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BERICHT/039: Polarstern - Aufbruch zur 22. Arktisexpedition (idw)


Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung - 24.05.2007

Aufbruch zu Kaltwasserkorallen und anderen "hot spots"

Forschungsschiff Polarstern verlässt Bremerhaven in neuem Glanz zur 22. Arktisexpedition und startet erste Arbeiten zum Internationalen Polarjahr in der Arktis.


Bremerhaven, den 24. Mai 2007. Mit neuem Anstrich, Schiffs-TÜV und Beflaggung der Helmholtz-Gemeinschaft macht sich Polarstern am 29. Mai auf in Richtung Norden. Die 22. Arktis-Expedition führt das Flagschiff des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) zunächst nach Nordnorwegen und Spitzbergen. Einer der wissenschaftlichen Schwerpunkte ist das europäische Projekt HERMES (Hotspot Ecosystem Research on the Margins of European Seas), in dem die Ökosysteme der Tiefsee erforscht werden. Dabei kommen das bemannte Unterwasserfahrzeug JAGO des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften IFM-GEOMAR in Kiel und das ferngelenkte Unterwasserfahrzeug QUEST des MARUM der Universität Bremen zum Einsatz.

130 Wissenschaftler aus elf Ländern nehmen an der in drei Etappen aufgeteilten Expedition teil. Prof. Dr. Jörn Thiede, Direktor des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung übernimmt die wissenschaftliche Leitung der ersten Etappe. Sie führt zu den Kaltwasserkorallen vor Nordnorwegen. Kaltwasserkorallen bauen, ähnlich ihren tropischen Verwandten, Riffe aus ihren Kalkskeletten auf. Sie bilden einzigartige Ökosysteme, in denen man lokal bereits mehr als 600 verschiedene Tierarten nachweisen konnte. Mit Hilfe des bemannten Unterwasserfahrzeuges JAGO können die Korallenriffe untersucht, fotografiert und beprobt werden. Dabei kann neben dem Piloten ein weiterer Wissenschaftler in bis zu 400 Meter Wassertiefe fahren.

Die zweite Etappe führt unter Leitung von Dr. Michael Klages (AWI) zum Håkon-Mosby-Schlammvulkan, einer untermeerischen Austrittsstelle einer Methanquelle in 1250 Meter Wassertiefe vor der norwegischen Küste. Die Untersuchungen am Schlammvulkan werden unter anderem mit Hilfe des ferngelenkten Unterwasserfahrzeugs QUEST des MARUM der Universität Bremen durchgeführt. QUEST kommt auch während der dritten Etappe im so genannten Hausgarten zum Einsatz. Der Hausgarten des Alfred-Wegener-Instituts ist eines von zehn Tiefseeobservatorien des von der Europäischen Union geförderten Exzellenznetzwerkes ESONET (European Seas Observatory NETwork). Neben einem Standardprogramm, zu dem das Aufnehmen und Ausbringen von Verankerungen und Freifall-Landern gehört, werden mit Hilfe von QUEST Experimente unter natürlichen Umgebungsbedingungen in der Tiefsee durchgeführt und gezielt Proben entnommen.

Die Untersuchungen an den Kaltwasserkorallen, dem Schlammvulkan Håkon Mosby und im Hausgarten sind Teil des europäischen Projektes HERMES. Das Projekt trägt zum Internationalen Polarjahr bei und hat zum Ziel, neue Erkenntnisse über Artenvielfalt, Struktur, Funktion und Dynamik verschiedenartiger Ökosysteme entlang des europäischen Kontinentalrandes zu erarbeiten. Die Ergebnisse können in künftige Richtlinien einer europäischen Meerespolitik einfließen. Mit HERMES wird erstmalig versucht, Tiefseeökosysteme europaweit vergleichend zu untersuchen. Die Ergebnisse sollen in Modelle einfließen, mit denen wesentliche Funktionsabläufe in diesen empfindlichen Systemen simuliert werden können. Dabei werden ausgewählte, verschiedenartige Ökosysteme von Spitzbergen im Norden entlang des norwegischen Kontinentalrandes bis zum Schwarzen Meer studiert. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf so genannten "hot spots". Wissenschaftler verstehen darunter stark physikalisch kontrollierte Systeme wie zum Beispiel instabile Kontinentalhänge, Tiefseegräben, Tiefwasserkorallen, kalte Sickerstellen oder sauerstofffreie, von Bakterien besiedelte Lebensgemeinschaften. "Diese Lebensgemeinschaften sind durch besonders dynamische Randbedingungen geprägt. Sie gelten als sehr empfindlich gegenüber lokalen Störungen oder weltweiten Veränderungen. Auch aufgrund ihrer globalen Bedeutung bezüglich des Kohlenstoffkreislaufs sollen sie intensiv erforscht werden", erläutert Dr. Michael Klages, wissenschaftlicher Leiter der zweiten und dritten Etappe dieser Expedition.

Der Fahrtabschnitt endet am 25. Juli in Troms¢. Anschließend startet Polarstern in den östlichen Sektor der Arktis, um im Verbund mit anderen Forschungseisbrechern, die zeitgleich in anderen Sektoren der Arktis operieren, den Zustand des gesamten Arktischen Ozeans im rasanten Klimawandel zu untersuchen.


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Das Alfred-Wegener-Institut forscht in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der mittleren und hohen Breiten. Es koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen in der Arktis und Antarktis für die internationale Wissenschaft zur Verfügung. Das Alfred-Wegener-Institut ist eines der fünfzehn Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution188


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung,
Dipl.-Ing. Margarete Pauls, 24.05.2007 11:00
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Mai 2007