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BERICHT/344: Herausforderungen bei der Umsetzung der UN-Konvention (ZBDW)


Behinderung und internationale Entwicklung 3/2010

Herausforderungen bei der Umsetzung der internationalen Artikel der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen

Von Karl A. Ammann


Die Umsetzung der Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in der humanitären Hilfe ist unterschiedlich möglich. Sie fällt äußerst schwer in der unmittelbaren ersten Nothilfephase, die unter extremem Handlungsdruck erfolgt. Beste Möglichkeiten gibt es in der gemeinwesen- und familienorientierten Katastrophenvorsorge, die sich ihrerseits wiederum günstig auf die Möglichkeiten der Inklusion in der Soforthilfephase auswirken kann. Organisationen, die nicht ausschließlich auf Menschen mit Behinderung ausgerichtet sind, sollten beim Mainstreaming von Menschen mit Behinderung in der humanitären Hilfe die Zusammenarbeit mit spezialisierten Organisationen anstreben.


Einleitung

Der Deutsche Caritasverband und die Konventionsumsetzung

Das Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist seit dem 26. März 2009 in Deutschland innerstaatliches Recht. Die fünf deutschen Fachverbände für Menschen mit Behinderungen riefen die Abgeordneten des Bundestages dazu auf, sich für ihre Umsetzung einzusetzen (Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V. et al. 2009: 1;5) und forderten die regierende Koalition auf, die entscheidende Berücksichtigung der Perspektive von Menschen mit Behinderungen im Koalitionsvertrag zu verankern (Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft et al. 2009).

Der Deutsche Caritasverband und sein Fachverband Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP e.V.) bekennen sich klar zur UN-Behindertenrechtskonvention und ein innerverbandlicher Diskurs um die besten Konzepte hat begonnen. (Hinz 2010: 12) Caritas ist sich der Herausforderung bewusst, da die Umsetzung und Realisierung schwierig sein wird.1 "Es geht um ein Aufbrechen eines puristischen und falsch verstandenen Zielgruppendenkens. Oder in anderen Worten: Menschen mit Behinderungen sind Kinder, Jugendliche, Frauen, Männer, Eltern, Berufstätige, Schüler, Rentner, Arbeitslose, Unternehmer, Künstler usw." (ebd.: 10).

Als Hilfswerk des Deutschen Caritasverbandes orientiert sich Caritas international in seiner weltweiten Tätigkeit an dessen Leitlinien für die Arbeit mit Menschen mit Behinderungen, wie auch an wesentlichen Punkten der katholischen Soziallehre, die die Menschenwürde und den Menschen als Ganzes betreffen. Auf dem Caritas Kongress in Berlin vom 15.-17.4.2010 wurden in einem Workshop zum Thema Inklusion international einige inklusive Projekte dargestellt, aber gleichzeitig die Schlussfolgerung gezogen: "Auch wenn dies ermutigende Zeichen sind, kann und muss seitens der Caritas mehr geschehen, dass weltweit Menschen mit Behinderung ein Leben in größtmöglicher Würde, Selbstbestimmung und Teilhabe führen können. Die weltweite Caritas sollte dazu die UN-Behindertenrechtskonvention als Ansporn und Chance fest in den Blick nehmen. Ihr einzigartiges Netzwerk bietet hierzu enorme Potentiale." (Pinner 2010:1) Der Deutsche Caritasverband, und damit Caritas international, ist Mitglied von Caritas Internationalis, einem Netzwerk von unabhängigen Caritasverbänden aus 165 Ländern. "Gerade durch ihre internationale Verankerung und Vernetzung ... ist die Caritas wie kaum ein anderer Verband prädestiniert, aus unterschiedlichsten Lebensformen und Kulturen von gelingender Vergemeinschaftung und Inklusion zu lernen und diese in ihre je eigenen Zusammenhänge zurückzuspielen." (Hinz 2010: 11)

Für Caritas international sind von Interesse besonders Artikel 11 Gefahrensituationen und humanitäre Notlagen2, und Artikel 32 Internationale Zusammenarbeit3 der UN Konvention. Diese beiden Artikel erwähnen explizit den internationalen Kontext und bedeuten, dass die Vergabekriterien der Bundesregierung für die humanitäre Hilfe durch das Auswärtige Amt (AA) und die Entwicklungszusammenarbeit durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) Bezug auf diese Artikel der Konvention nehmen werden. In der Praxis der internationalen Zusammenarbeit jedoch sind die meisten Artikel der Konvention ebenfalls relevant in der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit.4 Noch liegt kein neues verbindliches Politikpapier seitens der beiden Ministerien vor. Es kann angenommen werden, dass ein kurz vor der UN-Konvention vorbereitetes Papier durchaus aktuell bleiben wird. Darin verpflichtet sich das BMZ zu einem menschenrechtlich orientierten, inklusiven Entwicklungsansatz.5 (GTZ 2006: 10) Die erst Mitte August 2010 verlautbarte Kürzung um 20 % des Titels Humanitäre Hilfe trägt voraussichtlich nicht zur besseren Umsetzung der Konvention bei.

Caritas Internationalis ist eines von 16 Trägernetzwerken im Vorstand des Sphere Projects für Mindeststandards in der humanitären Hilfe. Die Mitglieder von Caritas Internationalis, also auch der Deutsche Caritasverband/Caritas international, verpflichten sich, diese Standards anzuwenden. Das Sphere Project wird nach der zweiten Auflage eines Handbuchs von 2004 nun Anfang 2011 eine neue Auflage veröffentlichen.6 Die Kapitel über die Standards, die den vier technischen Sektoren7 (The Sphere Project 2004) gemein sind, wie auch ein neues Kapitel Protection, sind in einem umfangreichen konsultativen Prozess auch im Hinblick auf eine stärkere Herausarbeitung der Zusammenarbeit mit Menschen mit Behinderung in der humanitären Hilfe überarbeitet worden. Caritas international war daran beteiligt.


