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BERICHT/065: Jülicher Supercomputer JUBL feiert ersten Geburtstag (idw)


Forschungszentrum Jülich - 09.03.2007

Jülicher Supercomputer JUBL feiert ersten Geburtstag

Zahlreiche Projekte in Medizin, Physik und Materialforschung profitieren von Rechenkapazität und Kompetenz in Jülich


Jülich, 9. März 2007 - Vor einem Jahr nahm der Jülicher Supercomputer JUBL seinen Betrieb auf. Der damals schnellste Rechner Europas ist heute nach wie vor die Nr. 1 in Deutschland. Seit seiner Inbetriebnahme ist er durchweg ausgelastet und für seine Nutzer ein optimales Werkzeug. Am Supercomputer JUBL kommen Forscher aller Fachrichtungen zum Zuge, die auf hoch komplexe und rechenintensive Simulationen angewiesen sind.

"Die Resonanz auf JUBL ist überwältigend", freut sich Prof. Thomas Lippert, Leiter des Jülicher Supercomputer-Zentrums. Die Auslastung der Rechenzeit liegt durchgehend bei über 90 Prozent und damit rund 10 Prozentpunkte über der Auslastung vergleichbarer Anlagen. "Hier geht das duale Konzept auf, das wir in Jülich verfolgen", erklärt Lippert. Der Superrechner JUBL ist komplett für große, rechenintensive Simulationen reserviert, die hier effizient und schnell abgearbeitet werden. Der zweite Jülicher Supercomputer JUMP bietet dank dieser Entlastung nun weitaus mehr Kapazität für viele kleinere Simulationen mit höchsten Anforderungen an den Arbeitsspeicher.

"Die Jülicher Kompetenz hat unsere Forschung extrem beschleunigt", sagt Prof. Marek Behr von der RWTH Aachen. Seine Arbeitsgruppe berechnet die Strömungsverhältnisse in Blutpumpen und konnte nun dank Simulationen einige Schwachstellen ausmachen. "Durch die hohe Drehzahl der bisherigen Pumpen üben Turbulenzen auf Blutzellen eine hohe Scherung aus und zerquetschen viele", erklärt Behr die Ergebnisse seiner Rechnung, die er auf JUBL machte. Nun will er innerhalb eines Jahres das Gelernte im Krankenhausalltag umsetzen. "Mit noch mehr Rechenzeit könnte man Blutpumpen für verschiedene Patientengruppen, etwa Kinder verschiedenen Alters, optimieren", so Behr. Dazu wären mehrere Wochen Rechenzeit pro Pumpe notwendig. Damit die Rechenzeit effektiv genutzt wird, greift Behr auf die Kompetenz der Jülicher Forschergruppe um Prof. Felix Wolf zurück. Durch eine gezielte Leistungsanalyse konnten viele Engpässe beseitigt und die Effizienz der Programme erheblich gesteigert werden.

Teilchenphysiker gehören zu den größten Nutzer der Rechenzeit. Theoretische Physiker rechnen Modelle, die das Verhalten von Elementarteilchen wie etwa der Quarks beschreiben. Dazu müssen die Lösungen von bis zu einer Millionen Gleichungen gleichzeitig gefunden werden. "Schon für alle Aspekte des einfachsten Systems aus zwei Quarks wird bis zu zwei Jahre lang gerechnet", erklärt Dr. Karl Jansen vom Deutschen Elektronensynchrotron DESY in Zeuthen. Doch das Warten lohnt sich: Ohne die Modellrechnungen wären die Ergebnisse nicht zu interpretieren, die die großen Beschleuniger-Experimente wie der neue LHC-Ring am CERN bei Genf liefern. "An den theoretischen Vorhersagen zu Zerfallskonstanten und Reaktionswahrscheinlichkeiten können sich die Experimentatoren orientieren, um auf die Suche nach neuen Effekten zu gehen", sagt Jansen, der sich gerne mit den Jülicher Experten in Fragen des Programmierens von Supercomputern austauscht und die Workshops in Jülich besucht.

