Schattenblick →INFOPOOL →NATURWISSENSCHAFTEN → TECHNIK

GESCHICHTE/028: Arthur Simons apparative Erfindungen (TU Dresden)


Dresdner UniversitätsJournal Nr. 1 vom 20. Januar 2009

Arthur Simons apparative Erfindungen
Wissenschaftler als Namensgeber in der Geschichte der TU Dresden (28)

Von Wladimir Reschetilowski


Johann Peter Caspar Arthur Simon wurde am 25. Februar 1893 in Barmen/Wuppertal in einer Kaufmannsfamilie geboren. Der wissbegierige und vielseitig interessierte Oberrealschüler Arthur Simon war wie viele seiner Zeitgenossen dem aufkommenden Chemieboom am Anfang des 20. Jahrhunderts erlegen und begann sein Chemiestudium an der Münchener Universität, das er jedoch durch den Ersten Weltkrieg und eine schwere Verwundung unterbrechen musste. Erst 1920 konnte er sein Studium, nunmehr an der Universität Göttingen, fortsetzen und schloss es 1922 mit einer Dissertation zu chemisch-analytischen Arbeiten über Antimonsäuren ab. Es folgten Assistentenjahre in Göttingen, Clausthal und Stuttgart, wo er sich 1927 mit einer Arbeit über Bleioxide und Bleihydroxide habilitierte und 1929 zum außerordentlichen Professor berufen wurde. Anfang 1932 nahm Arthur Simon einen Ruf auf den Lehrstuhl für Anorganische und Anorganisch-technische Chemie an der damaligen Technischen Hochschule Dresden als Nachfolger von Fritz Foerster (1866-1931) an. Hier wirkte er fast drei Jahrzehnte bis zu seiner aus gesundheitlichen Gründen am 31. August 1960 erfolgten Emeritierung.

Mit dem Namen Arthur Simon sind einige seiner apparativen Erfindungen und eine quantitative Analysenmethode verbunden. All diese Arbeiten stammen zwar aus seiner Stuttgarter Zeit, wurden jedoch während seiner Dresdner Schaffensperiode ständig vervollkommnet und ausgefeilt.

Im Jahre 1925 entwickelte Simon mit einem Diplomingenieur namens Walter Müller - an der Staatlichen Porzellanmanufaktur Berlin tätig - einen elektrischen Tiegel-Widerstandsofen, der dann von genanntem Unternehmen in beachtlicher Stückzahl bis in die 40er Jahre des vorigen Jahrhunderts gebaut wurde und den Namen Simon-Müller-Ofen trug.

Bei Simons damaligen Arbeiten über Oxidhydrate und Oxide machte es sich notwendig, evakuierte Glas-, Quarz- und Porzellangefäße von 100 °C auf 1300 °C zu heizen. Alle damals vorhandenen Heizöfen versagten bei Temperaturen über 1000 °C. Es bestand also das Bedürfnis nach einem preiswerten, "leicht selbst auswechselbaren und zu reparierendem" Heizofen.

Der Ofen selbst setzte sich aus drei Hauptteilen zusammen: dem eigentlichen Heizkörper, dem Heizkörperfuß und dem Schamottemantel. Der Heizkörper wurde aus einem Spezialhartporzellan in der Tiegelform verfertigt, das eben den Vorteil brachte, bei 1300 °C nicht, wie früher Schamotte und ähnliche Massen, leitfähig (durch Aufschmelzung des Drahtes) zu werden und zu schmelzen. Als Heizdraht fungierten Konstantan-, Platin- oder Chrom-Nickel-Draht. Für Temperaturen bis 1900°C entwickelten Simon und Müller Sonder-Hartporzellane, die erst bei 1900°C schmelzen, als Heizdrähte solche aus Molybdän und Wolfram.

Im Zusammenhang mit diesen Arbeiten wurde von Simon und Mitarbeitern zur langfristigen Konstanthaltung von Temperaturen in den Simon-Müller-Öfen ein Temperaturregler entwickelt, der unabhängig von Schwankungen des Barometerstandes und der Zimmertemperatur mit einer Temperaturkonstanz um weniger als ±1° arbeitete. Dieser Regler erfuhr später in Dresden einige Verbesserungen, ausführlich beschrieben 1946 von Richard Schrader (1915-2003) in seiner Diplomarbeit, und - als Simon-Temperaturregler genannt - ohne weiteres für alle elektrischen Öfen verwendet werden konnte.

