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BERICHT/076: Mensch und Gestein (research*eu)


research*eu Sonderausgabe - September 2008
Magazin des Europäischen Forschungsraums

Mensch und Gestein

Von Delphine d'Hoop


Mineralien, also Substanzen mit besonderer chemischer Zusammensetzung und speziellen physikalischen Eigenschaften, wie Härte, Dichte, Farbe, Magnetismus, sind die Säulen für Technologie und Wirtschaft. Um sich eine gewisse Unabhängigkeit zu erhalten, muss Europa vor allem seine Metallerzförderung ausweiten. Zur Erkundung neuer Vorkommen ist man dabei auf Spitzentechnologie und Forschung angewiesen.


Ursprung der Zivilisation

Seit ihren Anfängen hat sich die Menschheit die Eigenschaften von Gestein und Mineralien zunutze gemacht. Bereits in der Steinzeit vor 2,5 Millionen Jahren wurden Jagdwerkzeuge aus Feuerstein hergestellt. Später wurde der Stein für den Bau von Behausungen und religiösen Stätten verwendet. Es folgte die Kupferzeit, um 2500 v. Chr., in der ein sekundärer Handwerkszweig entstand und man Metalle in ihrer Rohform kalt oder auch warm bearbeitete.

In der Bronzezeit entstand dann die Metallurgie. Mit dieser Technik werden Metalle aus dem Erzgestein herausgeschmolzen. Dazu mussten Schmelzöfen eingesetzt werden, die das Kupfer bei 1084°C schmelzen ließen, um anschließend Bronze, eine Kupfer-Zinnlegierung im Verhältnis 90/10, herzustellen. In der Eisenzeit, um 1100 v. Chr., gelang die Reduktion von Eisenoxiden bei sehr hohen Temperaturen, die über dem Schmelzpunkt von Eisen liegen. Jetzt konnten Waffen und Werkzeuge aus Eisen hergestellt werden, die bei gleichem Gewicht weitaus härter und widerstandsfähiger waren als Bronze. Eisenlegierungen und Eisengegenstände haben eine Schlüsselrolle in der Entwicklung der menschlichen Zivilisationen und Technologien gespielt. Und diese Rolle spielen sie auch heute noch, ohne dass ein Ende abzusehen wäre.


Mineralien, wo man hinschaut

Die Produkte der Mineralienindustrie sind heute in allen Sektoren unserer Gesellschaften anzutreffen. Die Mikroprozessoren unserer Computer zum Beispiel sind aus Silizium, Gallium und Germanium hergestellt. Keine Erdölerkundung und kein Tunnel ohne Bentonit, ein Ton, der Bohrarbeiten erst ermöglicht. Papier verdankt seine weiße Farbe Talkum und Kaolin. In der Zahnpaste versteckt sich mikronisierter Kalk. Gebäude werden aus Sand, Kies und Zement gebaut.

Neben den radioaktiven Elementen, die als Energiequelle dienen, gibt es drei Hauptkategorien von Mineralien. Erstens die metallhaltigen Mineralien, wie Chalkopyrit (Kupfereisenerz), Hematit (Roteisen), Pentlandit (Eisen-Nickel-Sulfid) und Sphalerit (Zinksulfid). Manche, wie Gold und Silber, kommen auch in reinem Zustand vor. Anschließend folgen industrielle Mineralien, wie Talkum, Silizium, Salz, Phosphate, Graphit und Kalium, um nur einige wenige zu nennen. Und schließlich trifft man im Baubereich auf Kalk (Zement, Quadersteine), Sand und Kies (Aufschüttungen, Beton), Ton (Ziegel) sowie auf Granit, Marmor und Schiefer. Alle Bautätigkeiten hängen von diesen Bestandteilen ab: rund drei Millionen Tonnen Sand, Kies und Bruchstein werden jedes Jahr im europäischen Bausektor verbraucht.

Zahlreiche andere Industriezweige, wie die Automobilindustrie, die Luftfahrt, die Glas-, Keramik-, Kunststoff-, Papier- und Kosmetikproduktion, sind vom Mineralstoffsektor abhängig, der folglich Millionen Arbeitsplätze in Europa sichert. Aber durch das Wachstum der globalen Wirtschaft und die Ankunft neuer Länder mit sehr hohem Verbrauch, verschärft sich der Wettbewerb um den Zugang zu den Rohstoffen. Unter anderem hat China im vergangenen Jahrzehnt seine Mineralien- und Metallimporte um das Zwei- bis Zehnfache gesteigert und gleichzeitig eine restriktive Exportpolitik mit Quotenregelungen und Zöllen umgesetzt.

Die Folge: In den vergangenen vier Jahren sind die Mineralienpreise senkrecht in die Höhe geschossen, vor allem für Nickel, Kupfer, Zink und Eisenerz. Ein Gramm Gold kostete im Jahr 2001 im Schnitt weniger als neun US-Dollar, während es in den ersten Monaten 2008 bereits 32 US-Dollar kostete und damit seinen Wert in sieben Jahren praktisch vervierfachen konnte. Die Preise für Zink wiederum sind zwischen 2004 und 2007 um mehr als 300 % gestiegen.


