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ASTRO/117: Astrophysik mit Neutrinos - Teil 2 (SuW)


Sterne und Weltraum 3/10 - März 2010
Zeitschrift für Astronomie

Astrophysik mit Neutrinos
Teil 2: Spektroskopie der solaren Neutrinos

Von Lothar Oberauer und Michael Wurm


Nachdem mit der Entdeckung der Neutrino-Oszillationen das Rätsel der fehlenden solaren Neutrinos geklärt wurde, dienen die Neutrino-Experimente nun der Erforschung der Sonne. Die spektrale Auflösung moderner Detektoren ermöglicht immer detailliertere Rückschlüsse auf die im Sonneninneren herrschenden Bedingungen.


In Kürze
Mit dem experimentellen Nachweis der Neutrino-Oszillationen auf ihrem Weg von der Sonne zur Erde wurde das langjährige Rätsel der fehlenden solaren Neutrinos endlich gelöst.
Damit lassen sich die nun besser verstandenen Neutrinos - wie ursprünglich beabsichtigt - als Sonden zur detaillierten Untersuchung der Prozesse im innersten Kern der Sonne nutzen.
Mit dem Anlaufen der Neutrinoexperimente der nächsten Generation wird sich die Neutrino-Astrophysik neben der Sonne auch dem Studium der Sterne und ihrer Entwicklung sowie zahlreichen weiteren Quellen, etwa den Supernovae in unserer Galaxis oder sogar im frühen Universum, widmen können.

Im ersten Teil dieses Beitrags haben wir das für lange Zeit ungelöste Rätsel der solaren Neutrinos dargestellt und gezeigt, wie alle experimentellen Ergebnisse eine astrophysikalische, also eine auf die Fusionsprozesse im Innersten der Sonne bezogene Lösung ausschließen (siehe SuW 2/2010, S. 30). Demnach ist des Neutrinorätsels Lösung in den intrinsischen Eigenschaften der Neutrinos selbst zu suchen, und mit diesen wollen wir uns nun befassen.


Neutrino-Oszillationen

Wir kennen in der Natur drei verschiedene Arten von Neutrinos: das Elektron-Neutrino νe das Myon-Neutrino νµ das Tauon-Neutrino ντ. Sie sind jeweils mit den entsprechenden geladenen Leptonen e-, µ- und τ- assoziiert. Die Kernreaktionen in der Sonne produzieren nur Elektron-Neutrinos, und die bisher durchgeführten radiochemischen Experimente sind ausschließlich für Neutrinos dieser Art empfindlich. Denn ein Myon- oder Tauon-Neutrino kann die im ersten Teil dieses Artikels beschriebenen Nachweisreaktionen an Chlor- oder Gallium-Kernen nicht auslösen, weil ihre Energie nicht ausreicht, um die wesentlich massereicheren Leptonen µ- und τ- zu produzieren.

Wenn sich nun ein Teil der in der Sonne erzeugten Elektron-Neutrinos auf dem Weg zur Erde in Neutrinos einer anderen Art umwandelt, dann ergibt sich radiochemisch gemessen eine kleinere Rate als jene, die ohne diesen Effekt zu erwarten wäre. Damit ließe sich also der radiochemische Befund erklären.

Und wie sieht dies bei Experimenten wie Kamiokande aus, die auf dem Nachweis von Streuprozessen beruhen? Die Wahrscheinlichkeit für die Streuung an Elektronen ist für Elektron-Neutrinos um etwa einen Faktor 5 größer als für Myonoder Tauon-Neutrinos. Folglich könnte eine Umwandlung der Elektron-Neutrinos in eine andere Art auch die Ergebnisse der auf Streuprozessen basierenden Messungen erklären.

Wie aber kann dieser Effekt, die so genannte Neutrino-Oszillation, erfolgen? Wenn das Neutrino, im Herzen der Sonne als Elektron-Neutrino geboren, sich aus mehreren Zuständen unterschiedlicher Masse zusammensetzt, wäre dieser Effekt sogar unausweichlich. Die verschiedenen Masseneigenzustände bewegen sich nämlich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten fort. Deshalb würde nach einer bestimmten Laufstrecke das ursprüngliche Mischungsverhältnis verloren gehen.

Das bedeutet aber, dass die Wahrscheinlichkeit, das Teilchen in einem gegebenen Abstand von der Sonne als Elektron-Neutrino vorzufinden, nicht mehr bei 100 Prozent liegt, sondern darunter. Der genaue Wert hängt von den so genannten Mischungswinkeln ab, welche die ursprüngliche Zusammensetzung des Elektron-Neutrinos beschreiben. Nach einer weiteren Flugstrecke würde das Mischungsverhältnis den ursprünglichen Wert wieder annehmen und das Teilchen sich wieder im Ausgangszustand befinden. Es schwingt sozusagen während seiner Reise durch den Weltraum ständig von einer Art zur anderen und wieder zurück.

Die Frequenz dieser Oszillation hängt von der Massendifferenz der verschiedenen Neutrinoarten und von der Energie der Neutrinos ab. Je größer der Quotient dieser beiden Größen ist, desto schneller laufen die Massenzustände auseinander und desto höher ist die Frequenz der Neutrino-Oszillation. Genau gesagt hängt diese Frequenz von der Größe (m22 - m12) / Eν wobei m1 und m2 die Werte der Masseneigenzustände sind und Eν die Energie der Neutrinos bezeichnet. Dieser quantenmechanische Effekt wurde bereits in den 1960er Jahren bei ganz anderen Teilchen, den neutralen Kaonen, in Beschleunigerexperimenten beobachtet und schon früh von dem theoretischen Physiker Bruno Pontecorvo als Lösung des Rätsels der solaren Neutrinos vorgeschlagen.

