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BERICHT/342: Sozialentwicklung inklusiv und nachhaltig gestalten (ZBDW)


Behinderung und internationale Entwicklung 3/2010

Sozialentwicklung inklusiv und nachhaltig gestalten

Von Ingar Düring


Dieser Artikel gibt einen Einblick in die derzeitigen Aktivitäten der deutschen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit im Bereich Behinderung und Entwicklung und verdeutlicht die Prinzipien und Ansätze des deutschen Engagements. Deutschland setzt Akzente auf die Inklusion von Menschen mit Behinderungen, in den Auf- und Ausbau nachhaltiger Systeme der sozialen Sicherung und die Entwicklung und Umsetzung von inklusiven Sozialpolitiken in Entwicklungs- und Schwellenländern. Die im Artikel aufgeführten Beispiele verdeutlichen zudem, wie Behinderung und Entwicklung sektorübergreifend angegangen, wie das Thema durch Kooperationen und internationale Vernetzung gefördert und als wie wichtig eine kritische Selbstbetrachtung angesehen wird.


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Dieser Artikel gibt einen Einblick in die Aktivitäten der deutschen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit im Bereich Behinderung und Entwicklung und verdeutlicht die Prinzipien und Ansätze des deutschen Engagements.

Im März 2009 ist die VN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (kurz: Behindertenrechtskonvention - BRK) in Deutschland in Kraft getreten. Die Konvention, als das jüngste und in vieler Hinsicht fortschrittlichste international in Kraft getretene Menschenrechtsabkommen, betrifft auch die internationale Zusammenarbeit, besonders durch Artikel 32, und kann so als Leitlinie für die Gestaltung von Entwicklungszusammenarbeit dienen. Das Dokument liefert detaillierte Hinweise zu Implementierungs- und Monitoringmechanismen. Deutschland kann Partnerregierungen darin unterstützen, Voraussetzungen für die Ratifizierung der BRK zu schaffen, Gesetze entsprechend den Anforderungen der BRK weiter zu entwickeln und Umsetzungsprozesse begleiten.

Deutschland verpflichtet sich mit Artikel 32 dieser Konvention, Menschen mit Behinderungen in die internationale Zusammenarbeit, einschließlich Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit (EZ), mit einzubeziehen und diese für sie zugänglich zu gestalten. Diese Verpflichtung gilt Ressort übergreifend und betrifft auch die internationale Zusammenarbeit beispielsweise in den Bereichen Menschenrechtsförderung und Forschung. Des Weiteren verantwortet sich Deutschland laut Artikel 11 der Konvention, Menschen mit Behinderungen in Gefahrensituationen und humanitären Notlagen Schutz und Sicherheit zu gewährleisten.

Die Prinzipien und Ansätze für das deutsche Engagement in inklusiver Entwicklung sind seit 2006 im zwischen verschiedenen Ministerien abgestimmten Politikpapier Behinderung und Entwicklung - ein Beitrag zur Stärkung der Belange von Menschen mit Behinderungen in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit verankert1.

In Übereinstimmung mit den internationalen Standards ist für Deutschland ein menschenrechtliches Verständnis von Behinderung ausschlaggebend. Dieses verlangt, mit Menschen mit Behinderungen als Inhabern von Rechten und mit staatlichen Institutionen als Pflichtenträgern zusammenzuarbeiten. Es fordert nicht nur die Konsultierung sondern aktive Beteiligung von Menschen mit Behinderungen bzw. der sie vertretenden Organisationen in Planung, Steuerung und Evaluierung von Prozessen und Vorhaben. Ein menschenrechtsbasierter Ansatz fordert die internationale Gebergemeinschaft heraus, die eigene Organisation auf Zugänglichkeit und inklusive Praxis hin zu untersuchen. Gleichzeitig ist es entsprechend des Prinzips der Nichtdiskriminierung von Bedeutung, auch besonders benachteiligte und vulnerable Gruppen von Menschen mit Behinderungen in die EZ mit einzubeziehen.

