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UMWELTLABOR/227: Was den "Dreck" ins Grundwasser treibt (SB)


Eine These zur Grundwasserverschmutzung:

Meersalz treibt!


Wider besseren Wissens wird von den Medien immer wieder mal die These aufgebracht, es gäbe überhaupt keine schwindenden Wasserreserven. So hieß es erst vor kurzem in dem populärwissenschaftlichen Internetmagazin LifeScience.com, eine globale Wasserverknappung sei nichts weiter als ein Mythos. In dem "geschlossenen Wasserkreislauf" der Erde, d.h. zwischen Verdunstung und Kondensation, ginge kein Wasser verloren, es koste nur etwas Zeit und Mühe, es wieder zu reinigen. Dabei geht der Autor offensichtlich von einem Idealzustand aus, der den Menschen vollkommen ausschließt.

Abgesehen von den bekannten, künstlich geschaffenen Lücken in den die Erde umschließenden Gashüllen könnte man selbst dann nicht von einem geschlossenen System sprechen, wenn diese nach wie vor perfekt und ohne "Löcher" wären, denn schließlich ist Durchlässigkeit eine charakteristische Eigenschaft von Gasen. Darüber hinaus steht unser blauer Planet mitten im Weltraum, dessen vakuumähnlicher Unterdruck eine stetige Saugwirkung auf alle flüchtigen Bestandteile unserer Atmosphäre ausübt. Und das ist noch nicht alles:

- Der globale Wasserbedarf hat sich in den letzten 50 Jahren verdreifacht.

- Der Grundwasserspiegel sinkt in vielen dichtbevölkerten Gebieten der Erde immer weiter ab, einschließlich den USA, China und Indien.

- Das Oberflächenwasser verdunstet, Flüsse und Seen schrumpfen oder trocknen immer mehr aus. Beispiele für diese Entwicklung geben der Aral See, der nur noch ein Viertel seiner ursprünglichen Größe besitzt oder der Lake Mead in Nevada (USA), der nur noch halb so groß ist wie früher und laut jüngsten Prognosen in weniger als 15 Jahren ganz verschwunden sein wird.

Die Gefahr, langsam auszutrockenen, wird jedoch gerne vertuscht. Vielmehr behauptet LifeScience.com, das fehlende Wasser sei nur umverlagert. Es stehe sogar durch die globale Erwärmung und die schmelzenden Polkappen sehr viel mehr Wasser zur Verfügung, was nur entsprechend aufbereitet werden müsse.

Die Zunahme des Meerwassers zulasten von Süßwasserreserven hat jedoch einen längst in Vergessenheit geratenen Nebeneffekt, der wiederum den Meerwasseranstieg zulasten des Süßwassers weiter forciert und saubere Wasserreserven verschmutzt. Salzwasser fördert nämlich über einen eigenen Mechanismus die Belastung von Grundwasserspeichern in Küstennähe. D.h. je höher der Meerwasserspiegel steigt, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß sich organische Stoffe und Umweltgifte zunehmend im Grundwasser anreichern.

Zwar hatten Fachleute lange Zeit angenommen, daß die umweltrelevanten Schadstoffe wie krebserregende Benzole, polybromierte Flammschutzmittel, Phenole u.a. organische Stoffe aufgrund ihrer schlechten Löslichkeit in Salzwasser nicht aus dem Meer in den Grundwasserbereich vordringen könnten. Nachdem allerdings vor wenigen Jahren das genaue Gegenteil nachgewiesen werden konnte, stellte sich heraus, daß es sich dabei um reines Wunschdenken gehandelt haben muß, bei dem weder die anerkannten Regeln physikalischer Chemie noch praktische Erfahrungswerte berücksichtigt worden waren.

Tatsächlich konnten Wissenschaftler vom Weizmann-Institut in Israel schon 2003 im Labor nachweisen, daß das Salz des Meerwassers die Schmutzstoffe gewissermaßen ins Frischwasser hineintreibt (Science, Bd.300, S.950, 2003).

Bei ihrem Experiment konnten die Forscher in einem Laborgefäß beobachten, dass Chemikalien, die im Salzwasser Tröpfchen bildeten, durch lockeren Sand ins Frischwasser sickerten.
(Süddeutsche Zeitung, 13. Mai 2003)

Jeder praktisch arbeitende Chemiker kennt das Prinzip des Scheidetrichters und weiß daher, daß sich eine Substanz immer in der Flüssigkeit anreichert, in der sie sich besser lösen kann. So sammeln sich fettlösliche Schadstoffe am liebsten in Öl. Schüttelt man schadstoffhaltiges Wasser mit einem Öl, findet sich anschließend darin die höhere Konzentration.

Handelt es sich aber um eine Substanz, die sich überhaupt nicht oder nur sehr schlecht in einer der beiden Flüssigkeitsphasen löst, wird sie quasi von allein in die Grenzschicht gedrängt.

Im Falle einer Grenze zwischen verschiedenen Salzkonzentrationen kommt noch das sogenannte osmotische Gefälle dazu, d.h. das Bestreben des reinen Wassers, das mit Mineralien gesättigte Salzwasser zu verdünnen, wobei zwangsläufig (da hier keine osmotische Grenzschicht besteht und sich Salzwasser wie Süßwasser ungehindert vermischen können) immer mehr verdünntes Salzwasser in das Süßwasser einwandert. Das eingedrungene Salz wirke umgekehrt wie eine Pumpe, die den Gesamtprozeß noch beschleunigt.

Diese mit bloßem Menschenverstand durchaus nachvollziehbaren Zusammenhänge, stellten die Forscher seinerzeit noch in Frage (wohl, um nicht voreilig Ängste zu schüren), wobei sie die stets gültige Ausrede benutzten, es habe sich schließlich nur um Laborversuche gehandelt, die sich nicht eins zu eins auf Umweltbedingungen übertragen ließen:

"Wir wissen nicht, ob unsere Versuche auf die Realität zu übertragen sind", sagt Brian Berkowitz vom Weizmann Institut. "Wir wollten zunächst nur ein interessantes Phänomen aufzeigen." In der Nähe von Häfen würde man jedoch höchstwahrscheinlich dieselbe Reaktion finden.
(Süddeutsche Zeitung, 13. Mai 2003)

Die zunehmende Verschmutzung des Grund- und Trinkwassers, selbst aus Tiefenbrunnen, für die man bisher kaum eine Erklärung findet, ist jedoch durchaus ein Hinweis darauf, daß die hier entdeckte Möglichkeit eines kontinuierlichen bzw. durch den steigenden Meeresspiegel sogar zunehmenden Eintrags von Schadstoffen durchaus in Betracht zu ziehen ist.

1. Juli 2008