Was wissen wir heute experimentell über die Massen der drei Neutrino-Arten? Die Massendifferenzen können über die Oszillationslängen gemessen werden. Es gibt eine große Massendifferenz (etwa 3 x 10-3 eV) und eine kleine Massendifferenz (etwa 8 x 10-5 eV), wobei die Zuordnung der drei Massenzustände zu den drei Neutrino-Arten noch nicht eindeutig bestimmt ist. Auf jeden Fall ist aber das schwerste Neutrino nur etwa 0,05 eV massereicher als das leichteste, und es ist nicht ausgeschlossen, dass Letzteres die Ruhemasse Null besitzt. Für die Masse des Elektron-Neutrinos gibt es eine experimentelle obere Grenze von etwa 2 eV.

Da die Neutrino-Oszillationen von den Massendifferenzen abhängen, können sie sich nur dann ausbilden, wenn zumindest eine Neutrinoart eine nicht verschwindende Ruhemasse besitzt. Dies ist aber im Standardmodell der Teilchenphysik nicht vorgesehen. Die Beobachtung von Neutrino-Oszillationen bedeutet also, dass eine Erweiterung des Standardmodells erforderlich ist. Zudem kann dies, abhängig von der Größe der Neutrinomasse, erhebliche kosmologische Konsequenzen haben. Neutrinos tragen mit ihrer Masse zu der heißen Dunklen Materie im Universum bei und beeinflussen die Strukturbildung der Materie auf großen Skalen. Dies erklärt das starke Interesse der Physiker und Astronomen an dieser Fragestellung. Wichtige Aspekte der Teilchenphysik, der Astrophysik und der Kosmologie sind hier miteinander verknüpft.

Ende der 1980er Jahre wurde von Sanislav Mikheyev, Alexei Smirnov und Lincoln Wolfenstein gezeigt, wie diese Neutrino-Oszillationen durch das Plasma im Innern der Sonne modifiziert werden können. Dabei wird eine explizite Abhängigkeit ihrer Frequenz von der Neutrinoenergie vorhergesagt, die wiederum vom tatsächlichen Wert des Massenunterschieds modifiziert wird. Genaue Analysen aller verfügbaren experimentellen Resultate waren zwar in guter Übereinstimmung damit und engten auch mögliche Werte der Massenunterschiede und Mischungswinkel ein, allein der schlagende Beweis für die Existenz der Neutrino-Oszillationen fehlte noch.


Des Rätsels Lösung

Wenn man nur zeigen könnte, dass ein Teil der Elektron-Neutrinos auf der Reise von der Sonne zur Erde in eine andere Art oszilliert ist! Für ein Experiment im Sudbury Neutrino Observatory (SNO) in der Creighton-Mine bei Sudbury, Kanada, wurde zu diesem Zweck ein 1000 Tonnen schwerer Tscherenkow-Detektor gebaut, mit dem von 1999 bis 2006 solare Neutrinos nachgewiesen wurden (siehe Bild oben). Anstatt normalen Wassers wie im Super-Kamiokande-Experiment wurde schweres Wasser, D2O, verwendet. In beiden Detektoren ist die elastische Streuung (ES) von Neutrinos an Elektronen möglich: Die Wahrscheinlichkeit für den Nachweis von Elektron-Neutrinos über diesen Prozess ist aber etwa fünfmal so groß wie die für Myon- und Tauon-Neutrinos.

Das im Detektor-Volumen des SNO-Experiments enthaltene Deuterium erlaubt darüber hinaus zwei zusätzliche Reaktionskanäle für den Nachweis von Sonnenneutrinos zu nutzen. Der eine steht nur für Elektron-Neutrinos offen:

(CC) νe + D → p + p + e-

Diese erste Reaktion ist im Wesentlichen die gleiche, die wir schon von den Chlor- und Gallium-Experimenten kennen: Ein Neutron reagiert mit einem Elektron-Neutrino zu einem Proton und einem Elektron. Myon- oder Tauon-Neutrinos können dies nicht. Hingegen ist die zweite Reaktion:

(NC) νx + D → n + p + νx

für alle Neutrinoarten mit gleicher Wahrscheinlichkeit erlaubt (x = e, µ, τ. Hier wird das Deuteron (ein gebundener Zustand eines Protons mit einem Neutron) durch das Neutrino in seine Bestandteile aufgebrochen. Das Deuteron wird also gespalten, und dazu ist eine Mindestenergie von 2,2 MeV nötig. Diese Mindestenergie wird zum größten Teil von solaren 8B-Neutrinos aufgebracht, deren Energiespektrum sich ja bis 14 MeV erstreckt (siehe den ersten Teil dieses Artikels). Dabei spielt die Neutrinoart keine Rolle, denn es wird kein geladenes Lepton erzeugt.

Im SNO-Experiment wurden sowohl die Elektronen der Reaktion (CC) als auch die Neutronen der Reaktion (NC) beobachtet. Die Neutronen wurden nach verschiedenen Methoden nachgewiesen - in der letzten Ausbaustufe des Experiments geschah dies mittels in den Detektor versenkter und mit 3He-Gas gefüllter Proportionalzählrohre. Die Protonen ihrerseits stören die Messung nicht, weil sie nach ihrer Entstehung eine viel zu geringe Geschwindigkeit besitzen, um Tscherenkow-Licht zu erzeugen.

