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RAUMFAHRT/928: Absolventin der TU Ilmenau verbringt ein Jahr in simulierter Marsstation (idw)


Technische Universität Ilmenau - 14.08.2015

Absolventin der TU Ilmenau verbringt ein Jahr in simulierter Marsstation


Eine ehemalige Studentin und Doktorandin der TU Ilmenau wird ab Ende August an einer einjährigen Studie teilnehmen, bei der die Lebensbedingungen in einer Marsstation simuliert werden. Als erste deutsche Wissenschaftlerin wird Christiane Heinicke an der Hawaii Space Exploration Analog and Simulation (HI-SEAS)-Mission teilnehmen, die von der University of Hawaii durchgeführt wird. Sie und fünf andere Wissenschaftler werden in einem abgeschiedenen Habitat auf halber Höhe des Vulkans Mauna Loa auf Hawaii leben.


Ziel der NASA-finanzierten Studie ist es, die Faktoren zu bestimmen, die die Gruppendynamik auf zukünftigen Marsmissionen beeinflussen können. Die HI-SEAS-Station gleicht dabei einer wissenschaftlichen Station, wie sie auf dem Mars stehen könnte: Das einzige Fenster des kuppelförmigen Habitats bietet Ausblick auf endlose Weiten trockenen Vulkangesteins. Wollen die Crewmitglieder die solarbetriebene Kuppel von 36 Fuß Durchmesser verlassen, müssen sie einen Raumanzug tragen. Jegliche Kommunikation mit der "Erde" ist wegen der riesigen interplanetaren Entfernungen in jede Richtung um 20 Minuten verzögert - telefonieren ist damit unmöglich.

Je länger eine Mission dauert, umso wichtiger ist es, dass die Teammitglieder zueinander passen. Wie entwickelt sich das Verhalten der Gruppe, wenn sie über einen langen Zeitraum in völliger Isolation auf engstem Raum zusammenlebt? Wie verändert sich die Interaktion zwischen den Mitgliedern? Wer übernimmt welche Rolle? Die Antworten auf diese Fragen sind entscheidend für die richtige Zusammensetzung der Crew und diese wiederum für den Erfolg von Weltraummissionen. Die HI-SEAS-Studie ist mit 365 Tagen eine der längsten Marssimulationen bisher. Die körperlichen und mentalen Anforderungen an die Crewmitglieder sind daher ähnlich hoch wie die an Astronauten. Christiane Heinicke, die im Frühjahr zufällig von der Mission erfuhr, war sofort fasziniert. "Ein solches Projekt ist etwas Außergewöhnliches für einen Wissenschaftler und für das ganze Leben. Mich hat gereizt, mich in mehrerer Hinsicht auf unbekanntes Terrain zu begeben, und so habe ich spontan beschlossen, mich zu bewerben. Ich freue mich sehr, dass es geklappt hat und ich bei der Mission dabei sein darf."

Im Mai schickte sie ihre Bewerbung nach Hawaii. Dann ging alles sehr schnell: "Schon eine Woche später hatte ich ein Skype-Interview mit zwei der Leiterinnen des Projekts", berichtet sie. "Außerdem habe ich mehrere Fragebögen zu persönlichen Einstellungen und mathematische Schnelltests ausgefüllt. Ende Juni wurde ich zu einem einwöchigen Trekking eingeladen, bei dem wir auf gesundheitliche Eignung hin getestet wurden."


Foto: © Sian Proctor

Habitat der HI-SEAS-Mission
Foto: © Sian Proctor

Unter den harten Bedingungen der Rocky Mountains mussten die Bewerber, die die vorangegangenen Tests erfolgreich bestanden hatten, ihre körperliche Leistungsfähigkeit, mentale Belastbarkeit und Teamfähigkeit unter Beweis stellen. So kristallisierte sich Schritt für Schritt die bestmögliche Konstellation der Crewmitglieder heraus, unter ihnen die Ilmenauer Absolventin Dr. Christiane Heinicke. In wenigen Tagen wird sie nach Übersee aufbrechen, wo die Mission am 28.8. Ortszeit Hawaii startet: "Ich freue mich sehr auf das Wiedersehen mit den anderen Crewmitgliedern und die enge Zusammenarbeit mit fünf hochmotivierten Wissenschaftlern", sagt sie. "Ich bin gespannt, welche Herausforderungen auf uns warten und wie wir sie meistern werden. Ich hoffe, dass wir nach einem Jahr mit vielen interessanten Ergebnissen und neuen Erfahrungen zurückkehren - nicht als erbitterte Feinde, sondern als unvergleichliche Freunde!"