Europas Abhängigkeit

Diese wachsende Nachfrage bedroht die Versorgung der Europäischen Union, die ungefähr 25 % bis 30 % der Weltproduktion an Metallen verbraucht, während sie selbst nur knapp 3 % produziert. Durch den Wegfall des Bergbaus in vielen EU-Ländern werden auch die daraus hervorgehenden europäischen Exporte von Technologie, Ausrüstung und Dienstleistungen geschwächt, wodurch Knowhow und Forschung in Europa gefährdet sind. Um das Gleichgewicht zwischen Verbrauch und Produktion der mineralischen Rohstoffe wieder zu erreichen und aufrechtzuerhalten, sind Industrie- und Forschungspolitiken ausschlaggehend.

Wie andere Sektoren benötigt auch der Mineraliensektor Forschung und Entwicklung, um auf dem neuesten Stand zu bleiben, vor allem in den Bereichen Fernerkundung, Metallogenie, Geophysik, Geochemie, GIS (Geografische Informationssysteme) und Modellierungsverfahren. "Aber nichts ist selbstverständlich, und der Niedergang könnte schwere Folgen nach sich ziehen. Brüssel scheint dies jetzt zu verstehen und müsste eigentlich die geologische Forschung zu Mineralverarbeitung, Metallurgie und Abbau wieder auf den Weg bringen", hofft Pär Weihed von der Technischen Universität Luleå (SE), der bei der Technologieplattform für nachhaltige mineralische Rohstoffe für den Bereich Erkundung zuständig ist.(1)

Er betont: "Auch wenn die Rohstoffe ungleichmäßig verteilt sind, die derzeitige Fördermenge der Europäischen Union ist zu gering. Es besteht ein geologisches Potenzial in mehreren Regionen, die allerdings ihre Böden aus rechtlichen oder auch aus ökologischen Gründen nicht erschließen. So sind wir zum Beispiel zu 80 bis 100 % von Importen von Kobalt, Platin, Nickel und Eisen abhängig, obwohl es europäische Vorkommen gibt."

Während sich die Förderung in den 1980er und 1990er Jahre kaum rentierte, muss sie wegen der Preiseskalation jetzt wieder in Betracht gezogen werden. "Aus meiner Sicht", fährt er fort, "könnte unser Marktanteil an der globalen Produktion von 3 % auf 5 bis 6 % gesteigert werden, was dann unserem demografischen Gewicht auch eher entspräche. Moderne Erkundungsmethoden und die geologische Forschung werden die einheimische Förderung aller eisenhaltigen und grundlegenden Metalle sowie der Edelmetalle anheben."


Neue Erkundungstechnologien

In diese Richtung orientiert sich auch die strategische Agenda der Technologieplattform, deren Priorität auf neuen Erkundungstechnologien liegt, die Rohstoffquellen auch vierdimensional darstellen können. Das fachübergreifende europäische Projekt Promine soll die Bewertungsdaten von Mineralien optimieren, damit die Industrie ihre Investitionskapazitäten anheben kann.

Die neue Generation geologischer Informationen wird in dreidimensionalen GIS-Datenbanken abgespeichert werden. Die aktuellen zweidimensionalen Karten werden in naher Zukunft überflüssig sein. Die geologische Darstellung in 3D wird mit Regionen beginnen, über die bereits unterirdische Informationen vorliegen. Das ist vor allem für bestehende Abbaugebiete der Fall.

Promine soll anschließend diese Regionen in 4D modellieren, wobei Daten zur geologischen Geschichte einschließlich der beteiligten hydrothermalen Systeme, zu erzhaltigen Zonen, tektonischen Deformationen, zu Hydrogeologie, Geochemie, Magnetismus, Schwerkraft, Erdbeben, Elektromagnetismus, zur natürlichen elektrischen Leitfähigkeit und zur Radioaktivität zusammengeführt werden sollen. Jedes Modell wird die geologische Entwicklung dieser Regionen bis in eine Tiefe von ungefähr 5000 m über einen Zeitraum von mehreren Millionen Jahren darstellen. Es wird als Führer zur Entdeckung neuer tiefer und versteckter Vorkommen dienen. Das 30 Millionen Euro teure Projekt wird zur Hälfte über das 7. Forschungsrahmenprogramm finanziert.

Diese Form der geografischen Darstellung existiert bereits in Australien bzw. in Kanada unter der Bezeichnung CEM (Common Earth Models), also in zwei Ländern, in denen geologische Forschung bereits seit langem durchgeführt und unterstützt wird. In Europa wird die vierdimensionale Darstellung aus logistischen Gründen erst in vier bis fünf Jahren fertiggestellt sein.

Anmerkung

(1) European Technology Platform for Sastainable Mineral Ressources (ETP-SMR). www.etpsmr.org


Ihr Mineralienverbrauch

Sie zweifeln an der Bedeutung der mineralischen Rohstoffe in unserem Leben? Nehmen Sie ungefähr 730 t Steine, Sand und Kies, 30 t Zement, 15 t Eisenerz, ein bisschen weniger an Salz, 9 t Phosphatgestein, 9 t Ton, 2,7 t Bauxit (Aluminiumerz), 600 kg Kupfer, 420 kg Blei, 300 kg Zink und 50 kg Gold. Fügen Sie diesen weitere 30 t Mineralien und sonstige Metalle hinzu und Sie erhalten den geschätzten Verbrauch eines Amerikaners im Laufe seines Lebens, also insgesamt 840 t.

www.mii.org

info
Promine
www.promine.com


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Quelle:
research*eu Sonderausgabe - September 2008, Seite 44 - 45
Magazin des Europäischen Forschungsraums
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Chefredakteur: Michel Claessens
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research*eu erscheint zehn Mal im Jahr und wird auch
auf Englisch, Französisch und Spanisch herausgegeben.


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Januar 2009