So konnten aus der kombinierten Messung aller drei Reaktionskanäle (ES, NC und CC) erstmals neben dem νe-Anteil auch der νµ- und ντ-Anteil am solaren Neutrinofluss bestimmt und damit die Neutrino-Oszillationen eindeutig nachgewiesen werden: Wenn solare Neutrinos nicht oszillieren, dann sollten die gemessenen Flüsse aus beiden Reaktionen, CC und NC, gleich sein - wenn aber die Transformation von einer Art in eine andere passiert, dann sollte der über die Reaktion (NC) gemessene Fluss deutlich höher sein. Letzteres wird im Sudbury Neutrino Observatory beobachtet (siehe Bild unten)! So wird der seit dem Jahr 2000 für Elektron-Neutrinos ermittelte Fluss mit φe = (1,68 ± 0,11) x 106 cm-2 s-1 angegeben, während der gesamte gemessene Fluss solarer Neutrinos deutlich höher ist und φtot = (4,94 ± 0,42) x 106 cm-2 s-1 beträgt.


Der Nachweis der Neutrino-Oszillationen

Die Ergebnisse der drei separaten Messungen des SNO-Experiments sind hier grafisch als Kombination von Elektron- und Summe aus Myon- plus Tauon-Neutrinofluss dargestellt. Während das rote Band die Rate aus der Reaktion (CC) angibt, zu der nur Elektron-Neutrinos beitragen, gibt das blaue Band das Ergebnis der (NC)-Messung wieder, zu der zwar alle drei Neutrinoarten beitragen, deren jeweilige Anteile sich aber nicht bestimmen lassen. Zusätzliche Informationen liefert die elastische Streuung (ES), zu der Elektron-Neutrinos stärker als die beiden anderen Arten beitragen. Gestrichelt ist der nach dem Standard-Sonnenmodell (SSM) zulässige Bereich markiert. Das korrekte Ergebnis für die Mischung der drei Neutrinoarten (mit Fehlerellipse) liegt im Schnittpunkt der Bänder und stimmt mit der Vorhersage des SSM sehr gut überein.

(Abbildung der Originalpublikation im Schattenblick nicht veröffentlicht)


Damit ist eindeutig bewiesen, dass ein beträchtlicher Teil der Elektron-Neutrinos, nämlich etwa zwei Drittel, auf dem Weg von der Sonne zur Erde ihre Art ändern - eine großartige Entdeckung! Im Standardmodell der Teilchenphysik ist dies nämlich nicht möglich. Vergleicht man zudem den gesamten Fluss φtotal mit der Vorhersage des Sonnenmodells, so findet man jetzt eine gute Übereinstimmung. Damit ist das solare Neutrinorätsel gelöst: Das Defizit an solaren Elektron-Neutrinos ist den Oszillationen zwischen Elekton-, Myon- und Tauon-Neutrinos auf dem Weg von der Sonne zur Erde geschuldet.

Inzwischen wurde dieses Ergebnis durch das japanische KamLAND-Experiment bestätigt. Neutrino-Oszillationen sind also eine Konsequenz der intrinsischen Eigenschaft dieser Teilchen und sollten auch bei anderen Neutrinoquellen nachweisbar sein. In KamLAND gelang dies mit Elektron-Antineutrinos aus Kernreaktoren - also völlig unabhängig von solaren Neutrino-Experimenten.


Zurück zum Anfang

Das Rätsel um die fehlenden solaren Neutrinos hatte zur Folge, dass für mehr als drei Jahrzehnte die Teilcheneigenschaften der Neutrinos gegenüber dem Prozess ihrer Entstehung im Sonneninneren in den Vordergrund gerückt waren - um die Botschaft entschlüsseln zu können, hatte man zuerst den Boten verstehen müssen.

Zu Beginn des neuen Jahrtausends wendete sich die Situation allmählich: Die mit Hilfe solarer, atmosphärischer und Reaktor-Neutrinoexperimente gewonnenen Ergebnisse erhärteten das Bild von den Neutrino-Oszillationen als Ursache für das solare Neutrinodefizit. Mehr als das: Massenunterschiede und Mischungswinkel konnten bald so genau bestimmt werden, dass nach langer Pause das ursprüngliche Ziel solarer Neutrinoexperimente wieder in Angriff genommen werden konnte: über die Bestimmung von Anzahl und Energie der nachgewiesenen Neutrinos - also eine spektrale Messung - mehr über die Fusionsprozesse im Inneren der Sonne zu erfahren.

Allerdings stoßen hier Wasser-Tscherenkowdetektoren, trotz ihrer großen Erfolge bei der Entdeckung der Oszillationen, an ihre Grenzen: Diese Technik ist nur für die relativ hochenergetischen Bor-8-Neutrinos empfindlich. Beim Elektronrückstoß eines Beryllium-7-Neutrinos würden in Super-Kamiokande gerade einmal vier der mehr als 10.000 Photosensoren ansprechen - ein Signal, das sich vom Rauschen der Sensoren nicht mehr unterscheiden lässt.