Vier Phasen der Humanitären Hilfe


Sofort- und Überlebenshilfe

Das ist die heiße Phase unmittelbar nach Eintreten der Katastrophe. Es geht um die Leistung von Überlebenshilfen und Überbrückungsmaßnahmen bis zum Wiederaufbau. Sie ist geprägt durch Zeitdruck und große Medienaufmerksamkeit.


Wiederaufbau

Hier handelt es sich um die Wiederherstellung von Erwerbsmöglichkeiten und den Bau oder die Reparatur von gemeinnützigen Einrichtungen oder von individuellen Wohnhäusern.


Katastrophenvorsorge

Caritas international fördert die Fortbildung der eigenen Mitarbeiter und der operationellen einheimischen Partnerorganisationen einerseits und andererseits gemeinde- und familienbezogene Maßnahmen, um die Auswirkungen von zukünftigen Katastrophen einzuschränken.


Überleitung in Entwicklungshilfe und soziale Facharbeit

Katastrophen sind nicht nur Unglück, sondern können auch eine Chance bedeuten. Im Anschluss an die ersten Hilfen und als Teil des Wiederaufbaus, aber auch unabhängig von solchen vorangegangenen Maßnahmen, ist es möglich, neue Dienste für Menschen mit Behinderung zu schaffen und im Rahmen von gemeinwesenorientierter Rehabilitation (Community Based Rehabilitation / CBR) Angehörige und Nachbarn von Menschen mit Behinderungen in Hinsicht auf deren Bedürfnisse und Potenziale zu sensibilisieren.


Sofort- und Überlebenshilfe


Die größte Herausforderung: Schnelles Handeln, großer Druck auf Hilfswerke

Nach großen Erdbeben oder weitflächigen Überschwemmungen geraten Hunderttausende von Menschen in eine akute Notlage. Sie benötigen ein Minimum an Trinkwasser, Nahrung und Obdach. Rasche Hilfe ist nötig. Über das Ausmaß der Zerstörung und die Situation der Betroffenen wird ausgiebig in den Medien berichtet, erschütternde Einzelfälle werden dargestellt. Wiederholt werden Menschen gezeigt, die schon Tage auf Hilfe warten.

Hilfswerke wie Caritas international stehen unter großem Handlungsdruck. Sie müssen der Öffentlichkeit, ihren Spendern und öffentlichen Geldgebern beweisen, dass sie vor Ort sind und von Anfang an rasche und effiziente Hilfe leisten. Dieser Nachweis, in Verbindung mit der laufenden aktuellen Berichterstattung durch die Medien, motiviert Spender und eventuelle öffentliche Geldgeber. Deren Unterstützung sichert die Soforthilfe finanziell ab und ermöglicht auch eine Einschätzung der voraussichtlich verfügbaren Mittel für den Wiederaufbau. Spendenwerbung ist praktisch nur in dieser heißen Phase möglich. Danach ebbt das Medieninteresse ab und somit auch die Möglichkeit, der Öffentlichkeit den Wiederaufbau darzustellen.

Caritas international, als Mitglied von Caritas Internationalis, bekennt sich zu den vom Sphere Project empfohlenen internationalen Minimalstandards der humanitären Hilfe. Bei diesen Standards geht es nicht nur um Sachleistungen sondern auch um Partizipation der Betroffenen bei der Bestandsaufnahme, der Planung und der Durchführung von Soforthilfen8 (ebd.: 21ff). Menschen mit Behinderung werden hier unter Vulnerable Groups einbezogen, neben Frauen, Kindern, Alten und Kranken. Sichergestellt werden soll, dass keine hilfsbedürftigen Menschen bei der Leistung von Überlebenshilfen vergessen werden.

Als dieser Artikel entstand, wurden die praktischen Schwierigkeiten wieder deutlich anhand der großen Überschwemmungen im Juli und August 2010 in Pakistan. Für die ersten Maßnahmen ist es bei einer nicht im Detail bekannten Bevölkerung praktisch nicht möglich, mehr als die Zahl der Familien als mögliche Verteilungsempfänger rasch zu ermitteln und anhand dieser Daten erste Verteilungen zu organisieren. Die Hauptsache ist, dass das Nötige einen möglichst breiten Personenkreis schnell erreicht. Um wenigstens die Frauen besser zu berücksichtigen, werden diese häufig aufgefordert, die zu verteilenden Hilfsgüter für ihre Familien in Empfang zu nehmen und zu quittieren.

Sphere anerkennt diese Schwierigkeit und empfiehlt, insofern diese Möglichkeit besteht, die eventuell nicht direkt einbezogenen Vulnerable Groups in einem zweiten oder dritten Schritt noch einmal spezifisch zu berücksichtigen9 (ebd.: 31). In der Praxis ist das nur möglich, wenn ein bestimmter Personenkreis über einen längeren Zeitraum mehrmals z.B. mit Lebensmitteln versorgt werden soll. Soweit möglich wurden nach dem Erdbeben auf Haiti im Januar 2010 kinderreiche Familien und Familien mit behinderten Angehörigen bei der Verteilung von Hygienesets, Haushaltsgegenständen, Kochutensilien, Werkzeugsets und Plastikplanen besonders berücksichtigt. Meist aber handelt es sich um einmalige Sofortmaßnahmen, um die Zeit zu überbrücken, bis andere, in der Regel staatliche Hilfen greifen. Man kann nur die Verantwortlichen für diese weiteren Hilfen auf die Notwendigkeit hinweisen, eine erneute Bestandsaufnahme im Hinblick auf Menschen mit Behinderung durchzuführen.

