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MELDUNG/235: Die digitale Gründungssammlung des Deutschen Museums (idw)


Deutsches Museum - 13.09.2016

Von Inventar Nummer 1 bis Purzelmännchen: Die digitale Gründungssammlung des Deutschen Museums


Etwa 1800 Exponate umfasst die Gründungssammlung des Deutschen Museums. 500 ausgewählte Objekte aus dieser "mathematisch-physikalischen Sammlung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften" (Akademiesammlung) wurden nun in einem aufwändigen Forschungsprojekt des Hauses mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) digitalisiert. "Die Grundidee war, die Gegenstände prototypisch für das ganze Museum samt ausführlichem Datensatz zu erfassen", sagt Projektleiter Dr. Johannes-Geert Hagmann. Seit heute [13.09.2016] haben Wissenschaftler und die interessierte Öffentlichkeit jederzeit Zugriff auf diese Daten - das Portal ist online:
http://digital.deutsches-museum.de/projekte/gruendungssammlung/

Vom Quecksilberthermometer mit der Inventarnummer 1 bis zum Geodätischen Messkarren von 1802: Daten von 500 Exponaten aus der einzigartigen Gründungssammlung des Deutschen Museums wurden seit Anfang 2013 für das digitale Verzeichnis erfasst und gegliedert. In das auf 32 Monate angelegte DFG-Projekt waren Forscher, Fotografen, IT-Spezialisten und viele weitere Fachleute aus dem Haus eingebunden - von Restauratoren über Modellbauer bis zu Transporteuren. Denn von den Gegenständen, die es unter anderem zu vermessen und zu fotografieren galt, befinden sich nur etwa 300 in der Ausstellung auf der Museumsinsel, die anderen werden im Depot aufbewahrt.

"Hinter jedem Objekt steckt eine Geschichte", sagt Projektleiter Dr. Johannes-Geert Hagmann, "und im Schnitt braucht man etwa einen Tag, um diese Geschichte zu recherchieren." Bei 1800 Gegenständen in der Gründungssammlung wären allein dafür fünf Jahre nötig gewesen. Deshalb stand am Beginn des Digitalisierungsprojekts zunächst die Auswahl der Exponate: "Objekte wie der Fraunhofer-Refraktor, über die ohnehin schon viel Wissen besteht, blieben dabei außen vor", sagt Hagmann.

Als nächster Schritt folgte die wissenschaftliche Erschließung: "Dabei wollten wir einen Minimalstandard setzen, den man auch bei künftigen Digitalisierungsprojekten des Museums zugrunde legen kann", so Hagmann. Das betrifft in erster Linie die historische Einordnung und die technische Funktionsweise der Objekte. So kann man neben der Inventarnummer 236 über die Zimmerpistole lesen, dass sie "Schüsse in geschlossenen Räumen möglich machen" sollte. "Die Herren wollten damals ja auch bei schlechtem Wetter ihre Schießkünste üben", erklärt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Julia Bloemer die historische Bedeutung. "In der Bayerischen Akademie der Wissenschaften wurde sie vermutlich für mechanische Versuche genutzt, um den unelastischen Stoß zu demonstrieren", sagt Bloemer.


Foto: © Deutsches Museum

Die Chinesischen Purzelmännchen aus der Akademiesammlung des Deutschen Museums.
Foto: © Deutsches Museum

Auch die Chinesischen Purzelmännchen wurden als kuriose Lehrmittel im Bereich Mechanik eingesetzt. Sie dienten "zur Veranschaulichung der veränderlichen Lage des Schwerpunkts", wie es in der Beschreibung zu Inventarnummer 1914 heißt, und demonstrierten zudem "wie Lageenergie in Bewegungsenergie umgewandelt wird". Allerdings ist bei diesen Figuren die historische Einordnung weniger eindeutig: "Ob die Purzelmännchen wirklich in China erfunden wurden oder doch einem sehr ähnlichen japanischen Apparat - der tricktreppenlaufenden Puppe - nachgebildet wurden, lässt sich nicht mit Bestimmtheit klären", sagt Johannes-Geert Hagmann.

Als Quellen dienten historische Inventare, Originalpublikationen, Skripte, Protokolle und Berichte von Zeitzeugen. Die Recherche der Wissenschaftler wurde dabei durch bereits bestehende digitale Archive, Bibliotheksbestände und Register massiv erleichtert. "Wenn die Hersteller zum Beispiel nicht so berühmt wie Steinheil oder Fraunhofer waren, haben wir auch in Totenregistern, in Zeitungen oder alten Werbeanzeigen nach den Namen geforscht, um mehr Informationen zusammenzutragen", sagt Julia Bloemer. "Aber gerade diese Detektivarbeit macht den Reiz dieser Arbeit aus!"

500 Seiten Text sind so im Laufe des Projekts zusammengekommen. Und dabei soll es nicht bleiben: "Mit dem Portal wollen wir in einen Dialog mit der Öffentlichkeit treten", sagt Johannes-Geert Hagmann. Deshalb ist auch bei jedem einzelnen Objekt an prominenter Stelle eine Kontaktadresse angegeben, verbunden mit den Fragen "Ist Ihnen etwas aufgefallen? Oder wissen Sie mehr?" Und natürlich werden weitere Forschungsergebnisse aus dem Haus und fehlende Abbildungen fortlaufend ergänzt. "Ein Vorteil eines digitalen Verzeichnisses ist ja, dass es sich leichter aktualisieren lässt als eine gedruckte Version." Ein weiterer Vorteil ist bekanntermaßen, dass es nicht ortsgebunden, sondern von überall per Internet zugänglich ist.


© Deutsches Museum

"Von Fraunhofer gefertigt" oder "Kuriose Objekte": Auf der Startseite des neuen Portals gibt es auch Schnell-Links zu ausgewählten Suchoptionen
© Deutsches Museum

So können sich die Nutzer von http://digital.deutsches-museum.de/projekte/gruendungssammlung/ ab heute auf spannende Informationen und detailreiche Ansichten aus der Gründungssammlung des Deutschen Museums freuen, die nicht nur für Fachleute interessant sein dürften, sondern auch Laien zum Stöbern und Staunen einladen. Und um den Zugang zu diesem neu erschlossenen Daten-Schatz künftig noch mehr Menschen zu erleichtern wird das Portal außerdem mit Standard-Schnittstellen u. a. für die Deutsche Digitale Bibliothek und die Europeana Collections geöffnet.


Weitere Informationen unter:
http://digital.deutsches-museum.de/projekte/gruendungssammlung/ http://www.dfg.de
http://www.deutsches-museum.de/ausstellungen/naturwissenschaft/akademiesammlung/
http://www.europeana.eu/portal/de
http://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1175

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Deutsches Museum, Gerrit Faust, 13.09.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. September 2016

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