Neue Detektoren

Doch schon während der 1990er Jahren hat sich in der Neutrinophysik ein anderer Detektortyp etabliert: Dieser verwendet zum Nachweis der Neutrinos an Stelle von Wasser organische Lösungsmittel, sogenannte Flüssigszintillatoren. Auch hier sind mindestens mehrere hundert Tonnen Detektorflüssigkeit nötig, um die seltenen Neutrinoereignisse mit einer ausreichenden Rate nachweisen zu können. Der Unterschied steckt im Prozess der Lichterzeugung, denn im Szintillator spielt der Tscherenkow-Effekt nur noch eine untergeordnete Rolle. Der wesentliche Nachweismechanismus ist dieser: Durchquert ein Neutrino den Detektor, so wird es in seltenen Fällen an einem Elektron gestreut und überträgt dabei diesem einen Teil seiner Energie. Dann wird das Elektron in der Flüssigkeit abgebremst und gibt seine Energie an die Umgebung ab. Dabei hinterlässt es eine Spur angeregter Moleküle, die nach kurzer Zeit wieder in ihren Grundzustand zurückkehren. Anders als in anderen Materialien erzeugt dieser Vorgang im Szintillator sichtbares Licht, das mit Hilfe von Lichtdetektoren nachgewiesen werden kann. Diese Lichtblitze sind wesentlich intensiver als die in einem Tscherenkow-Detektor - der Szintillator erzeugt etwa die 50-fache Menge an Photonen.


Radioaktiver Untergrund

Flüssigszintillatoren kommen seit Langem in der Radiochemie zum Einsatz, da sich in ihnen Materialproben leicht lösen und auf ihren Gehalt an radioaktiven Elementen hin untersuchen lassen. Dies gilt es im Neutrinoexperiment aber tunlichst zu vermeiden, denn in der Flüssigkeit gelöste radioaktive Spuren erzeugen Signale, die von denen der Neutrinos nicht unterscheidbar sind. Bei niedrigen Energien gibt es deutlich mehr Elemente, deren radioaktiver Zerfall die seltenen Neutrino-Ereignisse vortäuschen kann. Je niedriger die Energie der untersuchten Neutrinos ist, desto größer ist also die Zahl der Untergrundereignisse, die dem Signal überlagert sind. Und nicht nur der Szintillator selbst muss weitestgehend kontaminationsfrei sein, alle die Flüssigkeit umgebenden Materialien, sei es der Stahl der Tankwand oder das Glas der Lichtdetektoren, tragen aufgrund kleinster Spuren radioaktiver Elemente zum Untergrund bei. Doch selbst wenn kein direkter Kontakt vorhanden ist, kann die radioaktive Gammastrahlung mit ihrer großen Reichweite das Detektionsvolumen immer noch erreichen.

Tatsächlich ist die natürliche Kontamination der meisten Materialien mehr als ausreichend, um ein solches Experiment scheinbar unmöglich zu machen. Der natürliche Urananteil der Erdkruste liegt bei 0,0003 Massenprozent. Aber diese vernachlässigbar erscheinende Konzentration entspricht 3 Gramm Uran in einer Tonne Material oder etwas mehr als 3 Milliarden radioaktiver Zerfälle pro Tag! Demgegenüber erwartet man in derselben Menge Szintillator statistisch pro Tag gerade einmal ein halbes Neutrinoereignis; der Szintillator muss also einen Reinheitsgrad von etwa 10-15 (einem Billionstel!) Massenprozent Uran aufweisen, um den Nachweis von Beryllium-7-Neutrinos zu ermöglichen - darin liegt die gewaltige technische Herausforderung dieser Experimente.


Das Borexino-Experiment

Umso erstaunlicher ist es, dass dieses Kunststück schließlich gelang. Mitte der 1990er Jahre begann eine internationale Kollaboration von Physikern unter deutscher Beteiligung in den Laboratori Nazionali del Gran Sasso in den italienischen Abruzzen, geschützt von einer 1800 Meter hohen Gesteinsschicht (Bild auf Seite 29), mit dem Aufbau eines Flüssigszintillationsdetektors, genannt Borexino.

Nach Vorversuchen mit einem Prototypen, der Counting Test Facility (CTF) wurde bis Mai 2007 der Aufbau des Detektors und seine Auffüllung mit Szintillatorflüssigkeit betrieben. Der Borexino-Detektor ist wie folgt aufgebaut. Der in eine mit 2200 Photosensoren bestückte Stahlkugel von 14 Metern Durchmesser (siehe Bild oben) gefüllte Szintillator ist durch Barrieren aus hauchdünnem Nylon in mehrere Bereiche unterteilt. 300 Tonnen aktives Detektormaterial werden von 700 Tonnen inaktiver Pufferflüssigkeit vor der von außen kommenden radioaktiven Strahlung geschützt. Tatsächlich werden nur die innersten 100 Tonnen, eine Kugel von 6,5 Metern Durchmesser, zum Nachweis der Neutrinos verwendet. Zusammen mit einem zwei Millio nen Liter fassenden Wassertank, der die Stahlkugel umgibt, schirmen etwa 7 Meter Flüssigkeit das Nachweisvolumen vor externer Neutronen- und Gammastrahlung ab. Das Innere des Borexino-Detektors ist wohl der am besten vor Strahlung abgeschirmte Ort der Erde.

