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ASTRO/150: "Kamera" für Dunkle Materie (DLR)


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) - 26.04.2011

"Kamera" für Dunkle Materie

Space Shuttle Endeavour bringt das Alpha-Magnet-Spektrometer zur Internationalen Raumstation


Mit verschiedenen Detektoren soll das Alpha-Magnet-Spektrometer (AMS) außen an der Internationalen Raumstation ISS die kosmische Strahlung im Weltraum untersuchen. Das AMS startet am Freitag, 29. April 2011, um 21.47 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit (15.47 Uhr Ortszeit) an Bord des Space Shuttles Endeavour von Cape Canaveral (Florida) zur ISS. Rund 500 Wissenschaftler aus 16 Ländern sind an dem vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) unterstützten Projekt beteiligt. Das Ziel der Forscher: Hinweise auf Dunkle Materie und Antimaterie zu entdecken. "Mit dem AMS-Experiment wird erstmals auch die Astrophysik in der wissenschaftlichen Nutzung der ISS Einzug halten", betont DLR-Vorstandsvorsitzender Prof. Johann-Dietrich Wörner.

Das Alpha-Magnet-Spektrometer AMS wird außen an der ISS installiert (in der künstlerischen Darstellung in der linken Bildhälfte rechts neben den vier großen Solarpanelen) -Quelle: © NASA.

Das Alpha-Magnet-Spektrometer AMS wird außen an der ISS installiert (in der künstlerischen Darstellung in der linken Bildhälfte rechts neben den vier großen Solarpanelen)
Mit seinen verschiedenen Detektoren soll das Alpha-Magnet-Spektrometer (AMS) außen an der Internationalen Raumstation ISS die kosmische Strahlung im Weltraum untersuchen. Rund 500 Wissenschaftler aus 16 Ländern sind an dem vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) unterstützten Projekt beteiligt. Das Ziel der Forscher: Hinweise auf Dunkle Materie und Antimaterie zu entdecken. Die künstlerische Darstellung zeigt das AMS in der linken Bildhälfte rechts neben den großen Solarpanelen.
Quelle: © NASA.

Fast sieben Tonnen schwer und vier Meter hoch ist das Spektrometer, das mit einem kräftigen Magneten die geladenen Teilchen der kosmischen Strahlung durch die Detektoren lenkt und diese Teilchen dann wie eine riesige Kamera abbildet. "Das AMS ist ein Instrument in einer Größenordnung, wie wir es normalerweise nur auf der Erde betreiben würden", erklärt der deutsche Projektleiter Prof. Stefan Schael von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen. Allerdings: Auf dem Boden würde man lediglich die Zerfallsprodukte der Weltraum-Strahlung feststellen können, denn diese treten mit der schützenden Erdatmosphäre in eine Wechselwirkung - und gelangen daher nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form auf die Erde. "Die große Herausforderung war es also, ein Präzisionsinstrument in den Weltraum zu bringen, das auch den Start mit dem Shuttle übersteht", betont der Projektleiter. "Normalerweise schließen sich hohe Messgenauigkeit, große Empfindlichkeit und solche Robustheit, wie sie ein Shuttlestart verlangt, aus." Schließlich misst der Spurdetektor, das Herzstück des Instruments, die Durchstoßpunkte der Teilchen mit einer Genauigkeit von einem Zehntel eines Haardurchmessers.

Einen ersten Test absolvierten die Wissenschaftler 1998: Damals startete AMS-01, ein Testmodell des heutigen Alpha-Magnet-Spektrometers, mit dem Space Shuttle Discovery ins Weltall und blieb dort zehn Tage an Bord, um während des Flugs die Weltraum-Strahlung zu messen. So lag die Schwierigkeit zu Beginn auch darin, einen Magneten zu entwickeln, dessen Wechselwirkung mit dem Erdmagnetfeld sich nicht auf die Steuerung des Shuttles oder der Raumstation auswirken würde. Spuren von über 100 Millionen geladener, kosmischer Teilchen konnten damals festgestellt werden. Unter anderem zeigten die Wissenschaftler mit diesem Vorläufermodell, wie die kosmische Strahlung in der Umgebung der Erde verteilt ist. "Wir haben mit dieser Mission erfolgreich gezeigt, dass AMS-02 funktionieren wird."

Vorbereitungen für die Verladung des AMS-Instruments -Quelle: © NASA.

Vorbereitungen für die Verladung des AMS-Instruments
Fast sieben Tonnen schwer und vier Meter hoch ist das Alpha-Magnet-Spektrometer, das mit einem kräftigen Magneten die geladenen Teilchen der kosmischen Strahlung durch die Detektoren lenkt und diese Teilchen dann wie eine riesige Kamera abbildet.
Quelle: © NASA.