Eine weitere Erfindung - 1927 patentiert - war die Entwicklung eines "[...] neuen, einfachen, automatischen Kryostaten", der unter dem Namen "Simon-Kryostat" in den Handel kam. Simon erhielt dafür im gleichen Jahr den "Alexander-Gutbier-Preis". Kryostaten sind Geräte zur automatischen Einstellung tiefer Temperaturen mittels Kältemaschinen. Eine derartige Methode, beliebig tiefe Temperaturen zu erzeugen, beruht darauf, verflüssigte Gase unter verschieden starkem Druck sieden zu lassen.

Dieses Prinzip ist von Kamerlingh-Onnes (1853-1926), dem Begründer des weltberühmten Kältelabors (1894) in Leiden, technisch hoch entwickelt worden. Seine Anordnung hatte jedoch den Nachteil, dass sehr kostspielige Pumpen angebracht werden mussten, um die aus den siedenden Flüssigkeiten sich ständig entwickelnden Dämpfe abzusaugen und somit den Gasdruck auf stets gleicher Höhe zu halten. Diese Schwierigkeit überwand Simon auf einfache und dennoch geniale Art und Weise, indem er durch Einführung eines Steigrohrs, welches in Verbindung mit einem Niveaurohr steht, Druckschwankungen der Pumpen ausschalten konnte, was den Einsatz jeder beliebigen Wasserstrahl- oder sonstigen Pumpe ermöglichte.

Simons Entwicklung dieser Apparate zeugt neben seinem chemischen, lexikalisch zu nennenden Wissen auch von einer besonderen technischen Begabung, die ihm stets half, Probleme der Grundlagenforschung mit denen der Praxis zu verbinden.

Dieser Handlungsweise Simons entsprang auch ein neues, in die Literatur als Simon-Neth-Methode eingegangenes Verfahren zur quantitativen Antimonbestimmung, die hohe Ansprüche an exaktes, sauberes Arbeiten verlangte und im studentischen Praktikum gefürchtet war. Bei diesem Analyseverfahren handelt es sich um eine gravimetrische Methode. Das Antimon wird als Sulfid gefällt, in einen Platin-Tiegel überführt und in einem Exikkator, der Brom und rauchende Salpetersäure enthält, 24 Stunden belassen und anschließend bei 850°C in einem Muffelofen geglüht und als Antimontetroxid ausgewogen.

Simons Vielseitigkeit und Ideenreichtum prägten sein wissenschaftliches Schaffen auch auf anderen scheinbar heterogenen Arbeitsgebieten, die jedoch eng miteinander verflochten waren. So benutzte er als erster Chemiker in Deutschland die 1928 entwickelte Raman-Spektroskopie, ein optisches Hilfsmittel, mit dem zunächst die Physiker an der Strukturaufklärung von Molekülen arbeiteten. An seinem Dresdner Institut baute Simon eine der am besten eingerichteten molekularspektroskopischen Abteilungen an einer deutschen Hochschule auf. Da der umfassende Einsatz der Raman-Spektroskopie immer leistungsfähigere Apparaturen verlangte, sind unter seiner Leitung Quecksilberbrenner, Filteranordnungen verschiedenster Art, Raman-Lampen, wie z. B. Einrichtungen zur Aufnahme pulverförmiger Substanzen, und andere Zusatzgeräte entwickelt und gebaut worden.

Sein auf verschiedenen Gebieten so erfolgreiches Schaffen brachte Arthur Simon schon zu Lebzeiten vielfältige Ehrungen und Anerkennung. Er starb nach einem schweren und langen Leiden viel zu früh am 5. Mai 1963 in Dresden.


*


Quelle:
Dresdner UniversitätsJournal, 20. Jg., Nr. 1 vom 20.01.2009, S. 10
Herausgeber: Der Rektor der Technischen Universität Dresden
Nöthnitzer Str. 43, 01187 Dresden
Telefon: 0351/463-328 82
Telefax: 0351/463-371 65
E-Mail: uj@tu-dresden.de
Internet: www.tu-dresden.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2009