Borexino

Das Bild unten zeigt den Prototypen der Counting Test Facility CTF II des Borexino-Detektors. Der innere kugelförmige Behälter aus Nylon mit zwei Meter Durchmesser enthält die Szintillatorflüssigkeit. Die äußere Hülle mit vier Meter Durchmesser ist mit Wasser gefüllt und schirmt die Szintillatorkugel gegen die Radium- und Radonkerne ab, die aus den (hier im Vordergrund sichtbaren) Photodetektoren und den das gesamte Experiment umgebenden Tankwänden austreten. Mit CTF II wurde die Technik zur Reinigung des Flüssigszintillators von Spuren radioaktiver Elemente erprobt, die für den Nachweis niederenergetischer solarer Neutrinos unerlässlich ist.

Dieser Blick ins Innere des Borexino-Detektors zeigt den Stahltank mit seinen 2200 Lichtdetektoren, welche die Blitze in der Szintillatorflüssigkeit registrieren. Innerhalb von nur 200 Tagen Messzeit lieferte dieses Experiment das rechts gezeigte Energiespektrum. Die schwarzen Datenpunkte mit Fehlerbalken geben die gemessene Rate pro Energie-Einheit und Tag an. Die schwarze Linie ist den Messdaten angepasst. Das gesamte Signal wurde in seine Komponenten zerlegt: Die rote Kurve zeigt den gesuchten spektralen Beitrag der Elektronrückstöße der Beryllium-7-Neutrinos, die anderen Kurven zeigen die verschiedenen Untergrundsignale. Gefährlich sind vor allem die im Szintillator enthaltenen Spuren des Wismut-Isotops 210Bi (grün) aus dem natürlichen Zerfall von Uran-238 und des bei der Kernspaltung entstehenden Krypton-Isotops 85Kr (dunkelblau). Trotz dieser Störeinflüsse konnte der Fluss der Beryllium-7-Neutrinos mit einer Genauigkeit von ± 10 Prozent bestimmt werden.

(Abbildungen der Originalpublikation im Schattenblick nicht veröffentlicht)


Im Mai 2007 registrierte das BorexinoExperiment erstmals erfolgreich solare Neutrinos im Sub-MeV-Bereich. Und schon im August wurden die Ergebnisse einer ersten Messung der bis dahin experimentell unbekannten 7Be-Neutrino-Rate veröffentlicht (siehe die Grafik oben). In 100 Tonnen Szintillatorflüssigkeit wurden wie erwartet etwa 50 Ereignisse pro Tag nachgewiesen. Die gleichzeitig aus den Messungen ermittelte Kontamination der Flüssigkeit mit Uran liegt sogar noch unterhalb der oben genannten Vorgaben. Das hat neben extremer Vorsicht bei Herstellung, Transport und Reinigung von mehr als 1000 Tonnen Flüssigszintillator auch der durchdachte Aufbau des Borexino-Detektors möglich gemacht.

Die bisher in Borexino gemessenen Raten der 7Be- und auch der 8B-Neutrinos bestätigen das derzeit gängige Modell der Neutrino-Oszillationen, das bei den niedrigen Energien der 7Be-Neutrinos die Dominanz von Vakuum-Effekten und bei den hochenergetischen 8B-Neutrinos das Vorherrschen von Materie-Effekten vorhersagt. Tatsächlich bietet Borexino die Chance, den Übergangsbereich von Vakuum- zu Materieoszillationen bei mittleren Energien zu testen, da auch der Nachweis der dort angesiedelten pep-Neutrinos für die Zukunft möglich erscheint. (Die pep-Neutrinos haben eine feste Energie von 1,4 MeV; sie entstehen bei der Reaktion p + e- + p → 2H + νe über die in der Sonne 0,2 Prozent des Deuteriums gebildet werden.)

Hier warten vielleicht noch Überraschungen: Die heute diskutierten Theorien sagen unterschiedliche Abhängigkeiten der Oszillationswahrscheinlichkeit von der Energie voraus. Damit könnten die Experimente Hinweise auf Neutrinos veränderlicher Masse und auf andere Nicht-Standard-Effekte geben.


Wie viel Metall enthält die Sonne?

Eine genaue Vermessung der Raten niederenergetischer Neutrinos wird auch zu einem besseren Verständnis der im Inneren der Sonne vorherrschenden Bedingungen beitragen. Optische Beobachtungen der Sonne, vor allem der Fraunhoferlinien in ihrem Spektrum - sie sind der Fingerabdruck der verschiedenen Elemente - bieten die besten Anhaltspunkte für die Elementzusammensetzung der Sonne. In diesem Zusammenhang bezeichnet im Jargon der Astrophysiker die Metallizität eines Sterns den Anteil aller Elemente schwerer als Helium. Mittels optischer Spektroskopie lässt sich jedoch nur der Metallgehalt der äußersten Schicht der Sonne, der Photosphäre, bestimmen. Modelle, die den inneren Aufbau der Sonne beschreiben, verlassen sich daher darauf, dass die Metallizität im Inneren nicht zu sehr von den außen gemessenen Werten abweicht.

Eine Möglichkeit, die Annahme räumlich konstanter Metallizität direkt zu prüfen, bietet, wie im ersten Teil dieses Artikels bereits beschrieben, die Helioseismologie. Immer präziser wird die Ausprägung und Ausbreitung von Schallwellen auf der Oberfläche und auch im Mantel der Sonne untersucht. Die aus den Messungen abgeleitete Ausbreitungsgeschwindigkeit solcher Wellen in der konvektiven Zone der Sonne lässt sich mit den Berechnungen der Sonnenmodelle vergleichen.

