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BUCHTIP/453: Kurzbiografie Über "Pastor Paul Gerhard Braune" von Jan Cantow (Der Ring)


DER RING
Zeitschrift der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel - Februar 2013

Jan Cantows Buch über Pastor Braune
Im Hausgefängnis der Gestapo-Zentrale

Von Silja Harrsen



Über den ehemaligen Leiter der früheren Hoffnungstaler Anstalten Lobetal Paul Gerhard Braune ist eine neue Kurzbiografie erschienen. Der Band ist der erste einer Notizenreihe, die die "Stiftung Topographie des Terrors" in Berlin in loser Folge herausgeben wird. Das Dokumentationszentrum der Stiftung befindet sich auf dem Gelände der beiden Zentralen "Reichsführung-SS" und "Gestapo". Dort war während der NS-Diktatur Pastor Braune inhaftiert.


Paul Gerhard Braune hatte mit einer Denkschrift gegen die Ermordung unheilbar kranker und behinderter Menschen protestiert. Dafür kam er 80 Tage in Haft. "Noch erwähnen möchte ich, daß ich in die Zelle hinein den Schutzhaftbefehl in rotem Papier bekam", schreibt er in seinen Erinnerungen. Darin wurde ihm vorgeworfen, in unverantwortlicher Weise Maßnahmen des Staates und der Partei sabotiert zu haben. Unterschrieben war das Papier von Reinhard Heydrich, dem Leiter der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) und einem der Hauptverantwortlichen der systematischen Ermordung der Juden in Europa.


Widerstand gegen Terror

"Aus der gleichgeschalteten Masse der Täter, Mitläufer und Zuschauer hebt sich Paul Gerhard Braune jedenfalls deutlich ab", schreibt Prof. Dr. Andreas Nachama, geschäftsführender Direktor der "Stiftung Topographie des Terrors" und Herausgeber der Publikation, in seinem Vorwort. Es sei ein jämmerliches Bild von einer weitgehend christlich geprägten Gesellschaft, dass der Mord an Patienten nicht nur von Teilen der Bevölkerung mitgetragen wurde, sondern auch von den Kirchen. Nur wenige hätten sich wie Paul Gerhard Braune zum widerständigen Verhalten entschieden, so Prof. Nachama.

Paul Gerhard Braune wurde am 6. Dezember 1887 in Ostbrandenburg geboren. Der Vater war Pfarrer und sein Elternhaus geprägt von einer christlichen, national-konservativen Weltsicht, die er übernahm. Auch er wurde Pfarrer und studierte unter anderem in Bethel. Die Begegnung mit Friedrich von Bodelschwingh und die Arbeit mit behinderten Menschen beeinflussten seinen weiteren Lebensweg. 1922 folgte er dem Ruf Fritz von Bodelschwinghs und übernahm die Leitung der Hoffnungstaler Anstalten Lobetal bei Berlin.

"Paul Gerhard Braune glaubte fest an eine gottgegebene Obrigkeit und Monarchie", schreibt Jan Cantow. Der Archivar und Historiker der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal ist der Autor der neuen Braune-Biografie. Darin zeigt er dessen Leben, Leistung, aber auch Grenzen auf. 1933 konnte Braune dem neuen "Geschehen" in Gestalt von Adolf Hitler und der NSDAP noch viel Positives abgewinnen. Nach der Pogromnacht im November 1938, als die Nationalsozialisten die Synagogen zerstörten, setzte er sich umso intensiver für "nicht-arische Christen", also für Menschen jüdischer Herkunft, ein.


Haft nach Denkschrift

Die kommunale Hoheit Lobetals nutzten Braune und seine engsten Mitarbeiter, um falsche Papiere auszustellen. Auch der Ermordung kranker und behinderter Menschen wollte er nicht tatenlos zusehen. Im Juli 1940 überreichte er eine Denkschrift gegen die Euthanasie an den Chef der Reichskanzlei, Heinrich Lammers. Am 12. August wurde Paul Gerhard Braune verhaftet. Die Haft im Gestapo-Gefängnis markiert seinen Wendepunkt. Aus dem nationalkonservativen Preußen wurde ein Gegner der Diktatur und ein Demokrat.

  • Jan Cantow:
  • "Pastor Paul Gerhard Braune".
  • Hentrich & Hentrich Verlag Berlin, 2012
  • 120 Seiten, Klappenbroschur, 12,80 Euro
  • ISBN 978-3-942271-85-1

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Quelle:
DER RING, Februar 2013, S. 17
Monatszeitschrift der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
Herausgeber: Pastor Ulrich Pohl in Zusammenarbeit mit der
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. April 2013