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INFORMATIONSTECHNOLOGIE/1294: CiViQ rüstet die Telekommunikationsbranche mit Quantentechnologien auf (idw)


Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik, Heinrich-Hertz-Institut, HHI - 21.11.2018

CiViQ rüstet die Telekommunikationsbranche mit Quantentechnologien auf


Das Projekt CiViQ ist Teil der europäischen Quanten-Flaggschiff-Initiative. Ziel ist die Entwicklung von Quantenkryptographie, die auf einfache Weise in bestehende Telekommunikationsnetzwerke integriert werden kann. So können Teilnehmer Verbindungen aufbauen, die prinzipiell nicht unentdeckt abhörbar sind. Das Konsortium besteht aus 21 Partnern aus neun Ländern, die die gesamte Wertschöpfungskette der Quantenkryptographie abdecken. Das Fraunhofer HHI entwickelt in CiViQ einen Quantenkryptographie-Empfänger. Bereits heute berührt etwa jedes zweite im Internet transportierte Bit klassische Empfängertechnologie des Fraunhofer HHI, die die Basis für diese Quanten-Entwicklung ist.

In mehr als 200 Jahren hat die Welt vier große industrielle Revolutionen erlebt. Während die erste Dampfkraft für mechanisierte Produktion einführte, basierte die zweite auf Stromenergie und trieb die Massenproduktion an, die dritte nutzte Elektronik und Computer für die Automatisierung der Produktion, und schließlich veränderte die vierte mittels digitaler Technologien radikal unsere Art der Interaktion und Kommunikation, unsere Arbeits- und Lebensweise und sogar die Art, wie wir die heutige Welt erleben. Diese vierte Revolution bringt eine neue Art des Teilens von Informationen, die mit riesiger und exponentiell inkrementeller Datenerzeugung und -speicherung sowie Datenverkehr in globalem Ausmaß einhergeht. In den meisten Fällen werden diese Daten von schnell wachsenden Technologien generiert, wie zum Beispiel dem Internet der Dinge, Big Data, Virtual Reality, autonomen Fahrzeugen und anderen Anwendungen künstlicher Intelligenz. Viele dieser Informationen, z.B. solche aus den Bereichen Gesundheit, Finanzen oder sogar sicherheitsrelevanter Kommunikation, gelten als extrem vertraulich und müssen mit Protokollen und Verfahren gehandhabt werden, die ein Höchstmaß an Sicherheit garantieren.

Die derzeit genutzte Kryptographie gerät mit dem Aufkommen von Quantencomputern in Gefahr. Sie werden sofort die meisten Verschlüsselungsmethoden aufbrechen, die derzeit als sicher gelten und in großem Umfang genutzt werden. Entsprechende quantenbasierte Protokolle und Systeme bieten jedoch zusätzliche Methoden, die jetzt und in Zukunft verhindern, dass damit verschlüsselte Nachrichten von egal welchem Computer entschlüsselt werden können. Aus diesem Grund soll die "klassische" Kryptographie um "Quantenkryptographie"-basierte Protokolle erweitert werden, deren Fundament die Quantenmechanik darstellt. Damit fügt man der bestehenden übergreifenden Sicherheitsschutzarchitektur der Kommunikationsinfrastrukturen eine zusätzliche zukunftssichere physikalische/Hardware-Ebene hinzu. Quantum Key Distribution (QKD) ist das am häufigsten genutzte Quantenkryptographie-Protokoll. Seit seiner Einführung in den späten 80er Jahren hat es außerordentliche Fortschritte gemacht. Trotzdem wird sein Potential für Anwendungen im Bereich Cybersicherheit noch nicht vollständig genutzt. Deshalb bestehen immer noch beträchtliche Herausforderungen, insbesondere weil die derzeit für bestimmte Sicherheitsdienste verwendeten QKD-Systeme oftmals teuer bzw. wenig flexibel sind und nicht nahtlos mit bestehenden Kommunikationsnetzwerken zusammenarbeiten können.

Das neue europäische Projekt CiViQ (Continuous Variable Quantum Communications) konzentriert sich auf die Lösung dieser Probleme. Ausgewählt als eines der 20 Projekte für den Start des Quantum Flagship (eine ambitionierte 1 Milliarde Euro Initiative, unterstützt von der Europäischen Kommission für die nächsten 10 Jahre), zielt CiViQ darauf ab, flexible und kostengünstige QKD-Systeme zu entwickeln, die problemlos in zukünftige Telekommunikationsinfrastrukturen integriert werden können. CiViQ wird auch neue Quantenkryptographie-Systeme und -Protokolle hervorbringen mit dem grundsätzlichen Ziel, Privatpersonen, Industrie und Institutionen leicht zugängliche und innovative Dienste anbieten zu können und damit den Bedürfnissen eines sicheren Telekommunikationsmarktes gerecht zu werden.

Projektkoordinator Valerio Pruneri, ICREA Professor am ICFO, sagt dazu: "In den nächsten drei Jahren wird CiViQ eine Technologie entwickeln, die spezifische Netzwerk-Sicherheitsanforderungen erfüllt. Ein Endnutzer-freundlicher Ansatz in Verbindung mit flexibler Integration in Telekommunikationsnetzwerke ist die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Akzeptanz seitens der Kryptographie- und Cybersicherheit-Märkte."

Um dies zu erreichen, vereint das Projekt ein Konsortium von 21 Partnern, das die gesamte Supply Chain des QKD abdeckt: akademische Forschungsgruppen, Komponentenhersteller, Industrieausrüster und Telekommunikationsnetzwerk-Betreiber bzw. -Endnutzer. Fünf Forschungseinrichtungen, sechs Universitäten, zwei KMUs und acht große Unternehmen werden mit ihrer Forschungsarbeit u.a. in den Bereichen Quantenprotokoll-Design und Sicherheitsanalyse, Zertifizierung, integrierte Photonik sowie System- und Netzwerkentwicklung zum Erfolg beitragen. Die Partner werden ihre Expertise mit dem Ziel zusammenbringen, quantenerweiterte Sicherheitsdienste zu fördern und die Entwicklung neuer kommerzieller Anwendungen voran zu treiben, um damit die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der Quantentechnologie zu stärken.

Das Fraunhofer HHI hat langjährige Erfahrung im Bereich optischer Kommunikationstechnologie, die für die Quantentechnologie zur Anwendung kommt. Zum Beispiel werden die Technologien des Fraunhofer HHI in großem Umfang in optischen Kommunikationsnetzen eingesetzt. Speziell der Mach-Zehnder IQ Modulator und der kohärente Empfänger sind Bauteile von transatlantischen und transpazifischen Übertragungsstrecken, so dass etwa jedes zweite Bit, welches einer dieser Übertragungsstrecken passiert, eine Technologie des Fraunhofer HHI berührt.


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik, Heinrich-Hertz-Institut, HHI, 21.11.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. November 2018

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