In der Vergangenheit stärkte die hervorragende Verträglichkeit der helioseismologisch bestimmten Metallizität mit der aufgrund der spektroskopisch bestimmten Metallizität berechneten Ausbreitungsgeschwindigkeit der Wellen das Vertrauen in unser Verständnis des Sonnenaufbaus. Doch diese Sicherheit geriet ins Wanken, als eine erneute Analyse der spektralen Daten einen so niedrigen Anteil an Metallen ergab, dass er sich mit den seismischen Messungen nicht länger vereinbaren lässt. Welcher Wert ist nun der richtige?

Tatsächlich könnten Neutrino-Experimente zur Beilegung dieses Widerspruchs beitragen. Denn die Sonnenmodelle sagen nicht nur die Schallgeschwindigkeit in den äußeren Schichten, sondern auch die Raten der Fusionsprozesse im Sonnenkern voraus. Auch diese Raten sind abhängig von der in den Modellen angenommenen Metallizität und schlagen sich direkt in der Anzahl erzeugter und schließlich auf der Erde registrierter Neutrinos nieder. Die Genauigkeit der in den Neutrino-Experimenten gemessenen Raten reichte jedoch bisher noch nicht aus, um daraus auch die Metallizität im Sonneninneren abzuleiten. Borexino bietet diese Chance, da die Präzision in der Bestimmung des Flusses der 7Be-Neutrinos nach mehrjähriger Messzeit bei wenigen Prozent liegen wird, und die Abhängigkeit der 7Be-Produktionsrate von der Metallizität deutlich ausgeprägt ist.


Der Beitrag des CNO-Zyklus

Die Möglichkeit einer weiteren wichtigen Messung liegt in der Reichweite des Borexino-Experiments: Der geringe Beitrag des CNO-Zyklus zur Energieproduktion der Sonne ist experimentell noch weitgehend unbestimmt. Die beste obere Grenze von etwa 5 Prozent liefern die radiochemischen Neutrinoexperimente. Sie ergibt sich indirekt durch die Subtraktion bekannter Neutrinoflüsse von dem gemessenen Gesamtfluss. Tatsächlich liegt diese obere Grenze etwa fünfmal höher als der von den Sonnenmodellen vorhergesagte Anteil. Doch auch diese Modelle haben ihre liebe Not mit einer genauen Vorhersage: Die dafür benötigten Reaktionsraten ionisierter Kohlenstoff-, Stickstoff- und Sauerstoffkerne sind im Labor nur schwer zu vermessen. Ist diese experimentelle Hürde jedoch genommen, so lässt sich die Konzentration der wichtigsten solaren »Metalle« im Sonneninnern, Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff, aus dem gemessenen CNO-Neutrinofluss ableiten.

Darüber hinaus birgt die genaue Größe des CNO-Beitrags nicht nur Informatio nen über den jetzigen Zustand unserer Sonne, sondern auch über ihre weitere Entwicklung: Da sich die Sonne in ihrem Jahrmilliarden dauernden Alterungsprozess langsam erhitzt und damit die Bedingungen für die Wasserstofffusion mittels des CNO-Zyklus immer günstiger werden, wird dessen Beitrag deutlich ansteigen und schließlich gut ein Drittel der gesamten Energieproduktion betragen. Schon heute werden sonnenähnliche Sterne in selbst nach astronomischen Maßstäben uralten Kugelsternhaufen benutzt, um ein Mindestalter unseres Universums abzuleiten. Ein genaues Verständnis des CNO-Beitrags und seiner Entwicklung in der Spätphase dieser Sterne ist dafür unabdingbar, denn in massereicheren Sternen, die von Natur aus heißer sind als die Sonne, überwiegt schon in frühen Phasen der CNO-Zyklus den Beitrag der pp-Kette zur Energieerzeugung.

Da die CNO-Neutrinos noch energiereicher als die 7Be-Neutrinos sind, lassen sie sich in einem Szintillationsdetektor wie etwa Borexino gut nachweisen. Wie sich herausstellt, erzeugen jedoch kosmische Myonen, die ihren Weg durch die kilometerdicke Abschirmung des Gran-Sasso-Massivs bis in den Detektor finden, hier das kurzlebige instabile Kohlenstoff-Isotop 11C, dessen weiterer Zerfall das gesuchte Signal überlagert. Trotzdem bietet das Borexino-Experiment die reelle Chance, diesen von Myonen erzeugten Untergrund durch eine geschickte Analyse von Zeit- und Ortsinformationen von den CNO-Neutrino-Ereignissen zu trennen.


Quellen künstlicher Neutrinos

Kernreaktoren: In Kernreaktoren werden schwere Isotope der Elemente Uran und Plutonium gespalten. Deren Spaltprodukte besitzen einen großen Überschuss an Neutronen und unterliegen daher sukzessiv mehreren Betazerfällen, bis dabei endlich stabile Atomkerne zurückbleiben. Bei diesen Betazerfällen werden Elektron-Antineutrinos emittiert. Deren Energien sind kontinuierlich und ihre maximalen Werte liegen bei etwa 10 MeV. Neutrinoflüsse in der näheren Umgebung von Leistungsreaktoren sind sehr hoch und werden daher auch heute noch in der Teilchenphysik benutzt, um Neutrinoeigenschaften wie zum Beispiel Oszillationen zu studieren. Das Neutrino wurde erstmals 1956 von Frederick Reines und Clyde L. Cowan mit dem Detektor »Poltergeist« am Reaktor in Savannah River, USA, nachgewiesen. Dafür erhielt Reines 1995 den Nobelpreis für Physik. In Europa wird zurzeit mit deutscher Beteiligung das Double-Chooz-Experiment mit zwei Neutrinodetektoren am Reaktor in Chooz (Frankreich) aufgebaut, um Oszillationen zwischen der ersten und der dritten Neutrinoart aufzuspüren.