Auf konzeptioneller Ebene wurden die Belange von Menschen mit Behinderungen entsprechend in vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) herausgegebenen Konzepten wie dem Entwicklungspolitischen Aktionsplan für Menschenrechte 2008 - 20102 oder dem Sektorkonzept Soziale Sicherung aufgenommen3.

Die von der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH im Auftrag des BMZ 2009 veröffentlichte Studie Umsetzung der VN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit geht in ihren Empfehlungen auf Mechanismen der Umsetzung ein. So wird beispielsweise der Bedarf nach interner Beratung der deutschen EZ im Bereich Behinderung und Entwicklung verdeutlicht4.

Seit Herbst 2009 hat das BMZ ein Sektorvorhaben Menschen mit Behinderungen damit beauftragt, die Inklusion von behinderten Menschen in Konzepte, Strategien und konkrete Vorhaben der deutschen EZ zu verbessern. Das Mandat des Sektorvorhabens erstreckt sich über drei Jahre. Das Beratungsangebot richtet sich an das BMZ wie an alle staatlichen Durchführungsorganisationen der technischen und finanziellen Zusammenarbeit. Das Angebot umfasst die Politikberatung, Strategie- und Methodenentwicklung, die Unterstützung in der Umsetzung und Realisierung von Inklusionsvorhaben in Partnerländern, Sensibilisierungsmaßnahmen und die Analyse und Dokumentation von Erfahrungen.


Akzente des deutschen Engagements

Das deutsche Engagement ist zunächst auf die Inklusion von Menschen mit Behinderungen, in den Auf- und Ausbau nachhaltiger Systeme der sozialen Sicherung und die Entwicklung und Umsetzung von angemessenen, inklusiven Sozialpolitiken in Entwicklungs- und Schwellenländern gerichtet. Wie Deutschland stehen unsere Partnerregierungen vor der komplexen Aufgabe, nicht nur die rechtlichen Rahmenbedingungen an die Anforderungen der VN-Konvention anzupassen, sondern auch sukzessive Maßnahmen zu ergreifen, damit die Menschenrechte voll verwirklicht werden können. Dazu kann die Revision der nationalen Gesetzeslage als erster Schritt gehören, vor allem aber der Aufbau, die Bereitstellung und Verbesserung von angemessenen, zugänglichen Dienstleistungen in den Bereichen Gesundheit, Bildung, soziale Sicherheit, und darüber hinaus beispielsweise in den Sektoren der Berufsförderung und Integration in den Arbeitsmarkt. Die Koordination dieser Aktivitäten - unter der Verantwortung mehrerer staatlicher Stellen - ist meist sehr vielschichtig und beansprucht eine langfristige, nachhaltige Planung. Die deutsche EZ steht vor der Herausforderung, dass zwar auf politischer und strategischer Ebene die Inklusion der Belange von Menschen mit Behinderungen in alle Bereiche der EZ bereits gefordert ist, die Erfahrung in der Umsetzung von Inklusionsvorhaben aber immer noch limitiert und die Frage nach promising practices, nach geeigneten und angemessenen Methoden und Instrumenten zur Umsetzung der BRK, nach wie vor groß ist.

Ziel des Sektorvorhabens ist es daher, in verschiedenen Sektoren der EZ möglichst viele praktische Beispiele für die Realisierung von inklusiven Vorhaben zu initiieren, Erfahrungen zu sammeln und darauf aufbauend, zusammen mit den für die Implementierung Verantwortlichen, Methoden und Instrumente zu entwickeln. Einige Beispiele dafür seien im Folgenden genannt.


Inklusion im Rahmen sozialpolitischer Reformprozesse

Um in Zusammenarbeit zwischen der Partnerregierung und Deutschland den Aufbau nachhaltiger Systeme der sozialen Absicherung im Krankheitsfall in Kambodscha zu verbessern, begleitet das Sektorvorhaben aktuell eine Studie, welche die Bedarfe und Angebote zur Absicherung im Krankheitsfall von behinderten und älteren Menschen untersucht. Ziel dieser Studie ist es, konkrete Empfehlungen an die deutsche EZ zu formulieren, wie Dienstleistungen in den Bereichen Gesundheit und Soziale Sicherung besser auf diese Personengruppen ausgerichtet werden können. Die Initiative steht im Rahmen der Strategie der kambodschanischen Regierung, bis zum Jahr 2015 alle Kambodschaner im Krankheitsfall sozial abzusichern.

