mit über 470.000 Mitgliedern ist der DBS der größte nationale Verband seiner Art weltweit. Das erfordert neben der Übernahme von Verantwortung vor allem auch Zeit für die anstehenden Aufgaben.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 34 / 18. August 2009, S. 7
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. September 2009