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MELDUNG/028: Protest gegen Live Genitalverstümmelungen in Tübingen am 6.10.11 (zwischengeschlecht.org)


zwischengeschlecht.org
Menschenrechte auch für Zwitter!

Protest gegen Live Genitalverstümmelungen in Tübingen am Donnerstag, 6.10.11

Jeden Tag wird in Deutschland in einer Kinderklinik mindestens ein wehrloses Kind irreversibel genitalverstümmelt - auch in Tübingen im Universitätsklinikum (UKT) und in der Universitäts-Frauenklinik.

Obendrein lädt diese Woche die Urologische Klinik des Universitätsklinikums nach Tübingen zum traditionellen herbstlichen Live Genitalverstümmeln, heuer das erste Mal in Komplizenschaft mit der "European Association of Urology (EAU)".


Bereits zum 5. Mal in zweijährlicher Folge stehen - nach zunächst vier Mal "Symposium Rekonstruktive Urologie" - am diesjährigen "1st ESFFU-EFGURS Joint Meeting" menschenrechtswidrige kosmetische Genitaloperationen an wehrlosen Kleinkindern fest auf dem Programm.

Als unveränderte "besondere Attraktion" werden hochrangige Tübinger Genitalabschneider und weitere bekannte Seriengenitalverstümmler aus dem nahen In- und Ausland im Universitätsklinikum ohne medizinische Notwendigkeit oder Evidenz "live" an "unwerten" Kindergenitalien herumschnippeln.

Ethische oder menschenrechtliche Aspekte stehen dabei ausdrücklich nicht zur Debatte. Auch sonst herrscht Schweigen:

Weder die Gastgeberin Eberhard Karls Universität Tübingen, renommiert für ihr "Internationales Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW)", noch sonstwer will in all den Jahren irgendetwas bemerkt haben.

Wir wollen bei diesen täglichen Genitalverstümmelungen vor unserer Haustüre nicht mehr länger tatenlos zuschauen!

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org wird am Donnerstag 6.10. den ganzen Tag vor Ort in Tübingen über diese menschenrechtswidrigen Praktiken informieren.

Und während des Kongresses friedlich protestieren - gegen die GenitalabschneiderInnen sowie gegen die Untätigkeit von Politik und Justiz bei diesem fortdauernden Verbrechen gegen die Menschlichkeit.


FRIEDLICHER PROTEST
während des "1st Joint Meeting of the EAU Section of Female and Functional Urology (ESFFU) and the EAU Section of Genito-Urinary Surgeons (ESGURS)", inkl. "Live Operationen"
Do 6.10.11, 07:30-18:00 h
Kupferbau Tübingen, Eberhard Karls Universität Tübingen,
Hölderlinstraße 5, 72074 Tübingen



KOSMETISCHE GENITALOPERATIONEN AN KINDERN

Etwa jedes 1000. Kind wird mit "auffälligen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen geboren (Zwitter, Hermaphroditen, "Inters*xuelle", u.a.m. - die Medizyner sprechen heute hauptsächlich von "Störungen der Geschlechtsentwicklung / DSD" und "Hypospadie").

Diese gesunden Kinder werden heute noch zu 90% systematisch "kosmetisch" zwangsoperiert, um aus ihnen "unauffällige" Jungen und Mädchen zu machen - ohne ihre Einwilligung, ohne medizinische Notwendigkeit und ohne, dass die angebliche "Wirksamkeit" der verstümmelnden Operationen je klinisch nachgewiesen worden wäre. Masnche werden obendrein kastriert und dadurch ihr Leben lang von gesundheitschädigenden "Hormonersatztherapien" abhängig gemacht.

Die behandelnden Mediziner nehmen dabei jedes Mal in Kauf, dass das s*xuelle Empfinden vermindert oder gänzlich zerstört wird.

Betroffene prangern diese systematischen Menschenrechtsverletzungen seit den 1990ern öffentlich an als medizinische Verbrechen und "westliche Form der Genitalverstümmelung".

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org organisiert seit 4 Jahren friedliche Proteste und Mahnwachen u.a. vor Kinderkliniken, Medizinerkongressen und vor der UNO in Genf. Unsere mittelfristige Hauptforderung sind gesetzliche Maßnahmen zur Beendigung der Zwangsoperationen, entsprechend dem aktuellen Gesetzesentwurf im Bundestag gegen Genitalverstümmelungen an Mädchen und Frauen.


Unkontrollierte Menschenversuche ohne medizinische Notwendigkeit

Kosmetische Genitaloperationen an Kindern mit "auffälligen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen sind massive Menschenrechtsverletzungen. Sie sind medizinisch nicht notwendig, verstoßen gegen die Bundesverfassung (Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit) und verletzen die höchstpersönlichen Rechte der Kinder. Eltern haben deshalb kein Recht, im Namen ihrer Kinder in eine kosmetische Genitaloperation einzuwilligen.

Da die Wirksamkeit dieser Eingriffe nie klinisch getestet wurde (fehlende Evidenz) und auch die in der Medizin sonst üblichen Nachkontrollen bisher stets unterbleiben, handelt es sich um unkontrollierte Menschenversuche.


Ethisch, menschenrechtlich und juristisch unhaltbar

Seit Jahren bekräftigen Medizin- und BioethikerInnen: Nach medizinethischen Grundsätzen und Richtlinien sind kosmetische Genitaloperationen an Kindern klar unzulässig. Jahrzehnte lange Klagen der Opfer über massive physische und psychische Schäden werden durch namhafte Studien bekräftigt.

