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MELDUNG/068: Inters*x im Bundestag - Lizenz zum Weiterverstümmeln (zwischengeschlecht.org)


Zwischengeschlecht.org
Menschenrechte auch für Zwitter! - Pressemitteilung vom 20. Juni 2013

Inters*x im Bundestag, 27.6.: Lizenz zum Weiterverstümmeln



Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, wird nächste Woche am Do 27.06.2013 der Bundestag in seiner 249. Sitzung auf Antrag der Koalition den GenitalabschneiderInnen offiziell die Lizenz zum ungestörten Weiterverstümmeln erteilen.

Die internationale Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org ist tief bestürzt - und möchte den Verantwortlichen zu bedenken geben:

Die Bundesrepublik wird damit zum ersten Staat, der aktiv beschließt, medizinisch nicht notwendige, irreversible, kosmetische Genitaloperationen an Kindern mit "atypischen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen explizit weiterhin zuzulassen - mit allen völkerrechtlichen Konsequenzen:

• Obwohl Betroffene und ihre Organisationen seit 20 Jahren weltweit die sofortige Beendigung der Verstümmelungen und sonstigen Zwangsbehandlungen fordern sowie Aufarbeitung des begangenen Unrechts - spätestens seit 1996 nachweislich auch in Deutschland. Was seit Jahr und Tag alles schon zig-mal belegt wurde (vgl. z.B. Claudia Lang: "Inters*xualität", 2006, S. 232-257).

• Obwohl Deutschland wegen der täglichen Inters*x-Verstümmelungen in den letzten Jahren von der UNO wiederholt konkret gerügt wurde, und der UN-Sonderberichterstatter über Folter Anfang Jahr die Schutzpflicht aller Staaten noch einmal speziell hervorhob.

• Obwohl verantwortliche MedizinerInnen auch 2013 keinen Hehl daraus machen, noch möglichst lange möglichst viel weiter operieren zu wollen auf Teufel komm raus:

2012: "Schon 500 AGS-Mädchen operiert, sowie 170 andere Kinder."
2013: "Operationen an über 600 Kindern mit AGS, darunter Klitorisreduktionen, Vaginalplastiken und Labienrekonstruktionen"
(Dr. Clothilde Leriche, "DSD-Referenzchirurgin" Universitäts-Kinderklinik Ulm; Vortrag München Sept. 2012; 4th I-DSD Symposium Juni 2013, vgl. Proceedings S. 24-25) 

"Bei Kindern, die mit einem inters*xuellen Genitale geboren werden, besteht von Seiten der Eltern wie auch der Ärzte der Wunsch nach baldiger Eindeutigkeit."
Ein "Umdenken" der Ärzte erfolge erst durch "eine Gesetzesvorlage, die hormonelle und operative Maßnahmen bei Neugeborenen mit DSD beschränken soll".
(Prof. Dr. Susanne Krege, Kinderchirurgin, verantwortlich für einschlägige AWMF-Leitlinien, an einem Vortrag zum 11. interdisziplinären SGA-Workshop 2013, vgl. Proceedingband S. 42)  

Dieser nächsten Donnerstag im Bundestag drohenden, offiziellen Lizenz zum ungestörten Weiterverstümmeln liegt ein Bericht der vorberatenden Ausschüsse (17/14014) zu Grunde über 3 Anträge von SPD, Grüne und die Linke, die - in Übereinstimmung mit den Betroffenen und ihren Organisationen - jeweils ein Verbot kosmetischer Genitaloperationen an betroffenen Minderjährigen fordern, sowie eine historische Aufarbeitung der systematischen "Genitalkorrekturen".

Die in der Beschlussempfehlung enthaltenen Stellungnahmen aller Fraktionen belegen, dass hauptsächlich die CDU/CSU-Fraktion sich schlicht weigert, die Tatsachen anzuerkennen und endlich konkrete Schritte zur Beendigung der täglichen Inters*x-Genitalverstümmelungen an die Hand zu nehmen.

Zum Schaden noch der Spott: Schuld am menschenrechtswidrigen Andauern dieser staatlich unterstützten, verhängnisvollen und brutalen Praktiken trägt laut CDU/CSU - niemand anderes als die Opfer selbst:

Der "Wunsch" der "Betroffenen" und "Selbsthilfegruppen" nach "Partizipation bei der Klärung der offenen Fragen" sei es nämlich, der schnelle Maßnahmen zur umgehenden Beendigung der Verstümmelungen geradezu verbiete. Dadurch werden Betroffene gleich nochmals zum Opfer gemacht.

Laut FDP-Fraktion ist "in dieser Wahlperiode" ein "breiter Konsens im Parlament" nicht mehr möglich, weshalb sie bis dahin Bestrebungen zur Beendigung der Verstümmelungen ebenfalls ablehnen werde.

Zwischengeschlecht.org fordert alle Menschen guten Willens und intakten Gewissens dazu auf, dieses drohende Unrecht im Bundestag nicht einfach kommentarlos hinzunehmen.

Die internationale Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein Verbot von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen mit "atypischen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen sowie "Menschenrechte auch für Zwitter!".

Betroffene sollen später selber darüber entscheiden, ob sie Operationen wollen oder nicht, und wenn ja, welche.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 20. Juni 2013
Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org
E-Mail: presse_at_zwischengeschlecht.info
Internet: http://zwischengeschlecht.org
Regelmässige Updates: http://zwischengeschlecht.info


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juni 2013