Aber auch bei längerfristigen Hilfsaktionen, wie z.B. 1985-1991 die jährliche Versorgung in Äthiopien von einer Millionen hungernder Menschen mit Nahrung durch das Caritasnetzwerk in Zusammenarbeit mit anderen kirchlichen Hilfswerken, ist eine Berücksichtigung von Menschen mit Behinderung nicht immer möglich. Die Empfänger lebten größtenteils in Gebieten, die von den Befreiungsfronten von Eritrea und Tigray beherrscht wurden, die Verteilung aber musste in den von der damaligen äthiopischen Regierung kontrollierten Verwaltungszentren erfolgen. Eine genaue Empfängererhebung in den bis zu 20 Kilometer entfernten Wohnorten war nicht möglich. Teilweise konnte die Verteilung mit dem Ernährungszustand von Kleinkindern, die zur Kontrolle zu den Verteilungsstellen gebracht werden mussten, verknüpft werden. Eine ähnliche Maßnahme für Menschen mit Behinderungen wäre nicht praktikabel gewesen.


Möglichkeiten, Menschen mit Behinderungen einzubeziehen

Wo möglich versucht Caritas International dennoch sicher zu stellen, dass in der Soforthilfephase die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung berücksichtigt werden. Das war z.B. 1997 möglich, nach Hurrikan Mitch in El Salvador oder 2001 nach Erdbeben in El Salvador und Peru. In El Salvador bestanden Arbeitskontakte mit einer Behindertenorganisation.10 Die jeweilige Bedarfserhebung und anschließende Verteilung liefen über deren lokale Vorstände in enger Absprache mit den Dorfvorstehern. Die Verteilung von Decken, Matratzen, Plastikplanen und Lebensmittelpaketen war für alle Hurrikanbetroffene ausgerichtet, aber so konnte sichergestellt werden, dass die Menschen mit Behinderung einbezogen waren und ihre besonderen Bedürfnisse berücksichtigt wurden.

Es gibt Organisationen, die auf Hilfe für Menschen mit Behinderung spezialisiert sind und sich auch in der Soforthilfephase in Absprache mit Organisationen, die die allgemeine Hilfsgüterverteilung organisieren für diese Menschen engagieren. Caritas nternational ist keine auf Behinderung spezialisierte Organisation. Aber es gibt spezielle Situationen, wie im russisch-georgischen Krieg 2008, wo die georgische Caritas über ihr Hauskrankenpflegeprogramm auch regelmäßig mit Menschen mit Behinderung in Kontakt war und sich auf diese bei Evakuierung und Versorgung konzentrieren konnte.

Diese praktischen Beispiele haben Modellcharakter. Die generelle Überprüfung der Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit lokal vorhandenen Behindertenorganisationen im Katastrophenfall könnte Teil einer Politik der behindertengerechten inklusiven Soforthilfe von Caritas international und ihrer operationellen Partnerorganisationen in den katastrophengefährdeten Ländern werden und so auch die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in der Soforthilfe nach Katastrophen ermöglichen.


Wiederaufbau

Hier hat sich Caritas international in der Vergangenheit auf drei Weisen engagiert:

Wiederaufbau oder Reparatur von Einrichtungen im Dienste für und von Menschen mit Behinderung.
Wiederaufbau oder Reparatur von Wohnungen für Menschen mit Behinderung oder für Familien mit Mitgliedern mit Behinderung bzw. die Berücksichtigung der Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung beim allgemeinen Wiederaufbau von Wohnsiedlungen und Einrichtungen.
Wiederherstellung von Erwerbsmöglichkeiten für Familien mit behinderten Menschen oder alleinstehenden Menschen mit Behinderung.

Typisch für den Wiederaufbau und die Reparatur von Einrichtungen ist der Wiederaufbau des Behinderten- und Altenheims Saint Vincent de Paul in der Stadt Léogâne auf Haiti. Caritas international nutzt solche Maßnahmen als Ausgangspunkt für gemeinwesengestützte Rehabilitation (CBR).

Beim Wiederaufbau von Wohnraum orientiert sich Caritas international an einem aus der Erfahrung der letzten Jahre entwickeltem Fachkonzept. (Deutscher Caritasverband e.V. 2009) Das Konzept gibt Menschen mit der größten Verwundbarkeit Vorrang (ebd.: 25), aber die besonderen Aspekte der Zusammenarbeit mit Menschen mit Behinderung sollten stärker ausgearbeitet werden. Das Konzept setzt breite Partizipation aller Beteiligten voraus; so sind Menschen mit Behinderung implizit eingeschlossen (ebd.: 8). Sämtliche Maßnahmen sind verbunden mit dem Ziel, die Eigenverantwortung der Menschen und den selbständigen Umgang mit allgemeinen Lebenslagen zu stärken (ebd.: 13). Unterschiedliche Optionen werden zur Diskussion gestellt und die Betroffenen werden in die Entscheidung über die Festlegung eines Baukonzepts einbezogen (ebd.: 27).

Der gemeinwesenorientierte Wiederaufbau berücksichtigt Menschen mit Behinderung als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft. Anzahl der Menschen mit Behinderung und Art der Behinderung und somit der besondere Bedarf werden nur nach und nach durch social assessments ermittelt. Liegt die Information vor, dann können bauliche Aspekte berücksichtigt werden wie Zugänge, Sanitär, Wasser, Küchenbereich oder Raumgröße. Bei diesen Vorhaben setzt Caritas international auf intensive und kontinuierliche Beratung und Begleitung durch eigene Fachleute und auf die Zusammenarbeit mit Experten von Fachorganisationen und Vertretern von Behindertenorganisationen.

Wiederaufbau von Wohnhäusern setzt auf gemeinwesenorientierte Selbsthilfe, aber bei Menschen mit Behinderung wird deren besondere Not- oder Problemlage entsprechend gesondert geregelt (ebd.: 29). Wo Menschen mit Behinderung riskieren, von staatlichen Hilfsprogrammen ausgeschlossen oder nicht erreicht zu werden, sieht Caritas international Begleitprogramme vor (ebd.: 33).


