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PHARMAZIE/077: Neuer Wirkstoff aus Färberwaid wirbt mit Krebsprophylaxe (SB)


Ein alter Stoff kehrt zurück

Färberwaid soll pharmazeutisch genutzt werden


Glucobrassicin ist der chemische Name des im Färberwaid versteckten Farbstoffes. Normalerweise bezeichnet man ihn auch als deutschen Indigo, obwohl er mit der chemischen Verbindung des Indigo nur die Farbe und die vielen sogenannten "konjugierten Doppelbindungen" gemein hat, die Chemiker gewöhnlich für die Farbintensität verantwortlich machen.

Wissenschaftler der Universität von Bologna in Italien haben aber auch entdeckt, daß die Pflanze 20mal mehr von der Substanz Brassicin enthält als Broccoli, das bisher für eine der reichhaltigsten Pflanzen im Bezug auf Glucobrassicin gehalten wurde.

Die Substanz besitze angeblich die Fähigkeit, Tumore zu bekämpfen, und sei besonders gegen Brustkrebs wirksam, heißt es nun. Ebenso wird behauptet, verschiedene Studien hätten bereits gezeigt, daß der Konsum von glucobrassicinreichem Obst und Gemüse ein guter Schutz gegen Krebs sei.

Doch das ist umstritten, denn selbst aus glucobrassicinreichem Gemüse wie Brokkoli ließen sich bisher keine ausreichenden Mengen des Stoffes isolieren, um damit relevante Untersuchungsreihen, die zudem über einen längeren Zeitraum angesiedelt werden müßten, durchzuführen.

Angesichts der statistischen Erhebungen zu diesem Thema, in denen Mageninhalte gesunder Menschen in Relation zu ihrer Gesundheit gesetzt wurden, fragt man sich, welche Aussagen sich überhaupt über schon verdaute Lebensmittel machen lassen bzw. ob sich der Gesundheitszustand den darin gefundenen, speziellen Inhaltsstoffen zuordnen läßt.

Schließlich enthält brassicinreiches Gemüse meist auch noch eine Reihe von anderen sekundären Pflanzeninhaltsstoffen, von denen man mit gleichem Recht behaupten könnte, daß sie gesund sind und der Krebsentstehung vorbeugen.

Die neuerlichen "Gerüchte" über die krebsheilsame bzw. -prophylaktische Wirkung von Glucobrassicin kann man somit dem gegenwärtigen Modetrend zuschreiben, in dem sich sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe wie Polyphenole, Anthocyane, Flavonoide und Gerbstoffe gerade befinden. Diese besitzen genau genommen nur eine antioxidative Wirkung, d.h. sie werden von Sauerstoff schneller oxidiert als andere Stoffe in der Umgebung, so daß diese davon verschont werden und nicht so schnell oxidativen Alterungs- und Zerfallsprozessen ausgesetzt sind. Und nur weil man ausgerechnet dem oxidativen Sauerstoff derzeit gerade die Schuld für Alterungs-, Verfalls- und sogar Krebsentstehungsprozesse in die Schuhe schieben will, gelten bisherige Antioxidantien momentan als gesunderhaltene Zusätze.

Diese sind Stoffe mit vielen Doppelbindungen und deshalb zum einen in der Lage, Licht zu absorbieren und wieder abzustrahlen (worauf ihre Farbigkeit beruht). Durch diese hohe Schwingungsaktivität sind sie zum anderen leichter für Sauerstoff angreifbar, der meistens ihre Doppelbindungen spaltet, so daß am Ende organische Säuren entstehen. Die Farbigkeit geht dabei verloren, weshalb im umgekehrten Fall auch wieder aggressiver Sauerstoff oder Peroxid zum Bleichen oder Fleckenentfernen eingesetzt wird.

Kein Wunder, daß solche Antioxidantien in großer Menge auch in Pflanzen gefunden werden, die früher gerne zum Färben von Textilien verwendet wurden wie im Färberwaid.

Statt jedoch im Glucobrassicin schon einen neuen Stoff zur Krebstherapie zu sehen, ist es wahrscheinlicher, daß sich die italienischen Forscher erstmals über eine ergiebige Quelle freuen dürfen, die Brassicin in solchen Mengen liefert, daß man überhaupt erst an Versuchsreihen damit denken kann, um sich ein besseres Bild über die Wirkung dieses speziellen Stoffes zu machen. Damit läßt sich aber über seine mögliche Verwendbarkeit noch rein gar nichts sagen. Zumal auch der ursächliche Zusammenhang zwischen vermeintlich aggressivem Sauerstoff bzw. Sauerstoffradikalen und Krebsentstehung bisher nur eine vage Vermutung ist.

11. Dezember 2008