Astroteilchenphysiker wie Prof. Zoltan Fodor von der Universität Wuppertal nutzen theoretische Teilchenmodelle, um mehr als 13 Milliarden Jahre zurückzuschauen. Mithilfe von Rechnungen auf dem Supercomputer JUBL konnte er nachvollziehen, wie sich das Universum kurz nach dem Urknall entwickelt hat. Fodor konnte zeigen, dass sich Quarks nicht - wie bisher gedacht - schlagartig zu Neutronen und Protonen verbunden haben, sondern langsam und stetig. Das Ergebnis wurde in der renommierten Fachzeitschrift Nature (Bd. 443, S. 675) veröffentlicht.

"Wir untersuchen chemische Reaktionen, die möglicherweise eine Schlüsselrolle für den Ursprung des Lebens gespielt haben", erklärt der Chemiker Dr. Nisanth Nair aus der Gruppe um Prof. Dr. Dominik Marx von der Ruhr-Universität Bochum seine Arbeit mit dem Supercomputer. Dr. Nair und Biochemiker Eduard Schreiner stellen in ihren Simulationen die chemischen Vorgänge nach, die an vulkanischen Schloten in den Tiefen der Ozeane stattfinden, wo noch heute Lebensgemeinschaften aus verschiedenen Organismen, von einfachsten Einzellern bis zu Fischen, ohne Sonnenlicht leben. "Diese Drücke und Temperaturen kann man nur sehr schwer kontrolliert im Labor nachstellen", sagt Nair. Deshalb werden sie simuliert. Nach vier Monaten Rechenzeit auf 2000 Prozessoren des Supercomputers JUBL fand die Gruppe heraus, wie sich die Bausteine des Lebens, die Aminosäuren, zu Peptiden zusammenfinden. Das vorläufige Ergebnis: Oberflächen von Pyritkristallen können das Entstehen von Peptiden beschleunigen. In der nächsten Projektphase will Nair mit noch mehr Rechenzeit die weiteren Glieder dieser komplexen Reaktionskette von anorganischen Rohstoffen zu Biomolekülen besser nachvollziehen.

Viele weitere Forschergruppen nutzen JUBL schon jetzt oder in Zukunft: Die Gruppe um Prof. Ulrich Hansmann in Jülich vollzieht die Faltung von Proteinen in Zellen nach - der erste Schritt, um zu verstehen, wie giftige Proteinablagerungen bei Alzheimer entstehen. Dr. Christoph Völker und seine Kollegen vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremen untersuchen die Wachstumsbedingungen von Algen und Plankton in den Weltmeeren - ein Baustein im Klimageschehen, der noch komplexer ist als die Prozesse in der Atmosphäre. Dr. Sandro Jahn vom Geoforschungszentrum Potsdam erforscht mit atomaren Modellen die Materialeigenschaften von Gesteinen bei extremem Druck - ein Schritt zum Verständnis der Dynamik im Innern der Erde.

Zugang zum Superrechner JUBL haben etwa 25 Forschergruppen. "Diese 25 Teams nutzen für ihre Simulationen auf JUBL allerdings rund fünfmal mehr Rechenzeit als die 200 Nutzergruppen von JUMP", erklärt Dr. Norbert Attig, Leiter der Jülicher Abteilung HPC Anwenderunterstützung. Dementsprechend hoch sind die Kriterien, die an die Recheneffizienz der Programme gestellt werden. "Programme auf JUBL müssen vorher beweisen, dass sie die große Zahl der Prozessoren, das schnelle Netzwerk und die Ein- und Ausgabe von Daten optimal nutzen. Dafür können sich die Ergebnisse nachher auch sehen lassen", meint Attig.

Da der Bedarf an Rechenzeit in Zukunft noch steigen wird, planen die Jülicher schon weiter. "Das duale Konzept wollen wir beibehalten und die Kapazität schrittweise erhöhen", blickt Institutsleiter Lippert in die Zukunft. Bis Ende des Jahres plant er eine Verfünffachung der Rechenkapazität auf über 200 Teraflops, und bis 2009 könnte die magische Grenze von 1000 Teraflops, also einem Petaflops, fallen. "Aber das geht natürlich nur im Verbund. Deshalb arbeiten wir mit unseren deutschen und europäischen Partnern innerhalb des 7. EU- Forschungsrahmenprogramms eng zusammen", sagt Lippert.

Informationen über Supercomputer
http://www.fz-juelich.de/supercomputer

Rechenzeit auf JUBL gibt es über das NIC
http://www.fz-juelich.de/nic/

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution50


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Forschungszentrum Jülich, Peter Schäfer, 09.03.2007
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. März 2007