Im Rahmen des Reformprozesses des sozialen Sicherungssystems in Chile erarbeitete die GTZ im Auftrag des BMZ gemeinsam mit der nationalen chilenischen Institution für Früherziehung Junta Nacional de Jardines Infantiles (JUNJI) ein Konzept für eine frühkindliche Förderung, die auch den speziellen Förderbedarf von Kindern ausdrücklich berücksichtigt. JUNJI hat die staatliche Aufsichtspflicht über alle chilenischen Kindergärten. Die GTZ berät die chilenische Regierung auf mehreren Ebenen und unterstützt JUNJI seit einigen Jahren unter anderem in der Ausbildung des Kindergarten-Personals. Neben den Bildungsinstitutionen werden auch die Familien behinderter Kinder verstärkt in den Prozess einbezogen. In einer Gruppe von rund 15.000 Kindern sind bisher 2.200 Kinder mit Behinderungen aus besonders armen Familien erfolgreich in 1.200 Kindergärten integriert. Inklusive Früherziehung ist heute als Bestandteil der sozialpolitischen Reform Chile wächst mit Dir formuliert. Deutschland förderte in diesem Rahmen auch den trilateralen internationalen Erfahrungsaustausch zwischen Chile, Deutschland und Norwegen.

Weitere sozialpolitische Beratungsprozesse sind momentan in Vorbereitung, beispielsweise zur Unterstützung von Partnerregierungen bei der Umsetzung der VN-Konvention sowie zur Verbesserung von Sozialdienstleistungen für Menschen mit Behinderungen im informellen Arbeitssektor.


Ein zweigleisiger Ansatz

Das Engagement Deutschlands verfolgt einen zweigleisigen Ansatz im Bereich Behinderung und Entwicklung: zum einen werden sektorübergreifend strukturelle und sozialpolitische Veränderungen - wie oben beschrieben - unterstützt; zum anderen werden besondere Maßnahmen zur Umsetzung der Rechte und Stärkung der Kompetenzen von Menschen mit Behinderungen gefördert.

Im Auftrag des BMZ unterstützt die GTZ in Vietnam landesweit Ansätze zur selbsthilfeorientierten Armutsreduzierung. In diesem Rahmen und mit einem Beitrag zum Deutschlandjahr 2010 in Vietnam plant das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) einen deutsch-vietnamesischen Austausch zu Methoden und erfolgreichen Beispielen der Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Behinderungen. Vietnam galt in den letzten Jahren besondere Aufmerksamkeit der deutschen EZ zum Thema Menschen mit Behinderungen. So beispielsweise bei der Unterstützung von Ansätzen der gemeindenahen Rehabilitation, der Früherkennung von Behinderungen, Frühförderung von Kindern mit Behinderungen und physiotherapeutischer Maßnahmen. Fachkräfte mit Expertise unter anderem in Orthopädietechnik, Sonderschulpädagogik und inklusiver Bildung wurden durch den deutschen Entwicklungsdienst (DED) entsendet.

Deutschland begleitete das vietnamesische Arbeits- und Sozialministerium (MOLISA) bei der institutionellen Stärkung von Selbstvertretungsorganisationen (Disabled People's Organisations - DPOs) und der Förderung ihrer aktiven Beteiligung in Prozessen zur Entwicklung von nationalen Armutsminderungsstrategien (Poverty Reduction Strategy Papers - PRSP). Die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an der Erstellung, dem Monitoring und der Evaluierung von PRSPs, wurde auch in Kambodscha und Tanzania gefördert und bildet ein gutes Beispiel für die koordinierte Zusammenarbeit zwischen deutschen Durchführungsorganisationen, Nichtregierungsorganisationen und DPOs. Die Initiativen zeigten gute Erfolge in der Förderung institutioneller Kompetenzen der DPOs, so zum Beispiel im Finanzmanagement, im Empowerment von lokalen Selbsthilfegruppen und der Koordination der Arbeit zwischen DPOs und lokalen Verwaltungsstellen. Partnerregierungen entwickelten ein menschenrechtliches Verständnis von Behinderung.

