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FORSCHUNG/224: Bleihaltige Partikel können Klima beeinflussen (Goethe Uni Frankfurt)


Goethe-Universität Frankfurt - 30. April 2009

Bleihaltige Partikel können Klima über Eisbildung in den Wolken beeinflussen

Bleibelastung der Luft hat den Treibhauseffekt in der Vergangenheit vermutlich stark gedämpft


FRANKFURT. Durch die Bleibelastung der Luft wird die Bildung von Eisteilchen in den Wolken angeregt. Wie Wissenschaftler aus den USA, Deutschland und der Schweiz herausgefunden haben, hat das nicht nur Auswirkungen auf die Entstehung von Regenwolken und den Niederschlag, sondern auf das gesamte Erdklima. Denn die Wärmestrahlung der Erde wird von Eiswolken (Zirrus) mit bleihaltigen Partikeln stärker in den Weltraum abgegeben, als bisher angenommen. Dies könnte bedeuten, dass nach der Verringerung der Bleiemissionen in den letzten zwanzig Jahren die Auswirkungen des Treibhauseffekts nicht mehr abgedämpft werden, sondern heute voll zu Buche schlagen.

In der Forschungsstation auf dem Jungfraujoch in 3580 Metern Höhe haben Wissenschaftler der Universitäten Frankfurt und Mainz sowie des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz in den Wintern 2006 und 2007 die Zusammensetzung von Wolken untersucht. "Uns interessiert vor allem die Frage, wie sich Eispartikel bilden, denn sie tragen ganz wesentlich zum Abregnen der Wolken bei", erklärt Prof. Joachim Curtius vom Institut für Atmosphäre und Umwelt (IAU) an der Goethe-Universität. "Wir können weder Klimaveränderungen noch den globalen Wasserkreislauf verstehen, wenn wir nicht wissen, welche Partikel die Eisbildung verursachen", ergänzt sein Kollege Prof. Dr. Borrmann, Leiter der "Abteilung Partikelchemie", einer gemeinsamen Einrichtung am Max-Planck-Institut für Chemie und dem Institut für Physik der Atmosphäre der Universität Mainz.

Die Untersuchungen am Jungfraujoch und den Rocky Mountains in Colorado ergaben, dass Teilchen mit einem Bleianteil zu den wirksamsten Eiskeimen in der Atmosphäre gehören. "Das entscheidend Neue für uns ist die überhöhte Häufigkeit, mit der wir Blei in den Eispartikeln gefunden haben", so Curtius. "Wir konnten das Blei etwa in jedem zweiten Eiskeim nachweisen, im Durchschnitt der Aerosolpartikel dagegen nur in jedem zwanzigsten". Blei alleine macht jedoch noch keinen Eiskeim. Winzige Bleipartikel verbinden sich mit anderen Bestandteilen der Luft wie dem Mineralstaub aus der Sahara. Ein Teil dieser Mineralstaub-Teilchen ist für sich schon als Eiskeim wirksam; in Verbindung mit Blei werden sie jedoch wirkungsvoller, so dass die Eis-Kristallisation schon früher, bei höheren Temperaturen und geringerer Feuchtigkeit einsetzt.

Die Ergebnisse der Feldstudien in der Schweiz konnten in Laborexperimenten an der AIDA-Aerosol- und Wolkenkammer am Forschungszentrum Karlsruhe bestätigt werden. Modellrechnungen der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich zeigen darüber hinaus, dass die bleihaltigen Partikel Eigenschaften von Zirruswolken so verändern, dass die von der Erde ins All abgegebene langwellige Strahlung deutlich beeinflusst wird: Insgesamt stiege die abgegebene Wärme der Erde um bis zu 0,8 Watt pro Quadratmeter, wenn alle eisbildenden Mineralstaubteilchen Blei enthielten. Zum Vergleich: Der Klimaantrieb durch die menschgemachten CO2-Emissionen beträgt etwa 1,6 Watt pro Quadratmeter. Die bleihaltigen Eiskeime haben also vermutlich auf das Klima eine abkühlende Wirkung. Die Wissenschaftler nehmen nun an, dass durch die wesentlich höhere Bleibelastung in den 70er und 80er Jahren - verursacht von verbleitem Benzin und dem Bleiausstoß aus Kraftwerken - fast alle Mineralstaub-Teilchen mit Blei kontaminiert waren und dadurch eine größere Wärmeabstrahlung erfolgt ist. "Dadurch wurde vermutlich der globale Temperaturanstieg damals noch etwas abgebremst, während heute der Treibhauseffekt fast voll durchschlägt", sagt Curtius.

Eine Rückkehr zu den Bleiemissionen des letzten Jahrhunderts ist jedoch keinesfalls erwünscht: Das giftige Schwermetall kann schwere Gesundheitsschäden verursachen. "Wir können aber jetzt im Nachhinein vielleicht erklären, warum der Temperaturtrend in den letzen Jahren stärker nach oben geht, nämlich weil die anthropogene Freisetzung von Blei und auch Sulfat gedrosselt wurden", so Borrmann. Der Klimaantrieb durch die menschgemachten CO2-Emissionen beträgt etwa 1,6 Watt pro Quadratmeter.

"Die Ergebnisse zeigen, dass vom Menschen verursachte Emissionen die Eiskeime beeinflussen können und dadurch Niederschlag und Klima gestört werden können", heißt es in der Veröffentlichung der Forschungsergebnisse in der jüngsten Ausgabe von Nature Geoscience. An dem Projekt waren außerdem auch die Technische Universität Darmstadt, das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung in Leipzig sowie das Pacifc Northwest National Laboratory in Richland/Washington und die US-Behörde National Oceanic and Atmospheric Administration in Boulder/Colorado beteiligt. Die Beteiligung der Universitäten Mainz und Frankfurt, der Technischen Universität Darmstadt und des Max-Planck-Instituts für Chemie erfolgte im Rahmen des DFG-Sonderforschungsbereichs 641 "Die Troposphärische Eisphase".

Daniel J. Cziczo et. al.: Inadvertent climate modification due to anthropogenic lead
Nature Geoscience, Online-Veröffentlichung vom 19. April 2009, doi:10.1038/ngeo499
http://www.nature.com/ngeo/journal/vaop/ncurrent/abs/ngeo499.html


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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 78 vom 30. April 2009
Herausgeber: Der Präsident
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Redaktion: Dr. Anne Hardy, Referentin für Wissenschaftskommunikation
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Mai 2009