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FORSCHUNG/193: Forschen mit Partnern aus Theorie und Praxis (Portal - Uni Potsdam)


Portal - Die Potsdamer Universitätszeitung 10-12/07

Keiner kann alles
Die Geoökologen Axel Bronstert und Erwin Zehe forschen mit Partnern aus Theorie und Praxis


Noch immer ist die Hochwasserwarnung in den gebirgigen Oberläufen, den Quellgebieten der Flüsse, unbefriedigend. Das wollen Geoökologen der Universität Potsdam ändern. Prof. Dr. Axel Bronstert und Juniorprofessor Dr. Erwin Zehe starteten vor rund einem Jahr ihr Projekt "Operationelle Abfluss- und Hochwasservorhersage in Quellgebieten" (OPAQUE), zu dessen Realisierung sie sich von Beginn an starke regionale wie überregionale Partner ins Boot holten.


"Ich kenne niemanden, der alles kann", begründet Bronstert sein fein gesponnenes Netz. Heute müssen nach seiner Erfahrung die unterschiedlichsten Disziplinen, Methoden, Denkweisen, "Sprachen", die Theorie und Praxis wie ein Uhrwerk ineinandergreifen, wenn sich am Ende Erfolg einstellen soll. Und den will er unbedingt. Deshalb sind Meteorologie, Hydrologie, Mathematik, Fernerkundung und Risikobewertung wichtige Säulen im Projekt. Insgesamt acht Einrichtungen sind es, die mitmachen. Von Potsdamer Seite ist neben der Universität auch das GeoforschungsZentrum dabei.

"Wir stellen uns vor", so Bronstert erklärend, "dass wir für ausgewählte Flüsse aus den gebirgigen Regionen zu verbesserten Hochwasser-Vorhersagesystemen kommen, dass wir also genauer Ort und Ausmaß der Fluten vorhersagen können". In die Untersuchungen einbezogen sind die Einzugsgebiete der Weißeritz, der oberen Iller, der oberen Donau und des Golderbachs bei Tübingen. Den Projektbeteiligten geht es jedoch nicht nur um verbesserte Werkzeuge zur Hochwasservorhersage. Genauso wichtig ist es ihnen, dass diese auch gleich an den entsprechenden Stellen implementiert werden. Deshalb befinden sich im Projektteam auch die Hochwasservorhersagezentralen in Karlsruhe, Dresden und Kempten. Für die Zukunft vorgenommen hat sich das Team um Bronstert und Zehe zudem, eine bessere Steuerung der Talsperren für die Weißeritz sowie des Hochwasserrückhaltebeckens an der oberen Donau zu entwickeln.

Damit alles klappt, wird derweil an vielen Stellen gleichzeitig gearbeitet. Hauptgebiet für die Feldarbeiten ist derzeit die Weißeritz. "Wir messen dort gerade die hydrologischen Daten, die für eine verbesserte Hochwasserwarnung nötig wären", so der Uni-Wissenschaftler zum aktuellen Stand. Dazu werden per Fernerkundung erhaltene Daten mit durch vor Ort in Messprogrammen erzielten Werten abgeglichen. Bodenfeuchte, Abfluss, Niederschlag, eigentlich alle wichtigen Komponenten des Wasserkreislaufs gehen so in die Berechnungen ein. Jeder der Partner trägt dazu bei, dass am Schluss die Einzelteile zum Puzzle stimmen. Sind es beispielsweise Mathematiker der Uni Stuttgart, die sich vor allem mit statistischen Fragen beschäftigen, widmen sich die Potsdamer Geoökologen den Feldarbeiten und Computersimulationen der Niederschläge und Abflussvorgänge. Quasi am anderen Ende der Kette wiederum gehen Wissenschaftler des GeoForschungsZentrums den Fragen zur Risikobewertung nach. Außerdem sorgen sie für Erkenntnisse auf dem Feld der Fernerkundung. Die Deutsche Agentur für Luft- und Raumfahrt in München startet zudem mit neuen elektromagnetischen Sensoren ausgerüstete Flugzeuge, die von der Luft aus mit Radarwellen den Boden untersuchen.

Letztlich führen die Fäden, die die Potsdamer in der Hand halten, auch zu Wirtschaftsunternehmen, zum Beispiel in Karlsruhe. Von ihnen erhofft sich insbesondere das das Projekt mit 1,6 Millionen Euro fördernde Bundesministerium für Bildung und Forschung eine schnelle Umsetzung der Ergebnisse in der Praxis.

Bronstert verspricht sich viel von seinem Netz. Wie es überhaupt zustande gekommen ist, erklärt er so: "Eine sinnvolle Methode ist es, zunächst das Problem thematisch zu fassen, sich dann über persönliche Kontakte kompetente Partner zu holen, die wiederum aus ihrer Sachkenntnis heraus den Kreis mit weiteren passenden Leuten schließen. Ein Schneeballprinzip. Entstehen muss aber auch eine Arbeitsatmosphäre, die stimmt. Ansonsten helfen die besten organisatorischen Strukturen nichts." Dass sie die angestrebten Voraussetzungen für eine mehrstufige und genaue Hochwasserwarnung für einzelne bundesdeutsche Gebiete tatsächlich schaffen, hofft Bronstert sehr. "Die Vorwarnung muss rechtzeitig und räumlich präziser werden", sagt er. "Wenn man zehnmal im Jahr eine recht allgemeine Hochwasserwarnung für große Einzugsbereiche herausgibt, nimmt das keiner mehr wahr. Zu ungenaue Warnungen helfen daher wenig." Und eine Reduktion der Risiken sei besonders in den Quellgebieten wichtig. "Überschwemmungen verursachen bekanntlich überall materielle Schäden, aber in den gebirgigen Regionen gibt es leider immer wieder auch Tote."

Vernetzte Forschung ist für ihn und sein Team der Schlüssel zum Erfolg. Zwar würden Reisen und Abstimmungsgespräche Zeit kosten, der Vorteil aber läge auf der Hand. "Mir macht es Spaß, so zu arbeiten", unterstreicht der Uni-Professor. "Ich lerne von anderen Disziplinen, bekomme Einsicht in deren 'Sprache' und Denkweisen, auch darin liegt der Gewinn." (pg)


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Quelle:
Portal - Die Potsdamer Universitätszeitung Nr. 10-12/07,
Oktober-Dezember 2007, Seite 26
Herausgeber:
Referat für Presse-, Öffentlichkeits- und Kulturarbeit (PÖK)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. November 2007