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RAUMFAHRT/1019: Eu:CROPIS - Mondgravitation in 600 Kilometern über der Erde (DLR)


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) - 11.04.2019

Eu:CROPIS: Mondgravitation in 600 Kilometern über der Erde


Mit 17,5 Umdrehungen in der Minuten rotiert der Kompaktsatellit Eu:CROPIS des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) nun im All - und erzeugt damit in seinem Inneren eine Schwerkraft, wie sie auf dem Mond herrscht. Nach seinem Start am 3. Dezember 2018 hatten die Ingenieure des DLR den Satellit erfolgreich getestet und kommandiert. Am 5. Dezember wurden dann die Experimente in Betrieb genommen. Da im Januar 2019 das Hochladen einer aktualisierten Software der beiden Gewächshäuser im Inneren des Satelliten für Verzögerungen sorgte, planten die Ingenieure und Wissenschaftler die Reihenfolge der weiteren Experimente um: Nach den Versuchen mit dem Mini-Onboard Computer SCORE und dem Experiment RAMIS zur Strahlungsmessung wurde nun als drittes Experiment "Powercell", ein Missionsbeitrag der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA, unter Mondbedingungen aktiviert. Sobald dieses beendet ist, wird erneut Software für die weitere Aktivierung der Gewächshäuser zum Satelliten hochgeladen.

Künstliche Schwerkraft durch Rotation

"Der Betrieb des Satelliten verläuft bisher reibungslos", erläutert Projektleiter Hartmut Müller vom DLR-Institut für Raumfahrtsysteme. So entfalteten sich nach dem Start wie geplant die Solarpaneele des Satelliten. Ein Foto, das die ausgeklappten Paneele zeigt, wurde von SCORE, dem ersten im DLR entwickelten Onboard-Computer, zur Erde gesandt. Nachdem der Satellit seine Zielhöhe von 600 Kilometern erreicht hatte, versetzten ihn die DLR-Ingenieure in Rotation, um sich der Mondgravitation, dem 0,16-fachen der Erdschwerkraft, anzunähern. "Dies haben wir mittlerweile erreicht, so dass das NASA-Experiment starten konnte." Für das Experiment an der Außenseite des Satelliten werden nun zwei Bakterienarten im All aus ihrem Winterschlaf geholt. Im späteren Verlauf des Experiments sollen die Bakterien biologische Stoffe produzieren, die auch bei einem Aufenthalt auf Mond und Mars produziert werden könnten. Voraussichtlich im Sommer 2019 wird "Powercell" beendet sein.

Technologie für Langzeitmissionen

Im Anschluss daran sollen dann die beiden Gewächshäuser aktiviert werden, in denen Tomatensamen unter Mond- und Marsbedingungen keimen sollen. Die roten Früchte sind dabei der Indikator, dass das auf der Erde bereits erfolgreich getestete geschlossene Lebenserhaltungssystem auch unter reduzierter Schwerkraft funktioniert. Dabei wird künstlicher Urin und Karbonat - diese Stoffe simulieren den atmenden Astronauten und die Abfälle, die er produziert - in dem Biorieselfilter C.R.O.P., in dem Bakterien in Lavagestein leben, in Nährstoff für die Pflanzen umgewandelt. Die einzelligen Algen, Euglena gracilis, die die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) beisteuert, unterstützen das System dabei. Die Mission ist ein erster Schritt, um zu testen, wie biologische Lebenserhaltungssysteme als eine Technologie für die Nahrungsversorgung auf einer Langzeitmission eingesetzt werden können. Erstmals sollen Samen in so großer Entfernung von der Erde zur Keimung gebracht und das Pflanzenwachstum beobachtet werden.

