Max-Planck-Institut für Quantenoptik - 05.10.2015
Auf ultraschneller Wanderschaft im Graphen
Forscher des Labors für Attosekundenphysik des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik und der Ludwig-Maximilians Universität haben in Zusammenarbeit mit dem Center for Nano-Optics der Georgia State University in Atlanta (USA) simuliert, was passiert, wenn eine Schicht aus Kohlenstoff-Atomen mit starkem Licht bestrahlt wird.
Ein Laserpuls trifft auf eine zweidimensionale Schicht aus Graphen.
Dabei verschiebt das Licht die Elektronen der Kohlenstoffatome.
Grafik: © Christian Hackenberger
Trifft Licht auf Elektronen, bewegen diese sich rasend schnell, innerhalb
weniger Milliardstel von milliardstel Sekunden (Attosekunden). Was mit
Elektronen in Graphenatomen passiert, wenn starke Laserpulse auf sie
treffen, haben Forscher des Labors für Attosekundenphysik des
Max-Planck-Instituts für Quantenoptik (MPQ) und der
Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in Zusammenarbeit mit dem Center for
Nano-Optics der Georgia State University in Atlanta (USA) simuliert.
Ziel solcher Simulationen ist das Verständnis der
Licht-Teilchen-Wechselwirkung im Mikrokosmos. Zukünftig könnte so eine
lichtwellengesteuerte Elektronik möglich werden, die rund 100.000 Mal
schneller wäre als heutigen Technologien. Sie würde mit der
Frequenz von Lichtwellen arbeiten, die rund eine Million Milliarden Mal
pro Sekunde schwingen (Petahertz). Graphen mit seinen außergewöhnlichen
Eigenschaften eignet sich dabei als Material für erste Versuche besonders
gut.
Je genauer wir die Bewegung von Elektronen beobachten können, desto besser verstehen wir deren Wechselwirkung mit Licht. Bis heute hält die Natur viele Phänomene der Licht-Materie-Interaktion in Festkörpern unter Verschluss. Der Zugang zu diesem inneratomaren Kosmos ist schwierig, da die Vorgänge in wenigen Femtosekunden, ja sogar Attosekunden ablaufen: eine Femtosekunde ist ein Millionstel einer Milliardstel Sekunde, eine Attosekunde ist noch tausend Mal kürzer. Die dafür notwendigen experimentellen Messmethoden befinden sich in der Entwicklungsphase, allerdings lassen sich die physikalischen Prozesse mit Hilfe von Simulationen untersuchen.
Physiker des Labors für Attosekundenphysik am Max-Planck-Institut für Quantenoptik und der Ludwig-Maximilians-Universität haben nun in Zusammenarbeit mit dem Center for Nano-Optics der Georgia State University in Atlanta (USA) berechnet, was mit den Elektronen in einem Graphen-Kristall passiert, wenn sie von einem starken Lichtpuls getroffen werden. Das Laserfeld regt die Elektronen an und verschiebt sie, wodurch sich die Ladungsdichteverteilung ändert. Währenddessen wird ein extrem kurzer Elektronenpuls an der Probe gestreut. Aus der Ablenkung dieser Materiewellen, der so genannten Diffraktometrie, können die Forscher schließen, welche Veränderungen in der Ladungsdichte durch den Laserblitz ausgelöst wurden.
Die Simulation eines solchen Ereignisses hat nun komplexe Zusammenhänge aufgezeigt zwischen der Anregung von Elektronen durch Licht und ihrer darauf folgenden ultraschnellen Wanderschaft in und zwischen den Kohlenstoffatomen in der Graphenschicht. Benachbarte Atome teilen sich die nur schwach gebundenen Valenzelektronen. Ihr Verhalten untersuchen die Wissenschaftler, indem sie die elektrische Ladung innerhalb von mikroskopisch kleinen Volumeneinheiten, die unterschiedliche chemische Bindungen repräsentieren, analysieren. Während der Bestrahlung mit dem Laserpuls findet eine signifikante Umverteilung der Ladung statt; gleichzeitig ist die Verschiebung aufgrund des elektromagnetischen Feldes des Laserpulses sehr klein, sie beträgt weniger als ein Pikometer (10 hoch minus 12 Meter). Die Rechnungen zeigten außerdem, dass der lichtinduzierte elektrische Strom nicht gleichmäßig durch die Schicht fließt, sondern nur entlang der chemischen Bindungen zwischen den Kohlenstoffatomen.
Die Simulationen sollen dazu beitragen, Experimente für Ultrakurzzeit-Elektronendiffraktometrie zielgerichtet aufzubauen. "Möglicherweise werden viele weitere Phänomene entdeckt", sagt Vladislav Yakovlev, der wissenschaftliche Leiter der Simulationen. "Möglicherweise werden Abweichungen von unseren Vorhersagen beobachtet. Aber auf jeden Fall sind wir uns ziemlich sicher, dass es noch einiges an neuer grundlegender Physik zu messen gibt, und dass ein Blick in die Licht-Materie Wechselwirkung mit atomarer Auflösung zwar anspruchsvoll, aber möglich ist", ergänzt er. [Thorsten Naeser/Olivia Meyer-Streng]
Originalveröffentlichung:
Vladislav S. Yakovlev, Mark I. Stockman, Ferenc Krausz & Peter Baum
Atomic-scale diffractive imaging of sub-cycle electron dynamics in
condensed matter
Scientific Reports, 28. September 2015,
doi: 10.1038/srep14581
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Max-Planck-Institut für Quantenoptik, Dr. Olivia Meyer-Streng, 05.10.2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Oktober 2015
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