Spannungsfeld zwischen Baudruck und hohem Zeitbedarf

Die Planung und Durchführung von Bauprogrammen benötigt eine entsprechend qualifizierte Personalausstattung. Ein Bauleiter kann im Rahmen von Wiederaufbauprogrammen pro Jahr maximal den Bau von etwa 50 baugleichen Häusern mit einfacher Ausstattung betreuen, wenn die Häuser in unmittelbarer Nachbarschaft liegen. Die Vorbereitungszeit für ein Projekt dieser Größenordnung beträgt im günstigsten Fall drei bis vier Monate. Wegen Grundstücksproblemen, fehlender öffentlicher Infrastruktur, Verzögerungen mit der Baugenehmigung, Konflikten unter den Beteiligten sind Vorbereitungszeiten von sechs Monaten bis zu einem Jahr nicht ungewöhnlich. Der Bau selbst dauert bei einer einfachen, eingeschossigen Bauweise pro Haus etwa vier bis sechs Wochen. In der Regel verfügen kleinere Partnerorganisationen vor Ort nicht über ausreichende technische Kapazitäten. Lokale Bauplaner sind selten mit partizipativer Planung und Low-Cost-Housing Konzepten vertraut und nicht auf ein internationales Szenario in der Katastrophenhilfe vorbereitet (ebd.: 38-40).


Beispiele für Beteiligung von Menschen mit Behinderung

Nach den Erdbeben 2001 in El Salvador11 und in Peru12 unterstützte Caritas international im Anschluss an die Soforthilfe den Wiederaufbau von Wohnhäusern für Menschen mit Behinderung. In El Salvador wurden staatliche Mittel für den Wiederaufbau bewilligt. Arbeitskosten, auch für unqualifizierte Arbeiten wie Fundamente ausheben, wurden im Kostenvoranschlag mit einkalkuliert. Diese Eigenleistung konnten die Betroffenen und deren Familien nicht oder nur teilweise erbringen. Die Anpassung an die spezifischen Notwendigkeiten jedes behinderten Menschen wie Rampen oder breitere Türen erhöhte die veranschlagten Kosten. Die so entstandenen Mehrkosten, die von Land zu Land zwischen 2-5% variieren können, mussten aus Projektmitteln ausgeglichen werden. Die Maßnahme wurde von einer lokalen Behindertenorganisation begleitet.13 Da diese weder über eigene Architekten noch die notwendige Erfahrung für die konkrete Durchführung eines Bauprojektes verfügte, hat Caritas international zusammen mit der Organisation einen Bauunternehmer identifiziert, mit dem sie und die Betroffenen das Baukonzept besprachen. Die technische Begleitung wurde von Caritas international sichergestellt. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten arbeiteten die Menschen mit Behinderung bei der Produktion von Bausteinen, beim Tragen von Wasser und Baumaterialien mit.

Nach dem Erdbeben 2006 bei Yogyakarta in Indonesien14 leistete die Diözesancaritas Semarang Soforthilfen und richtete dann das Augenmerk auf Menschen, die durch das Erdbeben behindert wurden. Die Personen wurden in Zusammenarbeit mit den Dorfgemeinden identifiziert. Beim Wiederaufbau der Wohnungen wurde mit den Menschen mit Behinderung und deren Familien das Baukonzept besprochen und umgesetzt.

Der Wiederaufbau von 20 Wohneinheiten wurde von einem Fachberater von der Planung bis zur Fertigstellung begleitet.

Der Hausbau erfolgte mit Beteiligung der anderen Dorfbewohner gegen Entlohnung. Praktische Fragen wurden erörtert: Türbreite für Rollstuhlfahrer, Rampen, Teilnahme der Menschen mit Behinderung an den Arbeiten. Die Frage des Nutzens der Rampen bei unbefahrbaren Dorfstraßen führte zu weiterführenden Gedanken über die dörfliche Infrastruktur.


Katastrophenvorsorge

Nach Katastrophen machen die Hilfswerke eine Analyse der Soforthilfen. Dies führt zu Fortbildung der Mitarbeiter von Caritas international und der operationellen Partnerorganisationen im Katastrophenland, zur besseren Reaktionsfähigkeit bei zukünftigen Katastrophen und um die Sofort- und Überlebenshilfen rascher und effizienter zu leisten. Dabei soll in Zukunft der Aspekt Menschen mit Behinderung stärker betont werden.


Gemeinwesenorientierte Katastrophenvorsorge (CBDP oder CMDRR)15

Seit über zehn Jahren fördert Caritas international besonders in Bangladesh, Indien und Indonesien Maßnahmen der Katastrophenvorsorge auf Dorf- oder Stadtteilebene. Einerseits werden besonders die Familien darauf vorbereitet, bei wiederholt auftretenden Katastrophen wie z.B. Überschwemmungen besser vorbereitet zu sein und deren Folgen zu lindern.

Andererseits übernehmen Gemeindemitglieder ehrenamtlich Aufgaben wie Frühwarnung, erste Hilfe oder Evakuierung. Es ist ein Sensibilisierungsprozess16 unter breiter Beteiligung der Dorfbewohner, einschließlich Menschen mit Behinderung. Er beinhaltet die Analyse der Folgen der letzten Überschwemmung, der größten Gefährdung für Menschen und Eigentum, der lokalen Ressourcen, der zu lösenden Probleme und beeinflussender externer Faktoren. Die Ergebnisse werden schriftlich auf Flipcharts festgehalten.17

Der erste partizipative Schritt ist die Bildung von ehrenamtlichen Aktionsgruppen für Aufgaben wie Frühwarnung, Evakuierung, erste Hilfe, Notunterkunftsvorbereitung usw. Weitere Aufgaben sind die Eigenherstellung von Rettungshilfen (Schwimmwesten, Flöße, einfache Boote), die Erhöhung von Handpumpen und die Änderung der Anbauzeiten, um Überflutung stehender Frucht zu vermeiden. Der zweite Schritt ist die gemeinsame Erarbeitung eines Aktionsplans.


