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MELDUNG/772: Helmholtz-Preis für revolutionäre Messungen in der Quantenwelt (idw)


Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) - 07.03.2018

Helmholtz-Preis für revolutionäre Messungen in der Quantenwelt

Preisträger schaffen Verständnis für physikalische Gesetze der Quantenwelt und machen sie für Industrie und Forschung nutzbar


Die Preisträger des diesjährigen Helmholtz-Preises stehen fest: Es sind Wissenschaftler, die sich mit ihren physikalischen Präzisionsmessungen in der Quantenwelt bewegen. Dies sind zum einen Doktoranden des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik, die den Radius des Wasserstoffkerns neu ermittelt und damit wichtige Hinweise zur Lösung des vieldiskutierten "proton size puzzle" der Quantenelektrodynamik gegeben haben. Zum anderen erhält eine Forschergruppe der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) die Auszeichnung. Die PTB-Wissenschaftler haben elektrische Quanteneffekte genutzt, um Messverfahren und Geräte zu entwickeln, die kleinste Stromstärken mit bisher unerreichbarer Genauigkeit messen können. In der Wissenschaft vom exakten Messen, der Metrologie, gilt der Helmholtz-Preis als eine der international bedeutendsten Auszeichnungen. In den Kategorien "Grundlagen" und "Anwendungen" ist er mit jeweils 20 000 Euro dotiert. Die Ehrung findet am 17. Mai im Physikzentrum der DPG in Bad Honnef statt.


Das "proton size puzzle"

Dr. Axel Beyer und Lothar Maisenbacher vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik haben mit überaus exakten Messungen einer Übergansfrequenz im Wasserstoffatom wichtige Hinweise zur Lösung des "proton size puzzle" der Quantenelektrodynamik geliefert und erhalten dafür den Helmholtz-Preis 2018 in der Kategorie Grundlagen. Sie wiederholten frühere Messungen mit wesentlich höherer Genauigkeit. Vorausgegangen waren mehrere Jahre Laborarbeit, in denen die Preisträger neue Modelle entwickelt, bislang unberücksichtigte systematische Effekte erforscht und den Versuchsaufbau optimiert hatten. Das Ergebnis: Ihre Messungen an gewöhnlichem Wasserstoff bestätigen die Messungen an myonischem Wasserstoff und bringen damit die Quantenelektrodynamik wieder in Einklang mit den experimentellen Beobachtungen.

Zum Hintergrund: Die Quantenelektrodynamik, kurz QED, beschreibt, wie Materieteilchen, also etwa Atome, mit Licht wechselwirken und gilt als ausgesprochen gut belegt. Zahlreiche Erkenntnisse beruhen auf der genauen Untersuchung des Wasserstoffatoms. Da es aus nur einem Proton und einem Elektron besteht, ist es dasjenige Atom, das sich mathematisch am besten beschreiben lässt. Vor wenigen Jahren jedoch erschütterten Messungen mit myonischem Wasserstoff bisherige Theorien vom Aufbau des Atoms. Myonischer Wasserstoff wird erzeugt, indem das um den Kern kreisende Elektron durch ein Myon ersetzt wird. Dieses ist ebenfalls negativ geladen, aber viel schwerer als ein Elektron. In dem Experiment erschien der Radius des Protons, also des Atomkerns, plötzlich deutlich kleiner als in zuvor durchgeführten Messungen mit regulärem Wasserstoff. Unter Forschern entbrannte eine lebhafte Debatte über dieses "proton size puzzle": Handelt es sich um einen Messfehler? Oder weisen die Ergebnisse gar auf grundsätzliche Verständnislücken in der vermeintlich doch so gut verstandenen Theorie der Quantenelektrodynamik hin? Durch die neuen Erkenntnisse der Helmholtz-Preisträger, die in der Zeitschrift Science veröffentlicht wurden, erhält diese Debatte nun Hinweise die auf einen früheren Messfehler hindeuten.

