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BILDUNG/335: Berufsbildungswerk Bethel und Firma Drehmatec kooperieren (Der Ring)


DER RING
Zeitschrift der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel - April 2013

Berufsbildungswerk Bethel und Firma Drehmatec kooperieren
Gute Aussichten dank "verzahnter Ausbildung"

von Robert Burg



"Metall fand ich schon immer toll", sagt Martin Jung und strahlt. Die Begeisterung merkt man ihm an. Schon als Schüler, bei einem Ferienjob in einer Dreherei, war er von dem dauerhaften, aber eben trotzdem formbaren Material fasziniert. "Deshalb stand mein Berufswunsch schon mit 14 Jahren fest", sagt der heute 25-Jährige. "Ich wollte in die Metallverarbeitung."


Die Erfüllung dieses Wunsches ist für Martin Jung, Auszubildender im Berufsbildungswerk Bethel, mittlerweile greifbar nah. Dabei sah es lange Zeit nicht so aus, als ob er jemals eine Chance auf einen Platz auf dem ersten Arbeitsmarkt erhalten würde. Denn Martin Jung hat Epilepsie. Achtzehn Jahre war er alt, als bei ihm ein so genanntes Anfallsleiden diagnostiziert wurde. "Als ich das erfuhr, dachte ich, das mit der Ausbildung könnte ich mir aus dem Kopf schlagen. Die Idee war für mich eigentlich schon gestorben."

Doch dann bekam Martin Jung eine neue Chance, seinen Berufswunsch trotzdem zu verwirklichen. Jetzt macht er im Berufsbildungswerk Bethel (BBW) in Bielefeld eine "Verzahnte Ausbildung mit Betrieben" - kurz "VAMB" genannt. Dabei handelt es sich um eine dreijährige Vollausbildung, bei der das Berufsbildungswerk mit einem Unternehmen der freien Wirtschaft zusammenarbeitet. "Der praktische Anteil findet bei einem Kooperationsbetrieb statt, aber wir bleiben weiterhin Träger der Ausbildung", umreißt Karin Winter vom Berufsbildungswerk Bethel das Konzept. Maximal 49 Prozent der gesamten Ausbildungszeit dürfe in einem Kooperationsbetrieb stattfinden. Martin Jung absolviert seine Praxisstation bei der Firma Drehmatec in Bielefeld-Ummeln. Ein halbes Jahr ist er jetzt bereits in dem Betrieb an der Brockhagener Straße, für vier Tage in der Woche. Freitags besucht er das Carl-Severing-Berufskolleg.


Überzeugender Azubi

"Ich finde es gut, wenn junge Leute die Arbeitsrealität bereits in ihrer Ausbildung kennen lernen", meint Drehmatec-Inhaber Sedat Firat. Er ist überzeugt, dass jemand mit einem Handikap, wie Martin, genauso viel leisten kann wie jeder andere. "Deshalb soll er auch seine Chance bekommen." Ihm sind vor allem Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit wichtig. Mit seinem Auszubildenden ist er zufrieden: "Martin bringt gute Vorkenntnisse mit. Er kann unsere CNC-Maschinen schon selbstständig programmieren. Das können Azubis, die direkt von der Schule zu uns kommen, nicht. Martin wurde in Bethel gut vorbereitet."

Drehmatec ist eine junge Firma, gegründet erst 2010. Sechs Mitarbeiter fertigen hier nach Maß Drehteile, unter anderem für Bagger oder Hochdruckreiniger, aber auch für Maschinen für die Lebensmittelindustrie. "Einerseits sind wir ein kleines Unternehmen. Für Martin ist das gut. Hier kann er an vielen verschiedenen Stellen mitarbeiten." Andererseits lerne er hier große Maschinen mit komplexer Steuerung kennen, die es in dieser Form im BBW-eigenen Metallbereich nicht gebe.

Aufgrund seiner positiven Erfahrung rät Sedat Firat anderen Arbeitgebern: "Probiert es aus." Gerade in Branchen, in denen sich ein Fachkräftemangel abzeichne, könnten durch eigene Ausbildung qualifizierte Mitarbeitende gewonnen werden. Auch Martin Jung ist zufrieden. Sein Chef hat ihm in Aussicht gestellt, dass er nach Abschluss seiner Ausbildung in den Betrieb übernommen wird.


Drastischer Einschnitt

Kathrin Paitsch macht ebenfalls eine Ausbildung im BBW, und zwar zur Hauswirtschafterin. Den praktischen Teil absolviert die 25-Jährige in einem Bielefelder Altenheim, wo sie Kochen, Backen, Waschen und Bügeln lernt. Wie Martin Jung erlebte sie die Diagnose "Epilepsie" als drastischen Einschnitt in der persönlichen und beruflichen Lebensplanung. Mit 17 wurde die Krankheit bei ihr festgestellt: "Ich war geschockt und habe mich kaum getraut, 'rauszugehen. Psychologische Betreuung hat mir geholfen. Seit ich in Bethel bin, komme ich noch besser mit der Krankheit klar", sagt sie rückblickend.

Auch der Einstieg in die Berufswelt war schwierig: "Anfangs habe ich mich direkt beworben, aber die Leute waren skeptisch wegen meiner Erkrankung." Dank ihrer gekoppelten Ausbildung blickt sie jetzt optimistisch auf ihre Zukunft: "Wir können später in allen möglichen Einrichtungen arbeiten, Altenheimen oder Kindergärten und natürlich auch in Privathaushalten", sagt die junge Frau, die momentan in einer BBW-eigenen Wohngemeinschaft in Bielefeld lebt.

"Unser Kooperationsbetrieb geht kein Risiko ein", unterstreicht Karin Winter. Da Bethel weiterhin Träger der Ausbildung bleibt, fallen weder Ausbildungsvergütungen noch Beiträge zur Sozialversicherung an. Die gesamte Zeit der Ausbildung wird von qualifizierten Mitarbeitern aus Bethel umfassend begleitet. "Und wenn es mal nicht klappen sollte, ist der Vertrag zwischen Kooperationsbetrieb und Berufsbildungswerk zu jeder Zeit kündbar - von beiden Seiten." Im BBW gibt es noch sieben weitere Auszubildende in ähnlichen Ausbildungsmodellen. Einige machen eine Vollausbildung, andere eine Werker- oder Helferausbildung. Gerne würde Karin Winter noch mehr jungen Menschen die Möglichkeit verschaffen, Erfahrungen auf dem ersten Arbeitsmarkt zu sammeln: "Deshalb suchen wir immer Betriebe, die mit uns kooperieren wollen, im Verkauf oder Gartenbau, in der Hauswirtschaft oder im Bürobereich." Der Start einer Kooperationsmaßnahme ist zu jedem Zeitpunkt möglich.

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Quelle:
DER RING, April 2013, S. 14-15
Monatszeitschrift der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
Herausgeber: Pastor Ulrich Pohl in Zusammenarbeit mit der
Gesamtmitarbeitervertretung der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Mai 2013