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INTERNATIONAL/003: Menschen mit Behinderungen identifizieren Schwachstellen im Katastrophenschutz (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. August 2013

Gesundheit: Schwachstellen im Katastrophenschutz - Menschen mit Behinderungen können Defizite identifizieren

von Lucy Westcott


Bild: © Brice Blondel/Handicap International

Ein behinderter Mann steigt die Stufen zum Wirbelsturmschutzbunker in Mohanagar in Bangladesch hinab
Bild: © Brice Blondel/Handicap International

New York, 27. August (IPS) - Auf den ersten Blick sieht die Nothilfe-Checkliste, die in Haiti nach dem Erdbeben 2010 erstellt wurde, genauso aus wie jede andere. Sie ist in Kategorien wie Wasser, Sanitäres, Hygiene und psychosoziale Unterstützung unterteilt. Doch wer genauer hinsieht, erkennt zugleich, dass das von 'Handicap International' ausgegebene Papier Empfehlungen enthält, die Menschen mit Behinderungen helfen sollen, mit den Folgen der Krise zurechtzukommen.

Barrierefreiheit lautet das Zauberwort. Die Türen der Notunterkünfte müssen demnach 80 Zentimeter breit seien, damit auch Rollstuhlfahrer durchpassen. Ebenso gilt es zu berücksichtigen, dass die Toilettenräume groß genug sind, um die Rollstühle drehen zu können.

In vielen Entwicklungsländern kommt es häufig zu Naturkatastrophen, und Hilfsorganisationen wie 'Handicap International' helfen den Gemeinden bei der Planung von behindertengerechten Präventionsmaßnahmen und Notunterkünften. Nach Angaben der Weltflüchtlingsorganisation UNHCR sind zwischen 2,9 und 4,2 Millionen Menschen der weltweit 42 Millionen Zwangsvertriebenen körperlich oder geistig eingeschränkt.

Viele Menschen mit Behinderung werden in ihren Heimatländern stigmatisiert. Zusammen mit kulturellen Barrieren führt dies zu einer Ausgrenzung der Betroffenen aus den strategischen Katastrophenschutzplanungen, wie Annie Lafrenière von Handicap International im IPS-Gespräch betont. "Behinderte genießen nicht den gleichen Stellenwert wie Nicht-Behinderte."

Arme Länder sind Naturkatastrophen besonders schutzlos ausgeliefert, weil sie weniger gut vorbereitet sind und auch von der Ausstattung her benachteiligt sind. Bei der Versorgung von Katastrophenopfern werden Menschen mit Behinderungen häufig übersehen, weil sie aufgrund schlechter Straßenverhältnisse erst gar nicht zu den Wasser- und Nahrungsmittelausgabestellen durchkommen.


Bessere Ergebnisse durch Inklusion

Lafrenière ist überzeugt, dass katastrophengefährdete Gemeinden ihre Lage deutlich verbessern könnten, wenn sie Menschen mit Behinderungen in ihre Planung einbeziehen, damit sie auf den Planungstreffen einladen und in den Fachkomitees ihr Wissen über Planungsschwachstellen einbringen.

"Immer dann, wenn Menschen mit Behinderungen außen vor gelassen werden, kommt es zu mehr Todes- und Störfällen", unterstreicht auch Fred Doulton von 'UN Enable', das sich für die Rechte von Menschen mit Behinderungen insetzt. "Wenn man die Betroffenen direkt anspricht, kommt man schnell zum Kern des Problems." Das UN-Büro zur Verringerung von Katastrophenrisiken hat in einer kürzlich veröffentlichten Untersuchung Menschen mit Behinderungen nach ihren Erfahrungen im Umgang mit Katastrophen befragt.

In der indonesischen Provinz East Nusa Tenggara (NTT) arbeitet Handicap International mit behinderten Kindern, ihren Eltern und ihren Schulen zusammen, um einen auf die Kinder zugeschnittenen Katastrophenschutz zu ermöglichen. Die Region wird häufig von Überschwemmungen, Erdrutschen und Wirbelstürmen heimgesucht. 2012 kam es nach Angaben der indonesischen Katastrophenschutzbehörde BNPB zu 258 Wirbelstürmen. Das waren 28 Mal so viele wie 2002.

Die Dörfer in der gebirgigen NTT-Provinz liegen häufig in den Tälern in der Nähe von Flüssen, wo die Gefahr von Überschwemmungsrisiken hoch ist. Oder aber die Menschen leben in den Hügelregionen, in denen Landwirtschaft noch möglich ist, aber Erdrutsche lauern.


Kinder als Strategen

Die Kinder, vor allem die Dritt- bis Fünftklässler, informieren andere Heranwachsende über die Gefahren in der Region. Sie werden hinzugezogen, wenn es gilt, Risiken zu identifizieren oder abzuschätzen. Behinderte und nicht behinderte Schüler entwickeln zudem wirksame Evakuierungsstrategien und nehmen an Rettungsübungen teil.

"Für Kinder mit Behinderungen besteht das Hauptproblem in der Einschränkung ihrer Bewegungsmöglichkeiten", erläutert Mathieu Dewerse von Handicap International in Indonesien/Osttimor. "Wenn Felsen und Steine nach einem Erdrutsch die Straße blockieren, ist es gerade für Kinder mit Krücken sehr schwer, die Hindernisse zu bewältigen."

Für sensorisch beeinträchtigte Kinder sind alternative Formen des Katastrophenalarms entscheidend. Die indonesischen Gemeinden haben ein Flaggensystem eingeführt, das gehörlose Kinder auf mögliche Gefahren hinweist. Zudem wurden Freunde und Angehörige instruiert, diese Kinder im Notfall in Sicherheit zu bringen. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.handicap-international.us/
http://www.un.org/disabilities/
http://www.unisdr.org/
http://www.surveymonkey.com/s/XJFJD96
http://www.ipsnews.net/2013/08/when-disaster-and-disability-converge-part-one/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 27. August 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. August 2013