Aktive Rollen für Menschen mit Behinderung

Die Mitwirkung von Menschen mit Behinderung war eine natürliche Folge bei der Überprüfung der besonderen Bedürfnisse der Vulnerable Groups:

Datenerhebung über Menschen mit Behinderung.
Feststellung besonderer Bedürfnisse; Frühwarnung über Lautsprecher erreicht Menschen mit Hörbehinderung nicht; Menschen mit Gehbehinderung können die Evakuierungspunkte nicht ohne Hilfe erreichen.
In Notunterkünften können Menschen mit Behinderung mehr Platz oder angepassten Zugang zu Toiletten benötigen.
Entwicklung von Strategien für Menschen mit Behinderung für sie selbst, in der Familie und in der Gemeinde.
Einbezug von Menschen mit Behinderung in Planung und Handlung.
Einflussnahme auf die staatliche Katastrophenmanagementpolitik, um diese behindertengerechter zu gestalten.

Wesentlich ist, dass Menschen mit Behinderung wie jedes Gemeindemitglied die Möglichkeit haben, voll an den Dorftreffen und dem damit verbundenen politischen Prozess teilzunehmen. Die Analyse und die damit verknüpfte Bewusstseinsbildung geht über die Katastrophenvorsorge hinaus. Die Dorfbewohner werden sich ihrer Rechte und Möglichkeiten bewusst und fordern sie ein.

Diese Art von Katastrophenvorsorge ist Teil der Förderpolitik von Caritas international. Aber das Beispiel kann nur multipliziert werden, wenn die verantwortlichen Mitarbeiter entsprechend geschult und begleitet werden. Der Druck der Geldgeber, nach Plan zu verfahren, bewilligte Mittel in einem vereinbarten Zeitrahmen zu verbrauchen, führt leider oft dazu, dass die tatsächliche Situation vor Ort nicht ausreichend berücksichtigt wird. Zu oft wird im Plan davon ausgegangen, dass alle Dörfer identisch sind. In Wahrheit kann der Sensibilisierungs- und Analyseprozess von sehr unterschiedlicher Dauer sein. Der Druck kann dazu führen, dass Quantität vor Qualität geht und dass die Mitarbeiter der Caritas anstelle der Dorfbewohner und damit auch anstelle der Menschen mit Behinderung handeln.


Überleitung in Entwicklungshilfe und Soziale Facharbeit

Ausbau bzw. Schaffung von Diensten für Menschen mit Behinderung im Katastrophengebiet.
Sensibilisierung und Fortbildung von Angehörigen von Menschen mit Behinderung und Personen und Institutionen in deren Umfeld für die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung und die Förderung ihrer Potenziale im Rahmen von Community Based Rehabilitation (CBR).

Nutzung der Erfahrung aus der behindertenbezogenen Entwicklungszusammenarbeit

Seit ihrem Bestehen ist Caritas international in zwei Bereichen tätig: Humanitäre Hilfe und soziale Facharbeit. Die soziale Facharbeit schließt Arbeit mit Menschen mit Behinderung ein. Die humanitäre Hilfe beanspruchte in den sechs Jahren von 2004-2009 über 62 % der eingesetzten Mittel oder EUR 172.035.658. Maßnahmen für Menschen mit Behinderung beliefen sich auf über 5 % oder EUR 13.709.130.18 Es handelt sich dabei um Projekte in 36 Ländern auf vier Kontinenten.19 Die Projekte schließen in der Regel auch Beratung durch Fachleute auch aus dem Mitarbeiterstab der Caritas in Deutschland ein. Fester Bestandteil der Projekte ist es, sich für ein besseres Verständnis für die Belange von Menschen mit Behinderung in der Bevölkerung einzusetzen. Betroffene Familien werden zum offenen Umgang mit dem Thema Behinderung ermutigt, Vorurteile durch persönliche Begegnungen mit behinderten Menschen abgebaut.20

Besonders nach Erdbeben führt die Katastrophe direkt oder indirekt, z.B. bei Bergungsmaßnahmen von Verletzten, zu vermehrten Behinderungen. Es fehlt an Einrichtungen und Personal, Angehörige sind überfordert. Diese Situation hat Caritas international als Anlass genommen, gezielt auf zwei Typen von Maßnahmen zuzugehen:

Neubau und Ausstattung von Einrichtungen und Diensten für Menschen mit Behinderung und Ausbildung von Fachpersonal;
ausgehend von der Notlage besonders von Menschen, die durch die Katastrophe behindert wurden, die Förderung von Community Based Rehabilitation (CBR).

Zentral war hier schon lange vor der UN Konvention die Förderung eines ganzheitlichen Verständnisses der Menschen mit Behinderung als Personen mit allen Rechten.


Neubau und Ausstattung von Einrichtungen

Nach Zerstörung durch Katastrophen hat Caritas international in der Vergangenheit bevorzugt die Errichtung von sozialen Einrichtungen vorgenommen. Dabei konnte es sich um Einrichtungen für Menschen mit Behinderung wie auch um Kindergärten oder Gesundheitszentren, Mehrzweckzentren oder auch Schulen handeln. Bei letzteren wurde auch der behindertengerechte Zugang berücksichtigt.

Ein Beispiel ist der Neubau eines Zentrums für die Rehabilitation von körperbehinderten Menschen in Oran als Folgemaßnahme nach dem Erdbeben von Ech Chleff, Algerien, 1980. Die Planung erfolgte gemeinsam zwischen Caritas international, dem algerischen Ministerium für Soziales und Caritas Algerien. Träger des Zentrums ist das Sozialministerium. Caritas Algerien vermittelte Fachpersonal für Therapie.

