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BERICHT/303: Bericht meiner Praktikantin ... (Silvia Schmidt, SPD)


Silvia Schmidt, MdB - 23.01.2009
Behindertenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion

Bericht meiner Praktikantin ... mit Unterstützungsbedarf


Frau Nina Waskowski war in der Zeit vom 01.12.2008 bis 23.01.2009 in meinem Abgeordnetenbüro des Deutschen Bundestages als Praktikantin beschäftigt.

Sie ist 30 Jahre alt und absolviert eine Zusatzausbildung zur Wissenschaftlichen Dokumentarin am Deutschen Rundfunkarchiv in Potsdam - Babelsberg. Zuvor studierte sie Sozialwesen und war beruflich als Diplom Sozialarbeiterin/-pädagogin überwiegend in der Behindertenhilfe tätig.

Ihren Praktikumsbericht möchte ich Ihnen empfehlen, einer Veröffentlichung hat Frau Waskowski zugestimmt.


"Artgerechte Haltung von Praktikanten und Menschen mit Unterstützungsbedarf"

Es gibt Personengruppen, die dazu prädestiniert sind, anders behandelt zu werden als es gut für sie ist oder als sie es selber wollen, denn leider vergisst das Gegenüber oft, dass die Begriffe "gut gemeint" und "gut" oft die Nähe von Planeten haben. Zu diesen Personengruppen gehören oftmals Praktikanten und Menschen mit Behinderung. Besser ist an dieser Stelle der Begriff "Menschen mit Unterstützungsbedarf". Bei mir handelt es sich um einen Menschen, der derzeitig in beide Personengruppen fällt, was mich nun dazu veranlasst, mich diesem Thema zu widmen. Ich bin eine Praktikantin mit Unterstützungsbedarf, die in vielerlei Hinsicht oft auf ein Verhalten stößt, dass mir nicht entgegenkommt, mir nicht gerecht wird und von mir so nicht gewollt ist.

In meinen etwa 6 verschiedenen Praktika als Schülerin, Sozialarbeiterin und angehende Wissenschaftliche Dokumentarin traf ich oft auf Menschen, die mir alltägliche Dinge, wie das Kochen von Kaffee oder das Kopieren von Unterlagen, nahebringen wollten, was selten mit meinen eigentlichen Ausbildungszielen konform ging. Auf dieses Phänomen stoßen sicher viele Praktikanten, denen ich hier nun aus dem Herzen sprechen mag.

Als Mensch mit Unterstützungsbedarf habe ich erstaunlich ähnliche Verhaltensweisen mir gegenüber erleben dürfen. Da es sich in meinem Falle um eine überwiegend nicht-sichtbare Behinderung handelt, neigt mein Gegenüber oftmals dazu, mich erst zu überschätzen und im Falle der Kenntnisnahme meiner Behinderung zum absoluten Gegenteil, womit mir wiederum nur Alltagstätigkeiten wie einfache Schreib- und Kopierarbeiten zugetraut werden.

Ich selbst verfüge über die Fähigkeit, meinem Gegenüber die Sachlage zu erörtern und meine Wünsche, Vorstellungen und den Bedarf an Unterstützung zu formulieren, was jedoch leider nicht jedem so gelingt. Es ist mir bewusst, dass sich viele Menschen nicht mutwillig oder gar bösartig solcher Verhaltensweisen bedienen, sondern einzig und allein aus Unwissenheit beziehungsweise aus Unsicherheit. In dem Falle kann ich nur die Empfehlung aussprechen, einfach zu sagen, "an welcher Stelle der Schuh drückt" und in beiderseitigem Einvernehmen nach Lösungen zu suchen.

Meine Erfahrung lehrte mich, dass Menschen, die sich der Aufgabe annehmen, Praktikanten anzuleiten, sich mit behinderten Menschen auseinanderzusetzen oder aber - in meinem Falle beides, gerne einen Rat vom "Fachmann in eigener Sache" annehmen und dementsprechend gerne auf die angebotenen Lösungsvorschläge eingehen.