Ebenso bestätigen JuristInnen, dass die nicht-eingewilligten Operationen gegen Grund- und Menschenrechte verstoßen und auch strafrechtlich nicht haltbar sind.

Terre des Femmes und internationale FGM-ExpertInnen betonen die Parallelen zur Weiblichen Genitalverstümmelung.

2009 wurde in Köln erstmals ein Chirurg letztinstanzlich zu einer Schmerzensgeldzahlung von 100'000 Euro verurteilt. Ebenfalls 2009 rügte das UN-Komitee CEDAW die Bundesregierung wegen Verletzung ihrer Schutzpflicht gegenüber zwischengeschlechtlichen Kindern.

2010 bestätigte der Deutsche Ethikrat: "Der Umgang mit der Inters*xualität berührt eine Reihe medizin-, rechts- und sozialethischer Fragen, insbesondere das Recht auf körperliche Unversehrtheit."

Auch Ländersektionen von Amnesty International kommen zum Schluss:

Amnesty Schweiz (2010):
"Wir erachten genitale Zwangsoperationen für ein schweres Verbrechen, das gegen die Menschenrechte auf körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung und Würde verstösst. Genitale Zwangsoperationen sind schwere medizinische Eingriffe an Kindern mit gesunden, aber sogenannten nicht eindeutigen Geschlechtsmerkmalen, die ohne die Einwilligung der Betroffenen vorgenommen werden. Die Folgen von chirurgischen und medikamentösen Eingriffen werden von den Betroffenen oft als Verstümmelungen wahrgenommen." (Amnesty Schweiz 2010)

Amnesty Deutschland (2010):
"Im Mittelpunkt der Bemühungen steht die Ächtung einer medizinischen Praxis, inters*xuellen Menschen entweder im frühen Kindesalter ohne Einwilligungsfähigkeit - oder Erwachsenen ohne Aufklärung über Folgen - auf operativ-medikamentösem Weg ein eindeutiges Geschlecht "zuzuweisen". Dies wird als fundamentaler Verstoß gegen die Menschenrechte (Recht auf körperliche Unversehrtheit, auf Selbstbestimmung und Würde und auf Nicht-Diskriminierung) gewertet, da solche Maßnahmen in den allermeisten Fällen aus medizinisch-gesundheitlicher Sicht keinerlei Begründung haben."

2011 beschäftigt sich der Deutsche Ethikrat als Reaktion auf mehrere Rügen durch UN-Menschenrechtsausschüsse im Auftrag der Bundesregierung mit kosmetischen Genitaloperationen an "Inters*xuellen" und bekräftigte in einer "ersten Einschätzung":

"Ein zentraler Punkt ist das Recht der Betroffenen auf körperliche Unversehrtheit. Hier scheint es einen Konsens darüber zu geben, dass irreversible medizinische Eingriffe zur Geschlechtszuweisung so lange wie möglich hinausgeschoben werden müssen."

Trotzdem halten die Mediziner wider besseres Wissen unbeirrt an diesen menschenrechtswidrigen Praktiken fest - auch in Tübingen.


Verhängnisvoller Druck auf die Eltern zu irreversiblen OPs

Nach wie vor setzen Ärzte Eltern unter Druck zu einem möglichst raschen Entscheid - obwohl kein medizinischer Notfall vorliegt, die Operationen irreversibel sind und es für die betroffenen Kinder um eine existenzielle Angelegenheit geht:

"Wir Eltern wurden von den Ärzten massiv unter Druck gesetzt, das Kind geschlechtsbestimmend operieren zu lassen, obwohl es vollkommen gesund war und keine Beschwerden hatte. Nicht zu operieren, wäre für das Kind ein gesellschaftliches Desaster, lautete die Begründung. Die Rede war zuerst von einem Mädchen. 'Aber wir machen auch einen Bub, wenn Sie das lieber wollen', bot uns die Ärztin an." (Eine Mutter über eine "Netzwerk DSD"-Endokrinologin)

Viele Eltern, die sich von den Ärzten überrumpeln ließen, bereuen dies später und beklagen sich darüber, dass sie nicht umfassend informiert wurden, und dass ihnen keine oder wenig Unterstützung für alternative Überlegungen geboten wurden, insbesondere Hinweise auf Kontaktmöglichkeiten zu Betroffenen und Selbsthilfegruppen.


Diskussion über gesetzliches Verbot notwendig

Seit 20 Jahren klagen Betroffene den Ärzten und der Öffentlichkeit ihr Leid. Trotzdem operieren die Mediziner stur weiter - sicher im Wissen, dass sie wegen der Verjährungsfristen und der Traumatisierung der Opfer juristisch kaum belangt werden können.

Während Genitalverstümmelungen in Afrika verurteilt und juristisch bekämpft werden, sind die Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken vor der eigenen Haustüre nach wie vor kein Thema.

Was 99% dieser Kinder erleben mussten, ist verwandt mit s*xuellem Missbrauch, ist verwandt mit Folter, ist verwandt mit Mädchenbeschneidungen in Afrika, ist verwandt mit den medizinischen Experimenten, wie sie im 2. Weltkrieg in KZ's durchgeführt wurden.

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein Verbot von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen sowie "Menschenrechte auch für Zwitter!".

Betroffene sollen später selber darüber entscheiden, ob sie Operationen wollen oder nicht, und wenn ja, welche.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 3. Oktober 2011
Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org
E-Mail: presse_at_zwischengeschlecht.info
Internet: http://zwischengeschlecht.org
Regelmässige Updates: http://zwischengeschlecht.info


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Oktober 2011