Messung von 2000 Teilchen pro Sekunde

Die aktuelle Mission mit dem AMS-02 soll nun vor allem dazu beitragen, das Rätsel um die Dunkle Materie und die Antimaterie zu lösen. "Von dem, was unser Universum ausmacht, können wir derzeit gerade einmal vier Prozent mit unserer Physik erklären - den übrigen 96 Prozent haben wir Namen wie 'Dunkle Materie' und 'Dunkle Energie' gegeben, wissen darüber aber so gut wie nichts", sagt Schael. Zurzeit geht die Wissenschaft davon aus, dass die Dunkle Materie aus neuen Elementarteilchen besteht, die zum Beispiel dafür sorgen, dass unsere Sonne in einer stabilen Bahn um das Zentrum der Milchstraße kreist. "Nur, wenn wir der Dunklen Materie auf die Spur kommen, können wir sagen, ob diese Theorie Sinn macht." Das AMS fahndet im Weltall ebenfalls mit einer bisher unerreichten Empfindlichkeit nach Anti-Materie. Dabei gehe es um eine der wichtigsten aktuellen Fragen in der Physik, erklärt Schael. In der Astrophysik gilt nach heutigem Stand die Hypothese, dass nach dem Urknall ebensoviel Materie wie Antimaterie entstand. Bisher wurde jedoch im Weltall noch keine Antimaterie entdeckt. "Würden wir mit AMS zum Beispiel einen Anti-Kohlenstoff-Atomkern messen, wäre das ein Hinweis darauf, dass unser Universum in der Tat symmetrisch ist und nach dem Urknall eine räumliche Trennung zwischen Materie und Antimaterie stattgefunden hat."

Pro Sekunde werden die Detektoren des AMS 2000 Teilchen "sehen", die durch das Experiment an der Außenseite der ISS fliegen. Für jedes einzelne dieser Teilchen, die zum Beispiel von den Überresten gewaltiger Supernova-Explosionen im All zeugen, können dabei nicht nur die Energie, sondern auch Masse und elektrische Ladung bestimmt werden. "Wir erstellen uns mit dem AMS damit quasi eine Fotografie von diesem Teilchendurchgang mit allen Detektoren." Ausgestattet ist das Alpha-Magnet-Spektrometer für einen Betrieb an der Raumstation ISS über mehrere Jahrzehnte. Damit erfasst es die kosmische Strahlung auch über einen ganzen solaren Zyklus hinaus, bei dem sich alle elf Jahre das Magnetfeld der Sonne ändert. Gleich mehrere Komponenten werden im Alpha-Magnet-Spektrometer zum Einsatz kommen. In Deutschland sind das Physikalische Institut der RWTH Aachen und das Institut für Experimentelle Kernphysik des Karlsruher Instituts für Technologie unter anderem für den Übergangsstrahlungsdetektor, Komponenten des Spurendetektors und eine seitliche Teilchenabschirmung verantwortlich.

AMS-Instrument in der Ladebucht des Space Shuttles Endeavour -Quelle: © Michele Famiglietti/AMS Collaboration.

AMS-Instrument in der Ladebucht des Space Shuttles Endeavour
An der ISS angelangt, wird das Alpha-Magnet-Spektrometer - von den Astronauten gesteuert - mit einem Roboterarm aus der Shuttle-Ladebucht entnommen, an einen Roboterarm der Internationalen Raumstation weitergegeben und anschließend an der ISS installiert. Die Messung der kosmischen Strahlung wird kurze Zeit später beginnen. Ein deutsches Forscher-Team wird dann in den USA das Instrument im Drei-Schicht-Betrieb an sieben Tagen rund um die Uhr betreiben und überwachen.
Quelle: © Michele Famiglietti/AMS Collaboration.


Erste Tests nach dem Shuttle-Start

Bereits gut zwei Stunden nach dem Start mit der Endeavour schalten die Wissenschaftler zum ersten Mal das Instrument noch in der Ladebucht des Shuttles an und testen erste Funktionen. An der ISS angelangt, wird das Instrument von den Astronauten gesteuert mit einem Roboterarm aus der Shuttle-Ladebucht entnommen, an einen Roboterarm der Internationalen Raumstation weitergegeben und anschließend an der ISS installiert. Die Messung der kosmischen Strahlung wird kurze Zeit später beginnen. Ein deutsches Forscher-Team wird dann in den USA das Instrument im Drei-Schicht-Betrieb an sieben Tagen rund um die Uhr betreiben und überwachen. "Wir stehen mit unserer Forschung noch ganz am Anfang", sagt Schael. "Aber bereits jetzt ist sicher: Mit dem AMS werden wir viel über die Zusammensetzung der kosmischen Strahlung lernen und somit auch darüber, wie unsere Galaxie aufgebaut ist."


Über das Projekt

Deutsche Wissenschaftler und deutsche Spitzentechnologie sind maßgeblich an dem internationalen Projekt beteiligt, das vom Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) gefördert wird.

Artikel mit Bildern unter:
http://www.dlr.de/DesktopDefault.aspx/tabid-1/117_read-30351/


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Quelle:
Pressemitteilung vom 26.04.2011
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Unternehmenskommunikation, Linder Höhe, 51147 Köln
http://www.dlr.de/


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. April 2011