Ob Wiederaufbau, Reparatur oder Neubau Caritas international versucht in solchen Fällen diese Einrichtungen als Ausgangspunkt zu nutzen, um gemeinwesenorientierte Rehabilitation zu fördern.


Von der Katastrophe zu Community Based Rehabilitation (CBR)

In einigen Ländern hat Caritas international in den letzten Jahren besonders die gemeinwesenorientierte Arbeit mit Menschen mit Behinderung gefördert.21 Alle Projekte verfolgen das Ziel, Menschen mit Behinderungen zu begleiten, zu bilden, zu fördern und ihre gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Es geht um die Änderung der Einstellung der Bevölkerung sowie der Betroffenen selber zum Thema Behinderung, damit sich Eltern nicht mehr scheuen mit ihren behinderten Kindern in die Öffentlichkeit zu treten und die Menschen in ihrem Umfeld ihre Scheu und ihre Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderung ablegen. Die Förderung erfolgt in Teamarbeit von Physiotherapeuten, Psychologen, Sozialarbeitern u.a. Fachleuten sowie mit angeleiteten Eltern und Angehörigen, in den Gemeinden, wo die Menschen mit Behinderung leben. Die Projekte umfassen neben Förderung und Inklusion die Komponenten Öffentlichkeitsarbeit, Netzwerk- und Lobbyarbeit.

Unter dem CBR Motto Gemeindeorientierung als ein Grundprinzip für selbstbestimmte Teilhabe fördert derzeit die asiatische Caritasgemeinschaft unter Federführung von Caritas Asien und mit Unterstützung von Caritas international die Etablierung eines Inclusive Caritas Asia Network (ICAN), in dem es um gemeinsame Lobby- und Bewusstseinsarbeit, Austausch und kollegiale Beratung geht. (Pinner 2010:1)

Neu ist die Zusammenführung von CBR mit CMDRR wie es zur Zeit in Indonesien praktiziert wird. In Zusammenarbeit mit dem Samariterbund kombiniert die Caritas der Erzdiözese Semarang CBR mit Training für Menschen mit Behinderung über das richtige Verhalten bei einem Erdbeben und anderen Naturkatastrophen. Auch hier handelt es sich um ein praktisches Beispiel mit Modellcharakter. Die Überprüfung der Möglichkeiten des Einbezugs von CMDRR in CBR könnte Teil einer Politik der behindertengerechten inklusiven Katastrophenvorsorge von Caritas international und ihrer operationellen Partnerorganisationen in den katastrophengefährdeten Ländern werden und so auch die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in der humanitären Hilfe ermöglichen.


Schlussbemerkungen

Die Umsetzung der Konvention bleibt eine Herausforderung für Organisationen wie Caritas international, die nicht ausschließlich auf die Zusammenarbeit mit Menschen mit Behinderung ausgerichtet sind. Bei diesen Organisationen ist das Konzept und die Umsetzung von Inklusion bislang oft Ergebnis von Umständen oder die Initiative von einzelnen Mitarbeitern und noch nicht von einer umfassenden und systematischen Politik.

Es könnte überprüft werden, ob die Mitgliedsorganisationen von VENRO, die humanitäre Hilfe leisten, über die VENRO-Arbeitsgruppe Behinderung und Entwicklung angeregt werden können, ein Mainstreaming der Konvention in ihren Richtlinien für humanitäre Hilfe vorzusehen.


*


Anmerkungen

1 Laut Dr. Thorsten Hinz, Geschäftsführer der CBP Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie, in einem Interview in Sozialcourage, "Liebe ist nicht nur ein Wort".

2 Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, Artikel 11: "Die Vertragsstaaten ergreifen im Einklang mit ihren Verpflichtungen nach dem Völkerrecht, einschließlich des humanitären Völkerrechts und der internationalen Menschenrechtsnormen, alle erforderlichen Maßnahmen, um in Gefahrensituationen, einschließich bewaffneter Konflikte, humanitärer Notlagen und Naturkatastrophen, den Schutz und die Sicherheit von Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten."

3 Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, Artikel 32
1. Die Vertragsstaaten anerkennen die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit und deren Förderung zur Unterstützung der einzelstaatlichen Anstrengungen für die Verwirklichung des Zwecks und der Ziele dieses Übereinkommens und treffen diesbezüglich geeignete und wirksame Maßnahmen, zwischenstaatlich sowie, soweit angebracht, in Partnerschaft mit den einschlägigen internationalen und regionalen Organisationen und der Zivilgesellschaft, insbesondere Organisationen von Menschen mit Behinderungen. Unter anderem können sie Maßnahmen ergreifen, um
a. sicherzustellen, dass die internationale Zusammenarbeit, einschließlich internationaler Entwicklungsprogramme, Menschen mit Behinderungen einbezieht und für sie zugänglich ist;
b. den Aufbau von Kapazitäten zu erleichtern und zu unterstützen, unter anderem durch den Austausch und die Weitergabe von Informationen, Erfahrungen, Ausbildungsprogrammen und vorbildlichen Praktiken;
c. die Forschungszusammenarbeit und den Zugang zu wissenschaftlichen und technischen Kenntnissen zu erleichtern;
d. soweit angebracht, technische und wirtschaftliche Hilfe zu leisten, unter anderem durch Erleichterung des Zugangs zu zugänglichen und unterstützenden Technologien und ihres Austauschs sowie durch Weitergabe von Technologien.
2. Dieser Artikel berührt nicht die Pflicht jedes Vertragsstaats, seine Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen zu erfüllen.

