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ASTRO/139: Turbulenzen an der Brennfront (idw)


Julius-Maximilians-Universität Würzburg - 15.02.2011

Turbulenzen an der Brennfront


Sie setzen innerhalb von wenigen Sekunden so viel Energie frei, wie unsere Sonne bei heutiger Leuchtkraft in etwa zehn Milliarden Jahren: Supernovae sind beeindruckende kosmische Explosionen, die für die Entwicklung von Galaxien eine wichtige Rolle spielen. Wie sie entstehen und wie sie ablaufen untersucht Friedrich Röpke. Der Astrophysiker ist neu an der Universität Würzburg.

Eigentlich wäre es mal wieder Zeit für eine Supernova in der Milchstraße. Eine pro Jahrhundert: Damit rechnen Astrophysiker im Schnitt für eine Galaxie. Die letzte, die in der Milchstraße beobachtet wurde, liegt so gesehen schon sehr lange zurück: Im November 1572 erschien plötzlich ein neuer Stern am Himmel, der eine Zeitlang sogar tagsüber zu sehen war. Erst im April 1574 verschwand er wieder.

Die seltsame Erscheinung erwies sich als Geburtsstunde der Astronomie in der Neuzeit. Der dänische Astronom Tycho Brahe erforschte das Schauspiel so genau, dass seine Beobachtungen zum "Startschuss für die Etablierung der Astronomie als systematischer Wissenschaft in der westlichen Welt" wurden, wie Friedrich Röpke sagt. Röpke ist seit Januar Professor für Astrophysik an der Universität Würzburg.


Rätselhafte Supernova

Heute weiß man: Was Brahe und seine Zeitgenossen so faszinierte, war eine Supernova vom Typ Ia. Deren Entstehung und Ablauf stehen auch im Mittelpunkt von Röpkes Forschung. Denn obwohl es im gesamten Weltall permanent irgendwo eine Supernova zu beobachten gibt, sind wichtige Fragen dazu noch ungeklärt.

"Wir wissen beispielsweise bis heute nicht wirklich, welche Vorläufer eine Supernova vom Typ Ia hat", sagt Röpke. Bekannt ist: Ein so genannter "Weißer Zwergstern" gehört immer dazu. So bezeichnen Physiker einen Stern, der den üblichen Verbrennungsprozess in ihrem Inneren vorzeitig gestoppt hat. Im Normalfall verschmelzen im Sonnenfeuer Atomkerne miteinander und setzen dabei Energie frei. In der Folge entstehen neue, schwerere Elemente, die sich wiederum in nuklearen Reaktionen vereinen. Dieser Prozess startet beim leichten Wasserstoff und endet bei Sternen, die mehr als acht Sonnenmassen besitzen, beim schweren Eisen.

Nicht so bei leichteren Sternen: "Dort bleibt die Reaktionskette beim Kohlenstoff stehen. Es treten keine weiteren Kernreaktionen auf", erklärt Röpke. Der Stern kontrahiert zu einem Weißen Zwerg, der etwa eine Sonnenmasse hat, aber nur so groß wie die Erde ist. Dieses kompakte Objekt ist eigentlich sehr stabil. Warum es dann doch noch explodiert, diese Frage beschäftigt Astrophysiker weltweit. "Es gilt als sicher, dass der einzelne Sterne nicht explodieren kann", sagt Röpke. Eine mögliche Erklärung lautet deshalb: Ein zweiter Stern muss hinzukommen, der so lange von seiner Materie an den Weißen Zwerg abgibt, bis dieser unter seinem Gewicht ein thermonukleares Brennen zündet und in der Folge zur Supernova wird.


Überraschende Entdeckung

Supernovae sind aus mehreren Gründen für die Astrophysik von großer Bedeutung. Einer davon ist die Tatsache, dass sie extrem hell sind und über weite Entfernungen im Universum beobachtet werden können. Weil jede Supernova vom Typ Ia überdies annähernd gleich hell ist, eignet sich ihre Beobachtung zur Vermessung der Geometrie des Universums.

