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UMWELTLABOR/220: Antimon in PET-Flaschen immer noch aktuell (SB)


Antimon - ein vergessenes Gift meldet sich zurück


PET - Polyethylenterephtalat - ist der Kunststoff, aus dem heute die Getränkeindustrie ihre Flaschen fertigt. Obwohl ein chemisches, aus Erdöl gewonnenes Produkt, gilt es aufgrund seiner Lebensmitteltauglichkeit und weil es zum einen sehr leicht recyclet werden kann, zum anderen aufgrund seines geringen Ladegewichts beim Transport der Getränke Geld und Energie (meist in Form von fossilen Brennstoffen) sparen hilft, gemeinhin als umweltfreundlich.

Vor zwei Jahren war es kurzfristig in Verruf geraten, als Prof. William Shotyk und seine Mitarbeiter am Institut für Umwelt-Geochemie der Universität Heidelberg nachweisen konnten, daß Mineralwasser, das aus PET-Flaschen stammt, mit Antimon verunreinigt ist. Daß sich trotz möglicher Alternativen in den vergangenen Jahren kaum etwas an der Produktion der PET-Flaschen geändert hat, kann man an kürzlich veröffentlichten Zahlen ablesen, die nach wie vor eine Verunreinigung von Lebensmitteln und Getränken mit Antimon dokumentieren:

Antimon in Erfrischungsgetränken und Fruchtsäften

Antimon wird als Katalysator bei der Herstellung von PET- Kunststoffflaschen (PET=Polyethylenterephtalat) verwendet. Getränke, die in solche Flaschen abgefüllt werden, enthalten sehr geringe, aber messbare Antimonkonzentrationen. Im Jahr 2007 wurden insgesamt 147 alkoholfreie Erfrischungsgetränke und Fruchtsäfte auf Antimon untersucht. Das LGL fand in 57% dieser Produkte messbare Antimongehalte, bei 18 Proben lagen die Gehalte über 1 µg/l. Die höchste Konzentration mit 3,4 µg/l wurde in einer Orangenlimonade gemessen.
(Dokument aktualisiert am: 31.03.2008, Autor: Dr. Peter Fecher - Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit)

Obwohl diese Werte als sehr niedrig eingeschätzt werden, sind sie inzwischen um das Zehnfache höher als die früher diskutierten Werte, die in Mineralwasserflaschen gefunden wurden. Damals bestimmte das Team des Wissenschaftlers Antimon im Wasser von 15 kanadischen Handelsmarken und 48 Marken aus ganz Europa.

Das im Mineralwasser und auch in anderen Erfrischungsgetränken nachgewiesene Gift (Antimon, Sb) stammt aller Voraussicht nach aus dem Flaschenkunststoff, denn obwohl sich seit Mitte der siebziger Jahre die Konzentration von Antimon, das sich bei Tierversuchen als so giftig erwiesen hat wie Blei oder Arsen, überall in der Umwelt verdoppelt haben soll - Bohrkerne aus Hochmooren in Europa und aus der Arktis zeigen das - enthalten doch die meisten Gesteine und Böden der Erdoberfläche nur weniger als 1 mg/kg Antimon. Dagegen lassen sich in PET direkt einige hundert mg/kg Antimon finden, so daß man es geradezu als typische Begleiterscheinung dieses Produkts bezeichnen könnte. Bislang war jedoch nicht klar, daß der toxische Stoff aus der scheinbar massiven Flaschenwand bis in den Flascheninhalt oder das Lebensmittel dringen kann.

Um zu beweisen, daß es tatsächlich aus dem Kunststoff stammt, untersuchten die Heidelberger Wissenschaftler den Gehalt an Antimon in unberührtem, ursprünglichem Grundwasser aus einer ländlichen Gegend Kanadas, in deionisiertem Wasser, in PET- Flaschen abgefülltem Wasser dreier Marken sowie im Wasser einer neuen kanadischen Marke, das kommerziell in Polypropylenflaschen abgefüllt wird.