In Usbekistan unterstützt das BMZ die Schulung von sehbehinderten Menschen in der Nutzung von Informationstechnologie und fördert im Anschluss ihre Integration in den formalen Arbeitsmarkt. In der Vorbereitung der Initiative kooperiert die GTZ mit der CBM, hier insbesondere dem CBM Büro in Süd-Indien, welche dem Vorhaben durch Beratungsprozesse ihr spezifisches Fachwissen und langjährige praktische Erfahrungen in der Integration von behinderten Menschen in den Arbeitsmarkt zur Verfügung stellt. Ein Süd-Süd Erfahrungsaustausch zwischen Usbekistan und Indien, unter Beteiligung von Vertretern von Selbsthilfeverbänden, ist vorgesehen.


Ein Blick von außen nach innen

Eine kritische Selbstbetrachtung ist von großer Bedeutung für die Glaubwürdigkeit und den Erfolg des Engagements. Das Sektorvorhaben, zusammen mit dem Personalbereich der GTZ, untersucht zurzeit Ansatzpunkte, um die Integration von Menschen mit Behinderungen als Arbeitnehmer in der deutschen EZ systematisch zu verbessern. Die GTZ als Unternehmen und Arbeitgeber möchte zu einer verbesserten Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in Partnerländern, aber auch in unserer Gesellschaft beitragen. Erfolgreiche Ansätze, die das Unternehmen und andere Organisationen in den letzten Jahren hierzu genutzt haben, werden systematisch erfasst, das Personalressourcenmanagement beleuchtet und neue Personalmarketingstrategien erörtert. In einem ersten Schritt werden Informationen zu Fördermöglichkeiten in Deutschland systematisch zusammengestellt und gezielte Informationsveranstaltungen für Mitarbeiter und Führungskräfte durchgeführt.

Die kritische Selbstbetrachtung betrifft unsere Organisationen in ihren Strukturen und Funktionsweisen, sie ermöglicht auch Veränderungen in existierenden Vorhaben vorzunehmen.

In Bangladesch wird z.B. momentan daran gearbeitet, die Belange von Menschen mit Behinderungen in alle GTZ-unterstützten Vorhaben - u.a. in den Sektoren Gesundheit, Ernährung und Bevölkerung, gute Regierungsführung im städtischen Bereich, erneuerbare Energien, Textilproduktion, Förderung der Menschenrechte und Zugang zu Justiz - zu integrieren. Dies ist natürlich als längerfristiger Prozess zu sehen. In Planungsworkshops wurden aber bereits Ziele, Schwerpunkte und konkrete Ansätze formuliert sowie erste Erfahrungen dazu ausgetauscht.


Kooperation mit der deutschen Zivilgesellschaft

Um dem anspruchsvollen Ziel der gleichberechtigten Inklusion von Menschen mit Behinderungen in die EZ näherzukommen, ist es unabdingbar, in Partnerschaften, Kooperationen und Allianzen zu arbeiten.

Um den Dialog zwischen staatlichen, nichtstaatlichen, spezialisierten und nicht-spezialisierten Organisationen, DPOs, politischen Stiftungen, Wirtschaftsvertretern, privaten Trägern und anderen relevanten Akteuren in Deutschland zu stärken, hat das BMZ das Forum eines Runden Tischs zu Inklusion von Menschen mit Behinderung in der deutschen EZ geschaffen. Der Runde Tisch soll einen offenen Austausch zu Chancen, Herausforderungen, Fragen, Erfahrungen und Instrumenten sowie Synergien schaffen.