Mein derzeitiges Praktikum absolviere ich als angehende Wissenschaftliche Dokumentarin im Büro der Behindertenbeauftragten der SPD - Bundestagsfraktion Silvia Schmidt, MdB, in ihrem Büro in Berlin.

Heute verbringe ich hier meinen letzten Tag und werde ihn mit Sicherheit schweren Herzens beenden, was mich nun dazu veranlasst, mein Praktikum in diesem Bericht - bezogen auf die obenstehende Problematik "artgerechter Haltung" von Praktikanten, Menschen mit Unterstützungsbedarf bzw. beidem, Revue passieren zu lassen.

Hier an dieser Stelle durfte ich erleben, wie es ist, wenn man als Praktikantin Dinge erlernen darf, die ausschließlich im Zusammenhang mit den eigenen Ausbildungszielen stehen, denn lebenspraktische Fertigkeiten, wie das Kochen von Kaffee oder das Kopieren von Unterlagen, sind mir nach diversen Berufsjahren bereits geläufig. Selbstverständlich habe ich auf eine höfliche Bitte hin, auch solche Arbeiten gerne erledigt, was nicht zuletzt aber auf den grundlegend höflichen Umgangston zurückzuführen war. Zudem durfte ich hier die Erfahrung machen, wie es ist, als vollständiger Mensch mit allen Fähigkeiten und auch Unfähigkeiten akzeptiert zu sein und nicht ausschließlich auf die Behinderung reduziert zu werden. Der defizitorientierte Ansatz im Umgang mit behinderten Menschen stieß bei mir von jeher aus der Sicht einer Sozialarbeiterin als auch aus der Sicht einer Betroffenen eher auf Gegenwehr als auf Sympathie. Man gab mir als Praktikantin die Möglichkeit, Einblicke zu erhalten, meine Kenntnisse zu erweitern und mir selbst eine Meinung zu bilden beziehungsweise Ideen zu entwickeln.

Mitunter zählten völlig normale Tätigkeiten ohne jede Berücksichtigung meiner Behinderung zu meinen Aufgaben. So beispielsweise das Verfassen von Protokollen, die Erstellung von Kontaktlisten, die Teilnahme an Veranstaltungen u.v.m. Die Mitarbeiter des Büros haben zu keiner Zeit versucht, für mich zu entscheiden, was für mich besser ist und mir stets die Freiheit gelassen, meinen Bedarf selbst zu formulieren. An Stellen, an denen dann eine Unterstützung notwendig war, wurde dieses nicht mitleidig überbewertet, sondern respektiert und gewährt.

Als angehende Wissenschaftliche Dokumentarin bin ich leider aufgrund meiner noch sehr kurzen Ausbildungszeit nicht in der Lage, dieses Praktikum objektiv einschätzen zu können. Aus Sicht einer Sozialarbeiterin kann ich jedoch sagen, dass Silvia Schmidt, MdB und ihre Mitarbeiter nicht nur Politik für Menschen mit Behinderung machen, sondern diese auch in der Praxis respekt- und würdevoll umzusetzen wissen.

Als Betroffene habe ich mich hier sehr wohl gefühlt und hatte den Eindruck akzeptiert und im Team integriert zu sein. Als Nina kann ich nur sagen: Danke für das viel zu seltene Gefühl der Akzeptanz und für all das, was ich hier lernen durfte!

Nina Waskowski, 23.01.2009


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Quelle:
Pressemitteilung: Berlin, den 23.01.2009
Silvia Schmidt, Mitglied des Deutschen Bundestages (MdB)
Behindertenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: 030 - 227 73109 Fax: 030 - 227 76627
E-Mail: silvia.schmidt@bundestag.de
Homepage: http://www.silviaschmidt.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Januar 2009