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LUFTFAHRT/148: Weniger Lärm beim Landeanflug - Anflugverfahren werden getestet (DLR)


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) - 06.09.2010

Weniger Lärm beim Landeanflug - DLR, Air Berlin, DFS und Fraport AG testen Anflugverfahren


Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) wird gemeinsam mit der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG, der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH und der Fraport AG erforschen, wie sich Anfluglärm vermindern oder verteilen lässt. Dafür führen die Partner am 6. September 2010 Flugversuche am Flughafen Braunschweig-Wolfsburg durch. Zwischen 13.45 Uhr und 18 Uhr sowie zwischen 18.30 und 20 Uhr wird ein Flugzeug der Air Berlin verschiedene Anflugverfahren testen. Lärmmessungen werden mit Hilfe mehrerer Messstationen am Boden durchgeführt.

"Die Gemeinden im Großraum des Frankfurter Flughafens sind vom Lärm der anfliegenden Flugzeuge betroffen. Wir freuen uns, gemeinsam mit unseren Kooperationspartnern aktive Beiträge zur Lärmentlastung dieses Gebietes zu erproben. Diese Flüge sind ein hervorragendes Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen einer Forschungseinrichtung wie dem DLR und verschiedenen Industriepartnern", erläutert Prof. Dr. Johann-Dietrich Wörner, Vorstandsvorsitzender des DLR und zugleich Vorstandsmitglied des Forums Flughafen und Region, das von der Hessischen Landesregierung zur Begleitung des Ausbaus des Frankfurter Flughafen eingerichtet wurde.

Das DLR-Institut für Flugführung in Braunschweig arbeitet bei der Planung und Durchführung der Versuche eng mit der Air Berlin zusammen. "Für diese Testflüge stellt Air Berlin eine Boeing 737-700 NG zur Verfügung, wie schon im Jahr 2009. Unsere Wissenschaftler erproben dabei zwei Varianten zum Lärmschutz: Zum einen geht es um das Verlagern von Lärm und zum anderen um das Vermeiden", erklärt Prof. Dr. Dirk Kügler, Direktor des Instituts für Flugführung beim DLR.


Lärmverlagerung durch Umfliegen der betroffenen Ortschaften

Eine vergleichsweise einfache Möglichkeit, den Fluglärm zu verlagern und von Siedlungsgebieten fernzuhalten, besteht darin, diese einfach zu umfliegen. Moderne Flugzeuge, wie das bei diesen Versuchen eingesetzte Boeing-Modell, aber auch aktuelle Airbus-Modelle verfügen über sogenannte Flächennavigations-Fähigkeiten (Aerial Navigation - RNAV): Sie können unabhängig von Funknavigationsanlagen am Boden mit Hilfe des Global Positioning Systems (GPS) navigieren. Hierdurch lassen sich nahezu beliebig geformte Anflüge realisieren. In Bezug auf den Frankfurter Flughafen bedeutet das, dass Flugzeuge in Zukunft zu bestimmten Verkehrszeiten in einem Bogen südlich um Offenbach herumfliegen und damit den Lärmpegel senken könnten. Der tägliche Verkehr lässt es nicht zu, dieses im Rahmen des Frankfurter Forums Flughafen und Region entwickelte Anflugverfahren vor Ort zu testen. Deshalb wurde die Anflugroute auf den Braunschweiger Flughafen übertragen. Die Messergebnisse sollen Hinweise liefern, welche Gebiete in welchem Maße entlastet werden könnten.


Extreme Winkel für einen späteren Sinkflug

Bei den Versuchen zur Lärmvermeidung beginnt das Flugzeug erst später mit dem Sinkflug und verursacht so am Boden erst später Lärm. Das späte Einleiten des Sinkflugs wird ermöglicht, indem man die Sinkflüge steiler gestaltet: Der Anflugwinkel des Flugzeugs zum Boden wird erhöht. "Der Anflugwinkel beträgt üblicherweise 3 Grad", erläutert Prof. Kügler. "In diesen Flugversuchen erproben wir mit unseren Partnern unterschiedliche Anflugwinkel: Die Fraport AG lässt Anflugwinkel von 3 und 3,2 Grad testen, um einen Vergleich zu haben - ein Anflugwinkel von 3,2 Grad ließe sich mit heutigen Flugzeugen realisieren. Das DLR überprüft zusätzlich steilere Anflugwinkel und will dadurch mehr über deren Auswirkungen auf die Maschine, die Umwelt sowie die Arbeitsbelastung der Crew herausfinden", sagte Kügler weiter.

Bei allen Anflügen kommt das satellitengestützte Ground Based Augmentation System (GBAS) zum Einsatz. Grundlage von GBAS ist GPS, bei dem Satellitensignale die genaue Ortsbestimmung eines GPS-Empfängers - in diesem Fall des Flugzeugs - ermöglichen. Ein System am Boden verbessert bei GBAS die Genauigkeit der GPS-Ortung auf weniger als einen Meter. Hierdurch müssen die Piloten den Flughafen nicht mehr in einem frühen Stadium der Landung in einer geraden Linie anfliegen, sondern können dank hochpräziser 3D-Wegpunkte davon abweichen. Das DLR verfügt am Flughafen Braunschweig-Wolfsburg über eines der wenigen GBAS-Systeme in Europa. Mit GBAS kann der Pilot aus verschiedenen Anflugwinkeln auswählen und kann besonders steile oder gekrümmte Anflugrouten fliegen.

Die Boeing 737-700 wird circa 13 Anflüge durchführen. Die Wissenschaftler zeichnen während des Fluges verschiedene Daten wie beispielsweise die sogenannte Flugspur auf. Damit lassen sich Aussagen über die Genauigkeit treffen, mit der solche Verfahren geflogen werden können. Am Boden befindet sich eine Reihe von Messstationen, die den Lärmpegel messen und eine mögliche Lärmminderungen aufzeigen.


Weitere Messungen am 7. September

Am 7. September 2010 wird das DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik in Kooperation mit Air Berlin und dem DLR-Institut für Flugführung von 9 bis 11 Uhr weitere Flugversuche am Forschungsflughafen Braunschweig-Wolfsburg durchführen. Die Wissenschaftler wollen mit diesen Versuchen einzelne Schallquellen und ihren jeweiligen Beitrag zum gesamten Geräusch identifizieren. Auf Basis dieser Ergebnisse können sie Maßnahmen definieren, die das Überfluggeräusch von Verkehrsflugzeugen vermindern könnten, sowie die Schallerzeugung zukünftiger Verkehrsflugzeuge genauer vorhersagen. Bei den Messflügen werden circa zehn simulierte Landeanflüge mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten sowie Landeklappen- und Fahrwerksstellungen geflogen. Ein Bodenmikrofonsystem des DLR zeichnet den Lärmpegel auf.

Vollständiger Artikel mit den Bildern:
http://www.dlr.de/desktopdefault.aspx/tabid-1/9600_read-26371/


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Quelle:
Pressemitteilung vom 06.09.2010
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Unternehmenskommunikation, Linder Höhe, 51147 Köln
http://www.dlr.de/


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. September 2010