Das BMZ fördert über den Titel für private Träger verschiedenste Vorhaben von Nichtregierungsorganisationen und Selbstvertretungsorganisationen im Bereich Behinderung und Entwicklung. Auch über den Titel der Zusammenarbeit mit den kirchlichen Organisationen (Katholische und Evangelische Zentralstellen für Entwicklungshilfe) werden spezifische, wie auch auf Behinderung bezogene inklusive Vorhaben gefördert.


Internationale Vernetzung und Kooperationen

Auch auf internationaler Ebene setzt sich Deutschland in verschiedenen Gremien für die Förderung der Belange von Menschen mit Behinderungen in der EZ ein.

Deutschland unterstützt die Global Partnership for Disability and Development (GPDD), ein Multi-Stakeholder Netzwerk, mit dem Ziel, die Geberharmonisierung und Kooperationen im Bereich Behinderung und Entwicklung zu verbessern, den Wirkungskreis von Vorhaben weltweit zu vergrößern und mehr Bewusstsein für die Zusammenhänge von Armut und Behinderung zu schaffen.

Der Austausch mit anderen bilateralen Agenturen, z.B. AusAID und DFID dient dem Erfahrungsaustausch und voneinander Lernen, der gegenseitigen Beratung, der koordinierten Abstimmung und einer Bündelung von Ressourcen auf internationaler Ebene. Hervorzuheben ist hier sicherlich der Austausch im Rahmen der von AusAID initiierten Disability Reference Group, einem Expertengremium, welches vorrangig Australien in der Umsetzung der Entwicklungsstrategie Development for All - Towards a Disability-Inclusive Australian Aid Program 2009-2014 berät.


Chancen und Herausforderungen für die Zukunft

Das Inkrafttreten der BRK auf internationaler und nationaler Ebene hat der Debatte um Inklusion und den deutschen Initiativen zur Integration von Belangen von Menschen mit Behinderungen in die EZ sehr viel Rückenwind gegeben. Mit dem Ziel einer nachhaltigen Implementierung der BRK engagiert sich Deutschland pro-aktiv und bestimmt für die Achtung, den Schutz und die Gewährleistung der Rechte von Menschen mit Behinderungen in der EZ. Auch wenn Deutschland zusammen mit anderen zu den Wegbereitern der bilateralen Akteure in diesem Feld zählt, scheint der Weg jedoch noch lang und steinig. Der Prozess der Inklusion, bis dass er Menschen mit Behinderungen auch in benachteiligten und entlegenen Gegenden von Entwicklungsländern im Alltag erreicht, setzt vielfache Veränderungen voraus - beispielsweise im Verständnis von Behinderung, in der breiteren institutionellen Verankerung des Themas, in der Einbindung von Menschen mit Behinderungen als Experten, in rechtlichen Rahmenbedingungen in Partnerländern, in budgetären Entscheidungen auch auf lokaler Ebene - und beansprucht einen langfristigen Einsatz, um sichtbare und nachhaltig wirksame Erfolge zu schaffen.

Der Mangel an wissenschaftlicher Evidenz, die Verfügbarkeit von Zahlen, Fakten und qualitativen Untersuchungen weltweit erschwert dabei die Arbeit zu inklusiver Entwicklung maßgeblich. Durch von Deutschland in Auftrag gegebene Studien - wie beispielsweise die Untersuchung von sozialer Absicherung im Krankheitsfall von behinderten und älteren Menschen in Kambodscha - kann die Datenerhebung punktuell und umsetzungsorientiert verbessert werden. Dennoch gibt es weltweit zu wenig wissenschaftlich aufgearbeitete Kenntnisse im Bereich Behinderung und inklusive Entwicklung. Wissenschaftliche Evidenz ist über die anwaltschaftliche und Lobbyarbeit hinaus notwendig, um Dienstleistungen, Beratungsangebote und Capacity Development bedarfsorientiert, angemessen, und an die lokalen Gegebenheiten angepasst ausrichten zu können. Hier besteht ein großes Potenzial für eine engere Zusammenarbeit mit akademischen Instituten.