4 Z.B. folgende Artikel: 5 Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung; 6 Frauen mit Behinderungen; 7 Kinder mit Behinderungen; 8 Bewusstseinsbildung; 9 Zugänglichkeit; 10 Recht auf Leben; 16 Freiheit von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch; 19 Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft; 22 Achtung der Privatsphäre; 23 Achtung der Wohnung und der Familie; 26 Habilitation und Rehabilitation; 27 Arbeit und Beschäftigung; 28 Angemessener Lebensstandard und sozialer Schutz; 29 Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben; 30 Teilhabe am kulturellen Leben sowie an Erholung, Freizeit und Sport

5 "Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) verpflichtet sich den Zielen eines menschenrechtlich orientierten, inklusiven Entwicklungsansatzes (rights-based resp. inclusive development) und einem sozialen Modell von Behinderung (social disability model). Es berücksichtigt vor allem die unterschiedlichen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen als heterogene Gruppe - Frauen und Männer, Kinder und Jugendliche, geistig und körperlich behinderte Menschen - und ihrer Angehörigen und stützt sich auf einen Menschenrechtsansatz wie er im Entwicklungspolitischen Aktionsplan für Menschenrechte 2004 - 2007 (MAP) des BMZ beschrieben wird.

6 Das Sphere Project wurde 1997 begonnen und führte 2000 zur Veröffentlichung eines Handbuchs für Standards in der humanitären Hilfe. Eine zweite Auflage erschien 2004. Eine dritte, stärker überarbeitete Auflage soll 2011 erscheinen. Das Projekt versteht sich dreiteilig, als Handbuch, als Zusammenarbeitsprozess auf sehr breiter Basis und als Ausdruck der Verpflichtung zu Qualität und zur Rechenschaft. Sphere ist überzeugt, dass Menschen, die von Katastrophen oder Krieg betroffen sind, ein Recht auf ein menschenwürdiges Leben haben und deshalb ein Recht auf Schutz und Hilfe. Es muß alles getan werden, das Leiden der Menschen bei Katastrophen und Krieg zu lindern. Am Sphere-Prozess waren und sind über 4.000 humanitäre Helfer aus 400 Hilfsorganisationen in über 80 Ländern beteiligt. Die Sphere-Standards stellen den breiten Konsens der humanitären Fachleute weltweit dar.

7 Die Sektoren sind: 1. Water, Sanitation and Hygiene Promotion, 2. Food Security, Nutrition and Food Aid, 3. Shelter, Settlements and Non- Food Items, 4. Health Services.

8 Chapter 1: Minimum Standards Common to All Sectors.

9 Common standard 2: Initial assessment, Guidance Note 1: Frequently it may not be possible to adequately address or consult all sectors or groups within the population. When this is the case, it should be clearly stated which groups have been omitted, and efforts should be made to return to them at the first opportunity.

10 Zur Anfang 1997 gerade gegründeten Kriegsbehindertenorganisation ALGES (Asociación de Lisiados de Guerra de El Salvador).

11 13. Januar 2001: 7,7-7,9 Stärke, 944 Tote, 5.565 Verletzte, 108.261 zerstörte, 169.692 beschädigte Häuser. 13. Februar 2001: 6,6 Stärke, 315 Tote, 3.399 Verletzte, 16.752 beschädigte und 44.759 zerstörte Häuser.

12 23. Juni 2001: 8,4 Stärke, 75 Tote, 2.687 Verletzte, 17.510 zerstörte und 35.549 beschädigte Häuser.

13 siehe Anmerkung 10.

14 27. Mai 2006 auf Java in Indonesien: 6,3 Stärke, 6.000 Tote, mehr als 40.000 Verletzte, 300.000 zerstörte Häuser.

15 Der Prozess läuft unter verschiedenen Namen. In Indien begann er Ende der 90er Jahre als CBDP (Community Based Disaster Preparedness). Andere Organisationen bevorzugen CBDRR (Community Based Disaster Risk Reduction), CMDRR (Community Managed Disaster Risk Reduction), CBDM (Community Based Disaster Management), CBDRM (Community Based Disaster Risk Management). Die Unterschiede sind in der Praxis kaum zu finden. Caritas India bevorzugt inzwischen CFDP (Community and Family Disaster Preparedness).

16 Dieser lief unter dem Titel PLA (Participatory Learning and Action)

17 Es können folgende Karten sein:

Bedrohungs- und Vulnerabilitätskarte (Identifizierung bedrohter Bereiche, verwundbare Gruppen, bedrohte Straßen und Brücken)
Soziale Karte (Haustyp und Standort, Infrastruktur wie Kultstätten, Wasserressourcen, Schulen, Gesundheitseinrichtungen, Postamt, Telefon, Straßen, Stromversorgung, Zufluchtszentren oder Evakuierungsorte, Wohnung von besonders gefährdeten Personen, Kasten, usw.)
Ressourcenkarte (Vieh, Landwirtschaft, Wälder, Fischerei, Bewässerungssysteme, Lebensunterhaltsquellen, Unzulänglichkeiten, usw.)
Saisonkarte (Regenzeiten, Anbauzeiten je nach Frucht, Erntezeiten, Aussaatzeiten, Fischereizeiten je nach Fischsorte, Wanderarbeit)
Institutionelle Karte (Bedeutung und Standort von öffentlichen Einrichtungen wie Schulen, Märkte, Eisenbahn und Bahnhof, Ämter der diversen Ebenen, Genossenschaften)
Chronologie der Katastrophen
Problemidentifizierung und Prioritätensetzung

18 Vgl. Caritas international, Jahresberichte 2004-2009

19 Afrika: Ägypten, Kenia, Marokko, Mauretanien, Niger, Nigeria, Rwanda, Sierra Leone, Tansania, Togo. Amerika: Bolivien, El Salvador, Honduras, Kolumbien, Nicaragua, Peru. Asien: Afganistan, Bangladesch, Indien, Indonesien, Irak, Kambodscha, Nepal, Palästina, Sri Lanka, Tadschikistan, Vietnam. Europa: Bosnien, Bulgarien, Kosovo, Moldova, Montenegro, Rumänien, Russland, Ukraine, Weißrussland

20 Vgl. Caritas international, Jahresbericht 2009

21 Für Kurzbeschreibungen einiger der Maßnahmen, siehe Caritas international, Jahresberichte 2004-2009, jeweils S. 22-25. Es handelt sich um die Caritas in Indonesien, Kambodscha, Kosovo, Peru, Tansania und, auch wenn ohne Katastrophenbezug, Ägypten.