Beschleuniger: Teilchenbeschleuniger können als »Neutrinokanonen« betrieben werden. Dazu gibt es mehrere Techniken. Im Allgemeinen werden heute Protonen beschleunigt und auf ein leichtes »Target« (Zielscheibe) wie zum Beispiel Beryllium gelenkt. Bei den eintretenden Kernreaktionen entstehen Mesonen und bei hohen Strahlenergien auch Kaonen. Diese Teilchen zerfallen im Wesentlichen in Myonen und ihre dazugehörigen Neutrinos νµ. Heutige Beschleuniger sind also hauptsächlich Quellen hochenergetischer Myon-Neutrinos. Typischerweise liegt deren Energie heute im GeV-Bereich.

Mit dieser Technik konnte die Existenz von drei Neutrinoarten nachgewiesen werden. Für die Entdeckung der Myon-Neutrinos erhielten Leon M. Lederman, Melvin Schwartz und Jack Steinberger 1988 den Nobelpreis für Physik. Im letzten Jahrzehnt wurden mit dieser Technik in Japan und den USA Neutrino-Oszillationen bestätigt und deren Parameter präzise bestimmt. Die Flugstrecke der Neutrinos vom Beschleuniger bis zu den Detektoren Super-Kamiokande und MINOS beträgt dabei mehrere Hundert Kilometer! In Europa werden zurzeit Neutrinos vom Beschleunigerzentrum CERN bei Genf 730 Kilometer weit bis zum Gran-Sasso-Untergrundlabor in den Abruzzen gelenkt. Das dortige Experiment OPERA (Oscillation Project with Emulsion tRacking Apparatus) versucht unter Beteiligung deutscher Institute die Oszillation von Myon-Neutrinos in Tauon-Neutrinos nachzuweisen.


Zukünftige Experimente

Selbst wenn es mit Borexino nur gelingen sollte, eine weitere, wenn auch viel stringentere obere Grenze für den CNO-Neutrinofluss zu bestimmen, so steht die nächste Generation solarer Neutrinoexperimente schon in den Startlöchern: Der SNO-Detektor, der den solaren Neutrinos bis ins Jahr 2006 als Wasser-Tscherenkow-Detektor nachspürte, soll nun binnen weniger Jahre mit Szintillator gefüllt und erneut zur Untersuchung solarer Neutrinos bei niedrigen Energien eingesetzt werden. Das effektive Szintillationsvolumen des im Bau befindlichen Experiments SNO+ wird etwa das dreifache des Borexino-Experiments sein, und der von Myonen erzeugte Untergrund wird aufgrund der besseren Abschirmung durch etwa zwei Kilometer starkes Gestein bedeutend geringer sein: Einer noch präziseren Messung von pep- und CNO-Neutrinos steht damit nichts im Wege.

Ab 2020 sollen großvolumige Neutrino-Observatorien eine noch genauere Untersuchung solarer Neutrinos ermöglichen: Die Planungen für das europäische LENA-Experiment (Low Energy Neutrino Astronomy), einen Detektor, der 50.000 Tonnen Flüssigszintillator enthalten soll, haben schon begonnen (siehe Bild links). Ein solches Experiment würde die Messung tausender Neutrinoereignisse pro Tag erlauben: Neben hochpräzisen Messungen der einzelnen Beiträge zum Neutrinofluss könnte dann auch nach zeitlichen Fluktuationen des Flusses um wenige Prozent gesucht werden.

Ein solch ehrgeiziges Projekt wird mehr als nur eine Neutrinoquelle erforschen können: Auf die Neutrinos, die beim Sternkollaps einer galaktischen Supernova freigesetzt werden, warten Astrophysiker nun schon seit der Supernova SN 1987A der Großen Magellanschen Wolke, von der in irdischen Detektoren nur eine Handvoll Neutrinos nachgewiesen wurden. Sollte sich ein solches Ereignis während der Laufzeit von LENA wiederholen, so würden Zehntausende Neutrinos ihr Signal im Detektor hinterlassen. Mit dieser gewaltigen Anzahl ließe sich ein genaues Bild der beim Kollaps des stellaren Kerns ablaufenden Prozesse nachzeichnen. Solche tiefen Einblicke ins Innere der Sterne werden der optischen Astronomie aufgrund der den Kern umgebenden Sternhülle auf immer verwehrt bleiben.

Noch kühner ist die Aussicht, die Neutrinos längst vergangener und selbst auf kosmischen Skalen weit entfernter Supernova-Explosionen nachzuweisen: Seit Beginn der Sternentstehung im frühen Universum erfüllt ein gleichmäßiger Fluss von Supernova-Neutrinos den Raum zwischen den Sternen. Benutzt man die aus optischen Beobachtungen gewonnenen Informationen über die Sternentstehungsrate in weit entfernten Galaxien und kombiniert diese mit den Messungen und Berechnungen zur Neutrino-Emission einer Supernova, so lässt sich der Fluss dieser diffusen Supernova-Neutrinos vorhersagen. Obwohl er um viele Größenordnungen geringer ist als der von der Sonne emittierte, ebenfalls kontinuierliche Neutrinofluss, wird LENA in der Lage sein, die wenigen Neutrino-Ereignisse pro Jahr zu identifizieren. Vielleicht wird es sogar gelingen, Informationen über die kosmische Supernova-Rate und die zugehörigen Neutrinospektren zu gewinnen.