Daß sie dort fündig werden würden, war eigentlich aufgrund einer früheren Studie, die ebenfalls das bis dahin vergessene Antimon wiederentdeckte, schon klar:

Aufgrund der niedrigen Antimon-Konzentration in natürlichen, unberührten Grundwässern ist seine Bestimmung eine große analytische Herausforderung, die Dr. Michael Krachler, ein führender Experte auf dem Gebiet der Sb-Bestimmung in Umweltproben, vor kurzem erfolgreich meisterte. Für diese Aufgabe machte sich Dr. Krachler unter anderem die einzigartige Reinrauminfrastruktur, die am Institut für Umwelt-Geochemie verfügbar ist, zunutze. Zuvor war es ihm auf diese Art und Weise möglich, Antimon in Schnee- und Eisproben aus der kanadischen Arktis zu bestimmen.
(idw, 29. September 2005)

Die Heidelberger Forscher um Prof. William Shotyk konnten in dem unberührten, sauberen Grundwasser allerdings höchstens 2 Nanogramm Antimon pro Liter Wasser finden. Das kommerziell in Flaschen abgefüllte Wasser überschritt diesen Wert typischerweise um ein Vielfaches des Hundertfachen. Der Antimon-Gehalt des in Polypropylenflaschen abgefüllten Wassers war vergleichbar mit dem des sauberen Grundwassers und drängte geradezu die Schlußfolgerung auf, daß PET-Flaschen für die erhöhten Antimon-Konzentrationen verantwortlich sind.

Obwohl deionisiertes (demineralisiertes, destilliertes) Wasser sehr sauber sein und keine meßbaren Ionenanteile enthalten sollte, enthielt es nach der Abfüllung in PET-Flaschen in den Analysen dennoch vergleichbare Mengen an Antimon wie die anderen Wässer in PET- Flaschen. Das läßt eigentlich nur den Schluß zu, daß das Antimon erst nach der Abfüllung aus der Flaschenwand in das Wasser hineindiffundiert sein muß.

Analysen der durch die Abfüllung des sauberen Grundwassers in PET-Flaschen erhaltenen Wasserproben bestätigten sehr schnell, daß es tatsächlich die Flaschen sind, die das Wasser durch Abgabe von Antimon verunreinigen. Dazu schrieb der Informationsdienst Wissenschaft in einer Pressemitteilung der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg vom 24.01.2006:

Der Vergleich dreier Markenwässer aus Deutschland, die sowohl in Glas- als auch in PET-Flaschen erhältlich sind, zeigte, dass Wasser in PET-Flaschen bis zu 30-mal höhere Antimon-Gehalte aufweist. Als endgültigen Beweis der Verunreinigungshypothese beprobte Prof. Shotyk Wasser von einer kommerziellen deutschen Quelle. Vor der Abfüllung enthielt dieses Wasser nur 4 ng/L Sb. Die Antimon- Konzentration des in einem lokalen Supermarkt gekauften und in PET-Flaschen abgefüllten Wassers derselben Marke stieg deutlich an und betrug 360 ng/L Sb. Proben dieses Wassers in PET-Flaschen, das drei Monate zuvor gekauft wurde, enthielten sogar 630 ng/L Sb.
(idw, 24. Januar 2006)

Mit dieser Nachricht wurde aber gleichzeitig beschwichtigend behauptet, daß selbst bei den gefundenen Höchstwerten aller getesteten Markenwässer der Antimongehalt immer noch deutlich unter dem in den Trinkwasserverordnungen verschiedener Länder empfohlenen Grenzwerten läge. Und sogar der Leiter der Untersuchungsgruppe drückte sich um eine eindeutige Aussage herum:

Obwohl der Antimon-Gehalt aller getesteten Markenwässer deutlich unter dem in den Trinkwasserverordnungen verschiedener Länder empfohlenen Grenzwerten lag, sagt Shotyk, dass die kontinuierliche Abgabe von Antimon aus der Flasche in die Flüssigkeit stört. "Es gibt höchstwahrscheinlich keinen nützlichen Effekt der Antimon- Verunreinigung."
(idw, 24. Januar 2006)

Dabei belegen die früheren wie die heutigen Untersuchungen, daß sich das Antimon unkontrolliert in Wasser, Säften oder Lebensmitteln ansammelt.