Gewärmt und beleuchtet im Winterschlaf

"Zurzeit testen wir in unseren irdischen Laboren, wie wir die optimierte Software erneut hochladen und das erste Gewächshaus in Betrieb nehmen", sagt der wissenschaftliche Leiter der Mission, Dr. Jens Hauslage vom DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin. Beim planmäßigen Hochladen hatte sich die Experimentanlage im Inneren des Satelliten in einen Sicherheitsmodus versetzt. "Die Gewächshäuser sind sehr komplexe und empfindliche Systeme - selbst ein Schaden durch ungewöhnlich erhöhte Strahlung im Weltall ist nicht vollständig ausgeschlossen", erläutert der wissenschaftliche Leiter. "Stünde das Experiment in unserem Labor auf der Erde, wäre es natürlich einfacher, zu verstehen, was diese Reaktion ausgelöst hat." Für die Tomatensamen, die Bakterien im Biofilter und die Augentierchen bedeutet die geänderte Abfolge der Experimente eine zusätzliche Pause bei komfortablen Bedingungen: Der Drucktank, in dem sich die Gewächshäuser und ihre Passagiere befinden, wird auf rund 17 Grad Celsius geheizt, die Augentierchen, die sich in feuchter Watte im Winterschlaf befinden, werden rund um die Uhr mit dem lebenswichtigen Licht angestrahlt. "In diesem Zustand kann die Biologie des Experiments Eu:CROPIS noch mindestens neun Monate unbeschadet im All auf ihren Einsatz warten."

Das Atmen der Strahlungsgürtel

Daten zur Strahlung messen bereits seit dem 5. Dezember 2018 Strahlungsforscher Dr. Thomas Berger und sein Team vom DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin. Für das Experiment RAMIS sitzen an der Außenseite sowie im Inneren des Satelliten zwei baugleiche Messgeräte, die die kosmische Strahlung erfassen. "Für uns ist die Eu:CROPIS-Mission sehr spannend, da der Satellit über die Pole fliegt und somit durch seinen Orbit nahezu die gesamte Erdoberfläche abdeckt", erläutert der wissenschaftliche Leiter des Experiments, Thomas Berger. "Dies ermöglicht es uns, die Variation der galaktisch kosmischen Strahlung in Abhängigkeit des Orbits und der Abschirmung des Erdmagnetfeldes zu bestimmen."

Gleichzeitig können die DLR-Strahlungsforscher die Strahlungsgürtel der Erde vermessen: Eu:CROPIS fliegt durch die äußeren Strahlungsgürtel, die hauptsächlich von niederenergetischen Elektronen besetzt sind, sowie durch die inneren Strahlungsgürtel (die Südatlantische Anomalie), die vorwiegend von Protonen bevölkert ist. Die genaue Vermessung vor allem der äußeren Strahlungsgürteln ist beispielsweise innerhalb der Internationalen Raumstation ISS nicht möglich - deren Orbit überfliegt nicht diese hohen Breitengrade. Die erfassten Daten sind die Basis für die Bestimmung des Ortes und der Intensität der äußeren Strahlungsgürtel, die vor allem zur Verifikation von Modellen der Strahlungsgürtel verwendet werden können. "Erste Ergebnisse des RAMIS-Detektors an der Außenseite zeigen sehr schön das "Atmen", das heißt die tägliche Variation der Teilchenflüsse der Elektronen der äußeren Strahlungsgürtel, die Größe der Südatlantischen Anomalie und die Änderung der galaktisch kosmischen Strahlung in Abhängigkeit des Orbits des Satelliten."

Der Einsatz der Strahlungssensoren im Inneren des Satelliten wird vor allem dann wichtig, wenn die Gewächshäuser aktiviert sind: Zum einen kann vermessen werden, wie gut die Abschirmung des Satelliten vor Strahlung schützt, zum anderen erhalten die für das geschlossene Lebenserhaltungssystem zuständigen Wissenschaftler Informationen über die Strahlungsdosis, denen die Versuchspflänzchen, die Tomaten, während ihrer Mission ausgesetzt sind.


Die Pressemitteilung mit Bildern finden Sie unter:
https://www.dlr.de/dlr/presse/desktopdefault.aspx/tabid-10172/213_read-33194/#/gallery/33996

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Quelle:
Pressemitteilung vom 11.04.2019
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Unternehmenskommunikation, Linder Höhe, 51147 Köln
http://www.dlr.de/


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. April 2019

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