Für hochenergetische Neutrinos astrophysikalischen Experimente Ursprungs stehen dieser Größenordnung schon längst auf der Tagesordnung: Das KM3-Net im Mittelmeer und Icecube in der Antarktis suchen nach Quellen hochenergetischer Neutrinos weit außerhalb unseres Sonnensystems. LENA wird auch für die Beobachtung stellarer Neutrinoquellen ein neues Fenster öffnen. Der Neutrinoastronomie stehen interessante Zeiten bevor.


Lothar Oberauer lehrt als Physiker an der Technischen Universität München und forscht mit seiner Arbeitsgruppe im Rahmen des Verbunds »Origin and Structure of the Universe«, kurz: »Cluster Universe«. Er ist an BOREXINO, LENA und anderen internationalen Neutrino-Experimenten beteiligt.

Michael Wurm erforscht die Neutrinos in der Arbeitsgruppe von Lothar Oberauer. Kürzlich erhielt er den Universe PhD Award »Experiment« für die beste experimentelle Doktorarbeit innerhalb des Cluster Universe.


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W I S wissenschaft in die schulen! Damit Schüler aktiv mit den Inhalten dieses Beitrags arbeiten können, stehen auf unserer Internetseite www.wissenschaft-schulen.de didaktische Materialien zur freien Verfügung. Darin wird gezeigt, wie das Thema im Rahmen des Physikunterrichts in der gymnasialen Oberstufe behandelt werden kann. Unser Projekt »Wissenschaft in die Schulen!« führen wir in Zusammenarbeit mit der Landesakademie für Lehrerfortbildung in Bad Wildbad und dem Haus der Astronomie in Heidelberg durch.


Literaturhinweise

Brunner, J.: ANTARES - Neutrino-Astronomie in der Tiefsee. In: Sterne und Weltraum 5/2006, S. 38-45.

Hampel, W.: Der Gallium-Detektor für Sonnenneutrinos. In: Sterne und Weltraum 9/1986, S. 455-459.

Hampel, W.: Das Sonnenneutrino-Problem: endlich gelöst? In: Sterne und Weltraum 6-7/1999, S. 540-547.

Kirsten, T.: Neutrinoastrophysik. In: Sterne und Weltraum 7-8/1986, S. 375-381.

Kirsten, T.: Gallex misst Sonnenneutrinos. In: Sterne und Weltraum 1/1993, S. 16-24

Rau, R.: Auf der Suche nach der Dunklen Materie. In: Sterne und Weltraum 1/2005, S. 32-42.

Spiering, Ch.: Neutrinojagd am Südpol. In: Sterne und Weltraum 12/2004, S. 30-34

Spiering, Ch.: Astroteilchenphysik, Erfolge und Perspektiven. In: Sterne und Weltraum 6/2008, S. 46-54.


Der erste Teil dieses Beitrags ist in Sterne und Weltraum 2/2010, S. 30-38 erschienen. Weblinks zum Thema:
www.astronomie-heute.de/artikel/1020519


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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 29: Wer sich von der adriatischen Küste kommend dem Gran-Sasso-Massiv in den italienischen Abruzzen nähert, dem leuchtet dessen Name »Großer Stein« unmittelbar ein. Die 1800 Meter mächtigen Gesteinsmassen schirmen die tief im Inneren des Berges gelegenen Laboratori Nazionali vor Störstrahlung ab: Hier fangen Physiker aus aller Welt die geisterhaften Neutrinos ein.

Abb. S. 30: In diesem riesigen Detektor im Inneren des Sudbury Neutrino Observatory (SNO) wurden von 1999 bis 2006 Bor-8-Neutrinos von der Sonne nachgewiesen. Das Herzstück des Experiments bildeten 1000 Tonnen schweren Wassers, die in dem gezeigten zwölf Meter messenden, kugelförmigen und durchsichtigen Akryltank enthalten waren. Die von den Neutrinos im Wasser erzeugten Tscherenkow-Lichtblitze wurden von den etwa 10.000 den Wassertank umgebenden Lichtdetektoren nachgewiesen.

Abb. S. 34: Der hier schematisch gezeigte LENA-Detektor ist ein Neutrino-Experiment der nächsten Generation. Das Nachweisvolumen soll etwa 50 Millionen Liter Szintillatorflüssigkeit enthalten. Damit vergrößert sich im Vergleich zu Borexino die Anzahl nachgewiesener Neutrinos um mehr als einen Faktor 100, und es wird mit LENA zum Beispiel möglich sein, den Fluss der in der Sonne entstehenden Neutrinos auf zeitliche Variationen um wenige Prozent hin zu untersuchen.


© 2010 Lothar Oberauer und Michael Wurm, Spektrum der
Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg


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Quelle:
Sterne und Weltraum 3/10 - März 2010, Seite 28 - 35
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie),
Dr. Jakob Staude
Redaktion Sterne und Weltraum:
Max-Planck-Institut für Astronomie
Königstuhl 17, 69117 Heidelberg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Mai 2010