Literatur

CARITAS BEHINDERTENHILFE UND PSYCHIATRIE E.V., BUNDESVEREINIGUNG LEBENSHILFE FÜR MENSCHEN MIT GEISTIGER BEHINDERUNG E.V., VERBAND FÜR ANTHROPOSOPHISCHE HEILPÄDAGOGIK, SOZIALTHERAPIE UND SOZIALE ARBEIT E.V., BUNDESVERBAND EVANGELISCHE BEHINDERTENHILFE E.V., BUNDESVERBAND FÜR KÖRPER- UND MEHRFACHBEHINDERTE E.V. (2009): Forderungen der fünf Fachverbände für Menschen mit Behinderung zur Neuausrichtung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen im Licht der Behindertenrechtskonvention (BRK). Vorschläge zur Weiterentwicklung der im SGB XII geregelten Eingliederungshilfe zu einem Bundesteilhabegesetz. Berlin, Echzell-Bingenheim, Düsseldorf, Freiburg. 9. Juli 2009, S. 1, 5

DEUTSCHER CARITASVERBAND E.V. (2009): Caritas international Fachkonzept Notunterkünfte und Wohnungsbauprogramme in Katastrophengebieten: Wie viel Wohnung braucht der Mensch? Freiburg. August 2009, S. 8, 13, 25, 27, 29, 33, 38-49

DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR TECHNISCHE ZUSAMMENARBEIT (GTZ) im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) (2006): Behinderung und Entwicklung. Ein Beitrag zur Stärkung der Belange von Menschen mit Behinderungen in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Politikpapier. November 2006, S. 10

INSTITUT MENSCH, ETHIK UND WISSENSCHAFT (IMEW) (Arbeitsgemeinschaft Spina bifida und Hydrocephalus e.V. (ASbH), Bundesarbeitsgemeinschaft SELBSTHILFE von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen e.V. (BAGSELBSTHILFE), Bundesverband evangelische Behindertenhilfe e.V. (BeB), Bundesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte e.V. (BVKM), Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V. (BVLH), Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V. (CBP), lnteressenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (lSL), Sozialverband VdK Deutschland e.V., Verband für anthroposophische Heilpädagogik, Sozialtherapie und soziale Arbeit e.V.) (2009): Die Perspektive von Menschen mit Behinderung im Koalitionsvertrag verankern - an ethischen Standards festhalten, 15.10.2009

HINZ, DR. THORSTEN (2010): Gesetzgebung garantiert das Recht auf Teilhabe für alle. Die UN-Behindertenrechtskonvention stärkt die Position von Menschen mit Behinderungen. In neue caritas. Heft 1, 11. Januar 2010, S. 10 ff

PINNER, FRANK (2010): Handout zu Inklusion international - ein Workshop auf dem Caritas Congress Berlin, 15.-16.4.2010. Projektleitung, S.1

THE SPHERE PROJECT (2004): Humanitarian Charter and Minimum Standards in Disaster Response. 2004 Edition, S. 21, 31


Abstract: The implementation of the United Nations Convention on the Rights of Persons with Disability within the framework of humanitarian aid can be realised in different ways. It is very difficult in the initial period after a disaster as there is extreme pressure on all involved. The best possibility is where within community and family disaster preparedness activities, that these take account of the criteria for inclusion in their actions.
Organisations, that are not specific to providing services to persons with disability; should seek cooperation with specialised organisations when they include mainstreaming activities in their programs.

Résumé: La mise en oeuvre de la Convention des Nations Unies sur les droits des personnes handicapées dans l'aide humanitaire peut se faire de différentes manières. Elle est particulièrement difficile dans la phase immédiate d'aide d'urgence directe, qui a lieu dans un contexte de forte pression. Les actions de prévention des catastrophes à base familiale et communautaire offrent de meilleures possibilités, qui peuvent par ailleurs avoir un effet positif sur l'inclusion en phase de gestion de crise aigue.
Les organisations qui ne sont pas exclusivement préoccupées par les personnes handicapées devraient favoriser la coopération avec les organisations spécialisées pour la prise en compte des personnes handicapées dans l'aide humanitaire.

Resumen: La Convención de las Naciones Unidas sobre los Derechos Humanos de Personas con Discapacidad puede ser transformado de diferentes maneras. Difícil es la fase de la ayuda de urgencia, donde existe una presión grande de acción. Mejores posibilidad existen en la prevención comunitaria de catástrofes, y en la fase de la ayuda inmediata.
A las organizaciones, que no se dedican exclusivamente a personas con discapacidad, se recomienda la cooperación con organizaciones especializadas en la transversalización de la discapacidad.


Autor: Karl A. Ammann, Disaster Management Consultant, geboren 1942, von 1974-2008 bei Caritas international besonders in der Koordination der humanitären Hilfe tätig. Seit 2006 hauptsächlich in der Fortbildung von Emergency Response und Community Managed Disaster Risk Reduction bei Partnern von Caritas international tätig.
Kontakt: Fabrikstrasse 6A, 79102 Freiburg, E-Mail: k.ammann@web.de


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Quelle:
Behinderung und internationale Entwicklung 3/2010, S. 20-32
Schwerpunktthema: Umsetzung von Artikel 11/32 der Behindertenrechtskonvention
in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit
Anschrift: Wandastr. 9, 45136 Essen
Tel.: +49 (0)201/17 88 963, Fax: +49 (0)201/17 89 026
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Januar 2011