"Solche Messungen haben beispielsweise Ende der 1990er-Jahre zu der Erkenntnis geführt, dass das Universum beschleunigt expandiert", sagt Röpke. Dieses Ergebnis war eine große Überraschung und mit den damaligen kosmologischen Modellen nicht vereinbar. In der Folge postulierten Physiker die Existenz einer neuen, "dunklen" Energieform, die das Universum gegenwärtig dominiert und seine beschleunigte Expansion antreibt. Die Natur dieser Dunklen Energie ist aber bis heute noch völlig unverstanden.

Interessant sind Supernovae auch als "Brutstätte" vieler schwerer Elemente. "Der überwiegende Teil des Eisens, mit dem wir heute auf der Erde in Berührung kommen, stammt aus einer Supernova", erklärt Röpke. Und mit ihren gewaltigen Schockwellen spielen die Sternenexplosionen eine wichtige Rolle für die dynamische Entwicklung von Galaxien.


Forschung mit Hochleistungsrechnern

Wer nun glaubt, Friedrich Röpke verbringe seine Nächte hinter dem Teleskop oder werte Hubble-Bilder aus, hat sich getäuscht. Röpke betreibt eine numerische Art der Astrophysik. Soll heißen: Er und seine Mitarbeiter untersuchen Supernova-Explosionen vom Typ Ia in aufwendigen dreidimensionalen Simulationen. Dafür nutzen sie Rechenzeit auf den weltweit schnellsten Supercomputern und versuchen mit Rechnungen auf vielen tausend Prozessoren den Vorgängen im Inneren einer Supernova auf den Grund zu gehen.

Unter anderem geht es dabei um die Frage, wie sich die "thermonukleare Brennfront" in dem weißen Zwergstern ausbreitet. "Diese Brennfront ist nach der Zündung nur etwa einen Millimeter dick und wandert von innen nach außen", erklärt Röpke. Sie wandelt dabei das Kohlenstoff-Sauerstoff-Material in schwerere Elemente wie Eisen, Silizium, Kalzium und Schwefel um. Das Fortschreiten der Front kann entweder mit Schallgeschwindigkeit passieren oder mit einer geringeren Geschwindigkeit. Dann bilden sich Turbulenzen und Wechselwirkungen, die den Prozess beeinflussen.

"Diese Effekte sind für den Mechanismus der Typ-Ia-Supernova-Simulationen entscheidend und müssen deshalb genau modelliert werden, will man die faszinierende Physik dieser Supernovae verstehen und ihre Auswirkungen auf astrophysikalische Prozesse analysieren", sagt Röpke. Überraschenderweise kann der Astrophysiker dabei auf Erfahrungen aus dem Motorenbau zurückgreifen: "Verbrennungsprozesse in Typ-Ia-Supernovae ähneln formal denen in Ottomotoren." Ohne Wechselwirkungen des Brennens mit einer Turbulenz würden diese nicht funktionieren. Und ein Übergang zum Brennen mit Überschallgeschwindigkeit, wie es in manchen Supernovamodellen angenommen wird, entspricht beispielsweise dem gefürchteten "Klopfen" im Motor.


Lebenslauf

Friedrich Roepke wurde 1974 in Blankenburg (Harz) geboren und wuchs in Rostock auf. Er studierte Physik an der Universität Jena und an der University of Virginia, Charlottesville, in den USA. Nach seinem Diplom in Jena auf dem Gebiet der Gravitationstheorie wechselte er an das Max-Planck-Institut für Astrophysik (MPA), Garching, und promovierte 2003 an der Technischen Universität München. Es folgten Tätigkeiten am MPA und an der University of California, Santa Cruz.

2008 setzte er die Arbeiten zur Modellierung von Typ-Ia-Supernovae mit seiner Emmy-Noether Nachwuchsgruppe am MPA fort und habilitierte sich im Fach Theoretische Physik an der TU München, wo er seit 2009 als Privatdozent lehrte. Neben dem Gebiet der Typ-Ia-Supernovae beschäftigt er sich mit verschiedenen anderen Aspekten der theoretischen und nuklearen Astrophysik (meist mit numerischen Simulationen) und der Kosmologie.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution99


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Gunnar Bartsch, 15.02.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Februar 2011