Selbstvertretungsorganisationen und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen kommt in der Erreichung von und in der Zusammenarbeit mit Menschen mit Behinderungen eine essentielle Rolle zu. Auf Behinderung bezogene inklusive EZ birgt darüber hinaus aber auch Potential für neue Allianzen und für eine verstärkte Zusammenarbeit mit verschiedensten privaten Trägern.

Nur durch innovative Partnerschaften, Kooperationen und Allianzen zwischen den unterschiedlichsten Akteuren können die oben genannten Herausforderungen langfristig angegangen, die Wirkungen des deutschen Engagements vergrößert, und soziale und ökonomische Entwicklung inklusiv und nachhaltig gestaltet werden.


Die Autorin reflektiert in diesem Artikel Ihre persönliche Sicht, die nicht notwendigerweise die Sicht der GTZ oder des BMZ darstellt.


Anmerkungen

1 DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR TECHNISCHE ZUSAMMENARBEIT GMBH/GTZ (2006): Behinderung und Entwicklung - ein Beitrag zur Stärkung der Belange von Menschen mit Behinderungen in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Politikpapier

2 BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG/BMZ (2008): Entwicklungspolitischer Aktionsplan für Menschenrechte 2008 - 2010

3 BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG/BMZ (2009): Sektorkonzept Soziale Sicherung

4 DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR TECHNISCHE ZUSAMMENARBEIT GMBH/GTZ (2009): Umsetzung der VN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Zusammenfassung der Studie


Abstract: This article reviews some the activities of German government development activities in the area of "disability and development"and makes clear the principles and approaches of the German engagement. Germany places importance on the inclusion of persons with disability in the creation and expansion of sustainable systems of social security and the development and implementation of an inclusive social politic in countries with developing and emerging economies. The examples in this article underline that disability and development occurs across all sectors, as is encouraged by the cooperation and international networks, it also show how important it is to review sect oral activities critically in relation to disability.

Résumé: Cet article donne un aperçu des activités actuelles de la coopération étatique allemande au développement dans le domaine «handicap et développement» et en éclaire les principes et approches. L'Allemagne met l'accent sur l'inclusion des personnes handicapées dans l'élaboration et l'évolution de systèmes de sécurité sociale pérennes et dans le développement et la mise en oeuvre de politiques sociales inclusives dans les pays en développement et en transition. Les exemples présentés dans cet article montrent en outre comment handicap et développement sont considérés de manière supra sectorielle, comment ce thème est supporté par des coopérations et des réseaux internationaux, et quelle importance est donnée à une réflexion autocritique.

Resumen: Este artículo da una impresión de las actividades actuales de la cooperación para el desarrollo del estado de Alemania y sus principios y enfoques. Alemania se concentra en la inclusión de personas con discapacidad, en la construcción y ampliación de los sistemas de seguridad social sostenible y en el desarrollo de políticas sociales en países en vías de desarrollo. Los ejemplos enseñan como se puede realizar el tema discapacidad y desarrollo en diferentes campos de acción, y además, como el tema puede ser promovido a través de cooperaciones y redes internacionales, y finalmente, se muestra la importancia que tiene la autocrítica para los actores.


Autorin: Ingar Düring ist Leiterin des vom BMZ beauftragten Sektorvorhabens Menschen mit Behinderungen. Sie hat langjährige Erfahrung im Bereich Behinderung und Entwicklung in Zusammenarbeit mit staatlichen und nicht-staatlichen Organisationen.
Kontakt: Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH
Postfach 5180, 65726 Eschborn, E-Mail: ingar.duering@gtz.de, www.gtz.de/disability


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Quelle:
Behinderung und internationale Entwicklung 3/2010, S. 10-14
Schwerpunktthema: Umsetzung von Artikel 11/32 der Behindertenrechtskonvention
in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit
Anschrift: Wandastr. 9, 45136 Essen
Tel.: +49 (0)201/17 88 963, Fax: +49 (0)201/17 89 026
E-Mail: gabi.weigt@t-online.de
Internet: www.zbdw.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Januar 2011