Schattenblick →INFOPOOL →PANNWITZBLICK → PRESSE

BUCHTIP/448: "Zahra - Das Leben meiner Tochter" von Adelheid Schär (ISAAC)


UNTERSTÜTZTE Kommunikation - isaac's zeitung
International Society for Augmentative and Alternative Communication 1-2012

Adelheid Schär: Zahra
Das Leben meiner Tochter

Eine Buchbesprechung von Stefanie Tegeler



"Der Lebensweg von Zahra steht stellvertretend für ein Leben, das sich viele Menschen gar nicht vorstellen können. Es ist ein Leben, das viele Menschen für sich nicht als lebenswert erachten würden. Zahra kann sie eines Besseren belehren."
Prof. Dr. Ursula Hoyningen-Süess im Nachwort S. 308


Adelheid Schär (*1949) erzählt in dem Buch "Zahra" von dem Leben ihrer Tochter. Zahara wurde 1986 in der Schweiz geboren und erlitt bei einem Narkoseunfall mit 2 Monaten eine schwere Hirnverletzung. Sie entwickelt eine schwere Bewegungsstörung, wird zunächst als schwerst-mehrfachbehindert und blind beschrieben.

In 16 Kapiteln, die etwa den Lebensjahren von Zahra entsprechen, zeichnet ihre Mutter den gemeinsamen Lebensweg nach.

Die ersten Jahre sind geprägt vom Kampf um Zahras Überleben, der Änderung der persönlichen Lebensperspektive, der Suche nach verschiedenen Therapien und dem eigenen Weg. Sehr persönlich und offen schildert Frau Schär ihre Erfahrungen, Ängste und Hoffnungen. Sie hat vor der Geburt ihrer Tochter auf dem zweiten Bildungsweg ein Studium der Psychologie, Philosophie und Pädagogik abgeschlossen und hat daher ein Hintergrundwissen über kindliche Entwicklung. Das stärkt sie in der Suche nach Unterstützung und Hilfe, lässt sie oft aber auch zweifeln.

"Mein bisheriges Raster in dem ich meine Wahrnehmungen eingeordnet hatte, fiel in sich zusammen. Ich musste wieder ganz von vorne anfangen, Teilchen um Teilchen beobachten, beurteilen und zu einem neuen Welt- und Menschenbild zusammenfügen. Zuerst zweifelte ich selbst an meinem Verstand doch wurde ich mir mit der Zeit immer sicherer: Zahra war eindeutlich ein denkendes, verstehendes Wesen."
Adelheid Schär (S. 78)   

Im 5. Lebensjahr entwickeln Mutter und Tochter eine zuverlässige Ja-Nein-Kommunikation und begeben sich auf die Suche nach weiteren Verständigungsmöglichkeiten. Gleichzeitig erweitert sich das Umfeld, die Kontakte zu anderen Kindern und Familien. Die Integration behinderter Kinder in Kindergarten, Schule und Gesellschaft ist heute in vielen Bereichen schon deutlich etablierter, doch begegnen Familien sicherlich weiterhin ähnlichen offenen und versteckten Hürden in Köpfen und Organisationen. Die Kraft, immer wieder für eigene Wege zu kämpfen, Zahra neue Möglichkeiten und ein altersentsprechendes Umfeld zu verschaffen, hat mich beim Lesen sehr beeindruckt,

Zahra wird in der Grundschule integriert, erlernt Lesen, Rechnen und schreibt gestützt. In der zweiten Hälfte des Buches ergänzen Texte Zahras aus der Schule, Briefe und einige Interviews die Schilderungen der Mutter. Es wird deutlich, wie sie sich zu einer eigenen Persönlichkeit entwickelt. Neben vielfältigen Schwierigkeiten bei der integrativen Beschulung auf dem Gymnasium und erlebnisreichen Reisen geht Zahra mit der Unterstützung ihres Umfelds mutig und eigenwillig ihren Weg. Ich erinnere mich intensiv an Themen wie die Suche nach Freundschaften und Kontakten zu Gleichaltrigen, Nähe und Abgrenzung von der Mutter und den Assistentinnen und Fragen nach der Perspektive für die Zukunft. Aber auch eine enorme Kraft und Lebensfreude wird immer wieder eindrücklich deutlich. Mit 16 Jahren stirbt Zahra an einer Grippe.

Der Erzählstil Adelheid Schärs lässt das Leben und die Gefühle von Mutter und Tochter anschaulich und lebendig werden. Sie werden ergänzt durch ein Foto und kurze literarische Zitate zu jedem Lebensjahr. Einzelne Zwischenüberschriften gliedern die 16 Kapitel und manch Zeit- oder Gedankensprung in der eigentlich chronologischen Erzählweise hat meinen Lesefluss nicht gestört. Die recht persönlichen Ansichten zu Telepathie mögen den ein oder anderen Leser irritieren, nehmen im Gesamten aber nur wenig Raum ein.

Das Buch macht in sehr persönlicher Weise deutlich, wie sehr es sich lohnt Kindern ohne Lautsprache eine Stimme zu verleihen und sie auf Ihrem Weg in die Selbständigkeit zu stärken und zu begleiten.

"Es gibt viel zu wenig mutige Menschen auf dieser Welt. Ich brauche aber mutige Menschen, damit ich leben kann."
Zahra Khan (S. 201)   


Adelheid Schär:
Zahra
Das Leben meiner Tochter
Mit Texten von Zahra Khan
319 Seiten, Photos s/w
Klappeinband 18 x 24 cm
CHF 36.00 /6 31.50
ISBN 978-3-905769-24-1

Erschienen 2011 im elfundzehn Verlag Elgisau, erhältlich auch unter
www.Ariadne.de

*

Quelle:
UNTERSTÜTZTE KOMMUNIKATION - ISAAC's Zeitung, 17. Jahrgang 2012, Nr. 1/2012, S. 53
Herausgeberin:
ISAAC, Gesellschaft für unterstützte Kommunikation e.V.
Deutschsprachige Sektion der International
Society for Augmentative and Alternative Communication (ISAAC)
Geschäftsstelle:
c/o Susanne Bünk
Am Blümlingspfad 98, 53359 Rheinbach
Telefon: (02226) 809 91 31, Fax: (02226) 809 91 33
E-Mail: geschaeftsstelle@isaac-online.de
Internet: www.isaac-online.de
 
Erscheinungsweise: 4 Ausgaben pro Jahr
Einzelpreis: € 5,00
Jahresabonnemet: € 19,00 zzgl. Porto


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. März 2012