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ELEKTROTECHNIK/192: AC/DC für Terahertzwellen - Gleichrichtung im Pikosekundentakt (idw)


Forschungsverbund Berlin e.V. - 14.04.2014

AC/DC für Terahertzwellen - Gleichrichtung im Pikosekundentakt



Forscher am Max-Born-Institut in Berlin haben einen ultraschnellen Gleichrichter für Terahertz-Strahlung entdeckt. In den Einheitszellen eines Lithiumniobat-Kristalls werden Wechselströme mit einer 1000-fach höheren Frequenz als in modernen Computersystemen in Gleichstrom verwandelt, wobei gleichzeitig auch eine Serie von Oberwellen der Terahertz-Strahlung entsteht.

Bild: © MBI

Abb. 1: Experiment: Das hohe elektrische Feld eines Terahertz-Impulses beschleunigt die Elektronen in einem Lithiumniobat (LiNbO3) Kristall. Die hexagonale Einheitszelle enthält Lithium-Atome (grüne Kugeln), Niob-Atome (blaue Kugeln), und Sauerstoffatome (rote Kugeln), welche auf den Ecken eines Oktaeders um die Niob-Atome angeordnet sind. Der Kristall besitzt keine Inversionssymmetrie und daher eine ferroelektrische Polarisation entlang der c-Achse.
Bild: © MBI

Wenn der Rockgitarrist Angus Young der australischen Band AC/DC die Saiten seiner elektrischen Gitarre zupft, entsteht ein stark verzerrter rockiger Klang im Lautsprecher. Ursache für die elektronisch erzeugten Obertöne ist der Gleichrichtereffekt in den Elektronenröhren des Gitarrenverstärkers. Im einfachsten Fall entsteht aus einem Wechselstrom [(A)lternating (C)urrent] ein Gleichstrom [(D)irect (C)urrent], ein Effekt, der in der Telekommunikation bei viel höheren Radio- oder Handyfrequenzen technische Anwendung findet. Physikalisch hochinteressant ist die Frage, bis zu welchen Grenzfrequenzen man überhaupt gerichtete Gleichströme in Festkörpermaterialien erzeugen kann und welche Mechanismen dahinterstecken.

Für die Erzeugung von Gleich- aus Wechselströmen muss das verwendete Material eine Vorzugsrichtung aufweisen. Diese Bedingung erfüllen ferroelektrische Kristalle, in denen die räumliche Trennung von positiven und negativen Ionen mit einer elektrischen Polarisation verbunden ist. Die meisten Ferroelektrika sind elektrische Isolatoren, d.h. bei kleinen von außen angelegten elektrischen Feldern fließt nahezu kein elektrischer Strom durch sie. Dieses Verhalten ändert sich drastisch, wenn man für kurze Zeit ein sehr starkes elektrisches Feld im Bereich von mehreren 100.000 Volt pro Zentimeter anlegt. Bei solchen Feldstärken können gebundene Elektronen, sog. Valenzelektronen, mittels eines quantenmechanischen Tunnelprozesses für kurze Zeit frei beweglich gemacht werden und deshalb zu einem Strom durch den Kristall führen.

Die Eigenschaften eines derartigen Stroms wurden erstmals von Forschern am Max-Born-Institut in Berlin untersucht, worüber sie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Physical Review Letters 112.146602 berichten. In Form ultrakurzer intensiver Terahertzimpulse (1 Terahertz = 1012 Hz, Dauer einer Feldschwingung 1 Pikosekunde=10(hoch)-12 Sekunden) wurde ein Wechsel-(AC)-Feld an einen dünnen Kristall aus Lithiumniobat (LiNbO3) angelegt, das einen elektrischen Strom im Material erzeugt. Die Eigenschaften dieses Stroms wurden bestimmt, indem das von ihm abgestrahlte Feld gemessen und analysiert wurde. Die Forscher sahen neben einem oszillierenden Strom, der die Frequenz des angelegten Terahertz-Feldes (2 THz) und vielfache davon aufwies, auch die Signatur eines gleichgerichteten (DC) Stroms entlang der ferroelektrischen Vorzugsrichtung des LiNbO3-Kristalls.

Bild: © MBI

Abb. 2: Beim Transport von Elektronen entlang der c-Achse müssen diese alternierend unterschiedliche Abstände zwischen Lithium und Niob-Atomen überwinden. Die Niob-Atome ihrerseits sind nicht im Zentrum der Sauerstoff-Oktaeder. Beides führt zu asymmetrischen Barrieren (siehe Movie), die die Elektronen nur mittels des quantenmecheanischen Tunnelprozesses überwinden können. Sehr hohe elektrische Wechselfelder (AC) treiben die Elektronen durch die Tunnelbarrieren. Die Asymmetrie der Barrieren zusammen mit Dekohärenz führen zu in einem räumlich asymmetrischen Transport, d.h. auf einer Sub-Nanometer-Längenskala bewirkt das Terahertz-Feld einen Gleichstrom (DC) im LiNbO3-Kristall.
Bild: © MBI

Der gleichgerichtete Strom entlang der ferroelektrischen Achse hat seinen Ursprung im Zusammenspiel von quantenmechanischem Tunneln zwischen dem Valenz- und verschiedenen Leitungsbändern des LiNbO3-Kristalls und der Abbremsung der Elektronen durch Reibungsprozesse. Der Tunnelprozess erzeugt frei bewegliche Elektronen, die ohne Reibung im Takt des angelegten Terahertzfeldes räumlich und zeitlich schwingen würden. Durch Reibung wird diese Schwingungsbewegung zerstört, ein als Dekohärenz bezeichneter Prozess. Da die Tunnelbarriere des LiNbO3 entlang der ferroelektrischen Achse asymmetrisch ist, resultiert Dekohärenz in einem räumlich asymmetrischen Transport, d.h. die Tunnelbarriere lässt mehr Elektronen von rechts nach links als in umgekehrter Richtung durch. Dieser Mechanismus ist innerhalb einer Einheitszelle des Kristalls, d.h. auf einer Sub-Nanometer-Längenskala wirksam und bewirkt die Gleichrichtung des Terahertz-Feldes. Der Effekt lässt sich auch bei noch höheren Frequenzen ausnutzen, wodurch sich interessante Anwendungsmöglichkeiten in der Höchstfrequenzelektronik ergeben.

Originalveröffentlichung:
C. Somma, K. Reimann, C. Flytzanis, T. Elsaesser, und M. Woerner:
High-Field Terahertz Bulk Photovoltaic Effect in Lithium Niobate.
Physical Review Letters 112.146602/2014


Das Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI) gehört zum Forschungsverbund Berlin e.V. (FVB), einem Zusammenschluss von acht natur-, lebens- und umweltwissenschaftlichen Instituten in Berlin. In ihnen arbeiten mehr als 1.500 Mitarbeiter. Die vielfach ausgezeichneten Einrichtungen sind Mitglieder der Leibniz-Gemeinschaft. Entstanden ist der Forschungsverbund 1992 in einer einzigartigen historischen Situation aus der ehemaligen Akademie der Wissenschaften der DDR.

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Forschungsverbund Berlin e.V., Karl-Heinz Karisch, 14.04.2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. April 2014