Industrietaugliche Messung und Erzeugung kleinster elektrischer Stromstärken

Den Helmholtz-Preis 2018 in der Kategorie Anwendung erhält ein Forscherteam der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt: Dr. Dietmar Drung, Dr. Martin Götz, Eckart Pesel und Dr. Hansjörg Scherer. Ihnen ist es an der Schnittstelle zwischen Forschung und praktischer Anwendung gelungen, sowohl Methoden als auch Geräte zu entwickeln, die bahnbrechende Verbesserungen im Bereich der rückgeführten hochgenauen Messung und Erzeugung kleiner elektrischer Stromstärken mit sich bringen.

Konkret handelt es sich um die Entwicklung eines neuartigen Stromverstärkers, des Ultrastable Low-Noise Current Amplifiers, kurz ULCA, und des dazugehörigen Stromkomparators, der die rückgeführte hochgenaue Kalibrierung des ULCA ermöglicht. Die Eigenschaften des ULCA gelten als regelrecht revolutionär: Obwohl klein und transportabel, lassen sich mit ihm Ströme mit überragender Messgenauigkeit erfassen (relative Unsicherheit 10-7 für einen Strom der Stärke 100 pA). Gleichzeitig lässt er sich als Referenzstromquelle für kleine elektrische Ströme in den nationalen Metrologieinstituten - also auf höchstem messtechnischen Niveau - einsetzen.

Die neuen Verfahren und Geräte verbessern und erweitern Kalibrier- und Messmöglichkeiten beispielsweise in der Halbleiterindustrie, der Umweltmesstechnik, bei der DNA-Sequenzierung oder der Quantenkommunikation. In der aktuellen Forschung werden sie an Einzelelektronenschaltungen für die zukünftige quantenbasierte Realisierung der Stromstärkeeinheit Ampere eingesetzt. Lizensiert durch die PTB wird der ULCA bereits von einem deutschen Kleinunternehmen hergestellt. Bisherige Kunden sind nationale Metrologieinstitute in den USA, Asien und Europa sowie deutsche Kalibrierlaboratorien.

Der Helmholtz-Preis

Er wird für hervorragende wissenschaftliche und technologische Forschung auf dem Gebiet "Präzisionsmessung in Physik, Chemie und Medizin" verliehen und zwar in den Kategorien "Grundlagen" und "Anwendungen". Die Preisverleihung findet im Rahmen des Heraeus-Seminars "Fundamental constants: Basic physics and units" (13. bis 18. Mai 2018, Bad Honnef) statt.

Der Helmholtz-Preis 2018 für "Präzisionsmessungen in der Grundlagenforschung" geht an:

Dr. Axel Beyer, Lothar Maisenbacher (beide Max-Planck-Institut für Quantenoptik): Präziseste Messung der Rydbergkonstante in Wasserstoff und wichtige Hinweise zur Lösung des "proton size puzzle"

Die wissenschaftliche Veröffentlichung:
Axel Beyer, Lothar Maisenbacher, Arthur Matveev, Randolf Pohl, Ksenia Khabarova, Alexey Grinin, Tobias Lamour, Dylan C. Yost, Theodor W. Hänsch, Nikolai Kolachevsky, Thomas Udem:
The Rydberg constant and proton size from atomic hydrogen.
Science, 6 October 2017,
DOI:10.1126.science

Der Helmholtz-Preis 2018 für "Präzisionsmessungen in der angewandten Messtechnik" geht an:

Dr. Dietmar Drung, Dr. Martin Götz, Eckart Pesel und Dr. Hansjörg Scherer (alle Physikalisch-Technische Bundesanstalt): Verbesserungen im Bereich der rückgeführten, hochgenauen Messung und Erzeugung kleiner elektrischer Stromstärken


Die wissenschaftliche Veröffentlichung:
Dietmar Drung, Martin Götz, Eckart Pesel, Hansjörg Scherer:
Improving the Traceable Measurement and Generation of Small Direct Currents.
IEEE Transactions on Instrumentation and Measurement, 64 (2015), 3021;
DOI: 10.1109/TIM.2015.2440564



Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution395

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), Imke Frischmuth, 07.03.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. März 2018

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