Schattenblick →INFOPOOL →PANNWITZBLICK → FAKTEN

INTERNATIONAL/002: Burkina Faso - Öffentlicher Dienst bremst behinderte Bewerber aus, Gesetz greift nicht (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. August 2011

Burkina Faso: Öffentlicher Dienst bremst behinderte Bewerber aus - Gesetz greift nicht

Von Brahima Ouédraogo


Ouagadougou, 23. August (IPS) - In Burkina Faso werden behinderte Menschen bei Bewerbungen im öffentlichen Dienst trotz einer gesetzlich vorgeschriebenen Beschäftigungsquote ausgegrenzt. Das Gesetz zum Schutz und zur Förderung Behinderter war im April 2010 verabschiedet worden. In dem westafrikanischen Land, in dem mehr als 70 Prozent der knapp 16,8 Millionen Burkiner unterhalb der Armutsgrenze leben, leiden mehr als 168.000 Menschen an einem Handicap.

"Es fehlt der politische Wille, den Gesetzestext in die Praxis umzusetzen", erklärte Ousséni Badini von der Nichtregierungsorganisation 'Handicap International'. Er kommentierte den Fall des Lehrers Issa Sawadogo, der seit seinem 6. Lebensjahr an den Folgen der Kinderlähmung leidet und drei Jahre lang in der Hauptstadt Ouagadougou an einer privaten Grundschule unterrichtet hatte.

Um sich beruflich zu verbessern, bewarb sich der 27-jährige Familienvater im vergangenen Jahr um die Übernahme als Lehrer an einer staatlichen Schule. Er bestand die Zulassungsprüfung und sollte eine Stelle in Ouagadougou erhalten. Doch das für den öffentlichen Dienst zuständige Ministerium widerrief die Zulassung mit der Begründung, Sawadogo könne wegen seiner Behinderung keinen Sportunterricht erteilen. Nach etlichen Beschwerden stellte das Ministerium Sawadogo schließlich als Bürokraft ein.

Auch Dieudonné Kaboré klagt über bürokratische Schikanen. Er wollte 2007 an der Zulassungsprüfung für eine Ausbildung als Grundschullehrer teilnehmen, wurde jedoch von dem Test ausgeschlossen. "Ich war der 37. unter 350 zugelassenen Bewerbern, wurde aber wegen meiner Behinderung abgewiesen", berichtete er. Kaborés Beschwerden blieben erfolglos. "Seitdem gibt es für mich keine Hoffnung mehr, meine Aussichten auf eine bessere Zukunft sind düster", sagte der 35-Jährige.

Auf dem Papier sichert Burkinas neues Behindertengesetz jedem ausreichend qualifizierten Behinderten eine Stellung im öffentlichen Dienst oder im Privatsektor zu. "Eine Behinderung darf kein Grund für die Zurückweisung eines Bewerbers sein", heißt es darin. Im Staats- und im öffentlichen Dienst sind Quoten für die Beschäftigung von Behinderten entsprechend ihrer Qualifikation vorgesehen.

Harouna Kafando, der im Auftrag des Sozialministeriums für die Umsetzung des Behindertengesetzes wirbt, räumte ein, in manchen Ministerien habe es diskriminierende Beschäftigungskriterien gegeben. Er sei aber zuversichtlich, dass das Gesetz mit der Zeit die Lebenssituation behinderter Menschen verbessere, betonte der Regierungsbeamte.

'Handicap International' kritisiert die geringe Bezahlung für Behinderte. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation erhalten 78,2 Prozent nicht einmal den garantierten Mindestlohn von umgerechnet rund 68 US-Dollar. 62,8 Prozent der behinderten Burkiner kümmern sich selbst um einen Job als Bauarbeiter oder in der informellen Wirtschaft.


Bettelarm

Dazu meinte Ministeriumssprecher Kafando. "Obgleich viele ein Diplom vorweisen können, sind ihre Aussichten, eine Anstellung zu erhalten, gering. Manchen bleibt nichts anderes übrig als zu betteln", betonte er. Jede Woche werde er von einem Dutzend oder mehr Not leidender Behinderter um eine Geldspende, einen Zuschuss für den Kauf eines Rollstuhls oder um eine Lebensmittelspende gebeten.

"Wenn in Burkina Faso jährlich auch nur ein Prozent gut qualifizierter Behinderter eingestellt wird, erledigt sich das Problem schon bald von selbst, denn ihre Zahl ist gering", erklärte Kafando.

Die letzte Volkszählung von 2006 hatte ergeben, dass 91 Prozent der behinderten Burkiner weder lesen noch schreiben können. Zwei Drittel von ihnen haben keine Schule besucht und 16,5 Prozent weisen den Bildungsstand von Grundschülern auf. Michel Youma, Vorsitzender des Behindertenverbandes der Ostprovinz Gourma, sagte IPS: "Das größte Problem ist die Struktur eines Bildungswesens, die Behinderte nicht integriert."

"Man muss behinderte Menschen durch Aufklärungsarbeit dazu bringen, ihre Rechte einzufordern und zu verteidigen", erklärte der Aktivist Badini. "Sie sollen am politischen Leben teilnehmen, doch man darf sie nicht manipulieren." Seine Organisation bildet derzeit 300 jugendliche Behinderte als Maurer, Automechaniker und Näherinnen aus. Sie werden später in einheimischen Betrieben Arbeit finden.


Links:
http://www.handicap-international.org
http://ipsinternational.org/fr/_note.asp?idnews=6654

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 23. August 2011
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. August 2011