Schattenblick →INFOPOOL →NATURWISSENSCHAFTEN → PHYSIK

FORSCHUNG/792: Ferromagnetismus plus Supraleitung (idw)


Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf - 12.04.2011

Ferromagnetismus plus Supraleitung

Forscher entdecken seltenes physikalisches Phänomen bei tiefen Temperaturen


Eigentlich scheint es unmöglich: Wie Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) und der TU Dresden am Beispiel einer intermetallischen Verbindung aus Wismut und Nickel nachweisen konnten, verfügen bestimmte Materialien gleichzeitig über die beiden völlig gegensätzlichen Eigenschaften Supraleitung und Ferromagnetismus. Ein Phänomen, das bisher weltweit nur an sehr wenigen Stoffen gezeigt werden konnte und hochinteressante technische Möglichkeiten für die Zukunft bereithalten könnte.

Fast pünktlich zum 100. Geburtstag der Entdeckung der konventionellen Supraleitung am 08. April 1911 durch den niederländischen Physiker Heike Kamerlingh Onnes veröffentlichten Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf und der TU Dresden ihre Forschungsergebnisse im Fachmagazin "Physical Review B". Das Team um Dr. Thomas Herrmannsdörfer vom Institut Hochfeld-Magnetlabor Dresden (HLD) des HZDR untersuchte ein aus den Elementen Wismut und Nickel bestehendes Material (Bi3Ni) - in der bisher einmaligen Größe von nur wenigen Nanometern im Durchmesser. Möglich wurde dies durch ein neues chemisches Syntheseverfahren bei niedrigen Temperaturen, das an der TU Dresden unter Leitung von Prof. Michael Ruck entwickelt wurde. Die nanoskalige Ausdehnung und die spezielle Form der intermetallischen Verbindung - nämlich winzige Fasern - sind dafür verantwortlich, dass sich die physikalischen Eigenschaften des unter Normalbedingungen nicht magnetischen Stoffes stark verändern. Das ist ein besonders eindrucksvolles Beispiel für die ausgezeichneten Chancen, die moderne Nanotechnologie heute eröffnet, betont Thomas Herrmannsdörfer, Physiker am HLD. "Es ist wirklich erstaunlich, wie sehr die Eigenschaften einer Substanz variieren können, wenn man es schafft, ihre Größe in den Nanobereich zu minimieren".

Es gibt zahlreiche Materialien, die bei sehr niedrigen Temperaturen supraleitend werden. Allerdings steht diese Eigenschaft in Konkurrenz zum Ferromagnetismus, der Supraleitung in aller Regel unterdrückt. Nicht so bei der untersuchten Verbindung: Hier stellten die Dresdner Forscher mit Hilfe von Experimenten in hohen Magnetfeldern und unter sehr niedrigen Temperaturen fest, dass das nanostrukturierte Material völlig andere Eigenschaften aufweist als größer dimensionierte Proben desselben Stoffes. Das überraschendste daran: Die Verbindung ist ferromagnetisch und supraleitend zugleich. Es ist damit einer von wenigen bislang bekannten Stoffen, der diese ungewöhnliche und physikalisch noch nicht vollständig erklärbare Kombination aufweist. Möglicherweise liegt im Wismut-3-Nickel eine besondere Form der Supraleitung vor, sagt Herrmannsdörfer. Der gerade mal 25-jährige Physiker und Doktorand Richard Skrotzki ist maßgeblich an den Forschungsergebnissen beteiligt und beschreibt das Phänomen als "die Bündelung von gegensätzlichen Eigenschaften in einem einzigen Strang".

Raster-Elektronen-mikroskopische Aufnahme eines Bündels aus parallel angeordneten Bi3Ni-Fasern, welche bei tiefen Temperaturen zugleich ferromagnetisch und supraleitend werden. Schaut man in eine solche Faser hinein, so entdeckt man ein nur wenige Nanometer schmales Atomgerüst aus Wismut- (blau) und Nickelatomen (grün). - Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf

Raster-Elektronen-mikroskopische Aufnahme eines Bündels aus parallel angeordneten Bi3Ni-Fasern, welche bei tiefen Temperaturen zugleich ferromagnetisch und supraleitend werden. Schaut man in eine solche Faser hinein, so entdeckt man ein nur wenige Nanometer schmales Atomgerüst aus Wismut- (blau) und Nickelatomen (grün).
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf

Die TU Dresden und das HZDR sind Partner in der Forschungsallianz DRESDEN-concept, die das Ziel hat, die Exzellenz der Dresdner Forschung sichtbar zu machen.


Publikation
Die Originalarbeit ist unter dem Titel "Structure-induced coexistence of ferromagnetic and superconducting states of single-phase Bi3Ni seen via magnetization and resistance measurements" von T. Herrmannsdörfer, R. Skrotzki, J. Wosnitza, D. Köhler, R. Boldt, und M. Ruck als "Rapid Communicationö in Physical Review B, Vol. 83, No.14 veröffentlicht (DOI: 10.1103/PhysRevB.83.140501).
Die Arbeit wurde von den Herausgebern von "Physical Review" als besonders lesenswert eingestuft.

Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) hat das Ziel, langfristig ausgerichtete Spitzenforschung auf gesellschaftlich relevanten Gebieten zu leisten. Folgende Fragestellungen stehen hierbei im Fokus:
- Wie verhält sich Materie unter dem Einfluss hoher Felder und in kleinsten Dimensionen?
- Wie können Tumorerkrankungen frühzeitig erkannt und wirksam behandelt werden? - Wie schützt man Mensch und Umwelt vor technischen Risiken?

Zur Beantwortung dieser wissenschaftlichen Fragen werden sechs Großgeräte mit teils einmaligen Experimentiermöglichkeiten eingesetzt, die auch externen Nutzern zur Verfügung stehen. Das HZDR ist seit 1.1.2011 Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Es hat drei Standorte in Dresden, Leipzig und Grenoble und beschäftigt rund 800 Mitarbeiter - davon 370 Wissenschaftler inklusive 120 Doktoranden.

Weitere Informationen unter:
http://www.hzdr.de
http://www.tu-dresden.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution222


*


Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf, Dr. Christine Bohnet, 12.04.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. April 2011