Während ihrer zwölf Monate im Habitat wird die Crew permanent überwacht. So werden ihre Bewegungsmuster aufgezeichnet, an einigen Stellen im Habitat gibt es Überwachungskameras und das Team muss regelmäßig Fragebögen ausfüllen. Die Daten sind streng geheim, nur eine Hand voll Wissenschaftler haben Zugang zu ihnen. Neben ihrer Aufgabe als "Labormäuse", wie sich die Forscher selbst schmunzelnd bezeichnen, führt das Team geologische Untersuchungen durch - unter Anleitung von Wissenschaftlern, die auf der "Erde" zurückgeblieben sind. Zusätzlich beschäftigen sich die Crewmitglieder mit ihren eigenen Forschungsprojekten. Christiane Heinicke wird unter anderem versuchen, Wasser aus dem trockenen Boden zu gewinnen. Mit einer Version ihres Versuchsaufbaus kann möglicherweise in Zukunft Wasser für Astronauten auf dem Mars gewonnen werden. Außerdem wird sie den Schlaf der Crewmitglieder untersuchen - Schlafmangel ist bislang eines der größten ungelösten Probleme auf Langzeitmissionen. Wenn es der gut gefüllte Tagesablauf zulässt, wird sie von ihren Erlebnissen in der Marsstation unter http://www.scilogs.de/leben-auf-dem-mars/ bloggen.

Christiane Heinicke hat in Ilmenau Technische Physik im Bachelor studiert, bevor sie für den Master of Science in Geophysik nach Uppsala in Schweden gegangen ist. Von dort ist sie für die Promotion am DFG-Graduiertenkolleg "Lorentzkraft" an die Fakultät für Maschinenbau zurückgekehrt. Für die verständliche Beschreibung ihrer Forschungsarbeiten zur Strömungsmessung mit Hilfe von Magneten wurde sie im Jahr 2013 mit dem renommierten KlarText!-Preis der Klaus Tschira Stiftung ausgezeichnet. Zuletzt war sie in der Ice Mechanics Group von Professor Jukka Tuhkuri an der Aalto University in Finnland beschäftigt, wo sie an numerischen Simulationen von Meereis arbeitete, das zum Beispiel an Leuchttürmen oder Schiffen zerbricht. Auf die Frage, was sie aus ihrer Studien- und Promotionszeit an der TU Ilmenau für ihr Projekt mitnehmen kann, antwortet sie: "Nachdem ich mir im Studium die generellen fachlichen Grundlagen, vor allem mathematisches und physikalisches Handwerkszeug, aneignen konnte, hat mich die Arbeit als Doktorandin in der wissenschaftlichen Arbeitsweise vorangebracht. Wie man ein größeres Projekt erfolgreich bearbeitet, wie man sich in ein Thema einarbeitet, wie man wissenschaftliche Fragestellungen herausarbeitet - das habe ich in Ilmenau gelernt und das war und wird mir immer von großem Nutzen sein."

Die Universität freut sich ihrerseits sehr über die Teilnahme ihrer Alumna an der HI-SEAS-Mission: "Es ist immer schön und macht stolz, von solchen Erfolgen zu hören", so der Rektor, Professor Peter Scharff. "Wir freuen uns sehr, dass aus den Bewerbern der ganzen Welt eine Absolventin der TU Ilmenau für die Mission ausgewählt wurde und wir eine so erfolgreiche Karriere ein Stück begleiten und fördern durften. Ich gratuliere Christiane Heinicke sehr herzlich zu ihrer Aufnahme in die Crew und ich wünsche ihr im Namen der gesamten Universität für dieses außergewöhnliche Projekt viel Erfolg und viele neue Erkenntnisse für künftige Missionen."

Die anderen Mitglieder der HI-SEAS-Crew sind die Kommandantin Carmel Johnston, die Ärztin und Journalistin Sheyna Gifford, der Architekt Tristan Bassingthwaite (alle USA), der Militärpilot Andrzej Stewart (GB und USA) und der Astrobiologe Cyprien Verseux (Frankreich).


Weitere Informationen unter:
http://www.hawaii.edu/news/2015/07/29/six-scientists-to-spend-365-days-in-isolation-for-hi-seas-simulated-mars-trip/

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution97

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Technische Universität Ilmenau, Bettina Wegner, 14.08.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. August 2015

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