Da bei der Produktion der PET-Rohlinge (aus denen später die Flaschen gezogen werden) meist Antimontrioxid als Katalysator verwendet wird, ist der Antimonanteil ein Begleitprodukt aus dem Herstellungsprozeß des späteren Endprodukts.

Dabei wäre die Verwendung dieses Katalysators für die Synthese von Polyethylenterephtalat nicht einmal zwingend notwendig. So wird beispielsweise in Japan PET mittels Titan - einem Element, das praktisch unlöslich und ungefährlich, allerdings auch etwas teurer ist - anstelle des potentiell toxischen Antimon hergestellt. Doch offenbar bewirkt dieser Katalysator einen kleinen, häßlichen Schönheitsfehler im Endprodukt, wie sich aus der Patentschrift zum neuesten Verfahren der PET-Herstellung herauslesen läßt:

Titanverbindungen katalysieren in der ersten Stufe der Polyesterherstellung sowohl die Umesterung als auch die Veresterung und führen zu einer deutlichen Erhöhung der Polykondensationsgeschwindigkeit, die Polykondensate weisen jedoch eine erhebliche Gelbfärbung auf.
(freepatentsonline, 15. Dezember 2007)

Weiter läßt sich dem Text entnehmen, daß diese Verfärbung durch den Einsatz von Phosphorsäure oder Phosphatestern erfolgreich zurückgedrängt werden kann, womit aber der Titankatalysator in seiner ursprünglichen Wirkung eingeschränkt wird. Daher hat man bis Ende letzten Jahres eine bestimmte Vorgehensweise empfohlen, in der zwar umweltfreundliche Titanverbindungen als Katalysator dienen, der Ausfall an Katalysatorwirkung nach der Zugabe von Phosphorsäure aber durch den Zusatz von löslichen Antimonverbindungen wieder wettgemacht wurde:

In der DE OS 24 34 213 wird deshalb vorgeschlagen, die Veresterung der Terephthalsäure mit Ethylenglykol in Gegenwart einer im Reaktionsgemisch löslichen Titanverbindung durchzuführen, die Titanverbindung nach Abschluß der Veresterung durch Umsetzung mit Phosphorsäure oder einem Phosphatester zu desaktivieren und die anschließende Polykondensation durch Zusatz einer löslichen Antimon- oder Germaniumverbindung zu beschleunigen. Das führt jeoch wiederum zu den bekannten Nachteilen bei der Verwendung von Antimon- und Germaniumverbindungen.
(freepatentsonline, 15. Dezember 2007)

Seit dem 15. Dezember soll nun ein Verfahren patentiert worden sein, das diese kontraproduktiven Maßnahmen revidiert und gelöst zu haben scheint. Allerdings kommen in diesem Prozeß Kobaltverbindungen zum Einsatz, über deren gesundheitliche Risiken und umweltrelevante Auswirkungen bisher noch kaum etwas bekannt ist.

Was die bisherigen Funde von Antimon in Getränken und Lebensmitteln betrifft, ist die Einschätzung und Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) hierzu alarmierend lapidar:

Vor einiger Zeit wurde in der Presse über Untersuchungsergebnisse des Institutes für Umwelt-Geochemie der Universität Heidelberg zum Vorkommen von Antimon in Getränken aus PET-Flaschen berichtet. Antimonverbindungen werden bei der Herstellung von PET als Katalysator verwendet.

Das BfR hat die Untersuchungsergebnisse der Heidelberger Wissenschaftler gesundheitlich bewertet und ist der Ansicht, dass keine Risiken für die menschliche Gesundheit zu erwarten sind, weil die gemessenen Antimongehalte um zwei Zehnerpotenzen unter dem Migrationsgrenzwert für Antimon liegen. Der Migrationsgrenzwert ist von der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde festgelegt worden.
(BfR, 12. September 2007)

Unter dieser Voraussetzung ist anzunehmen, daß für die Hersteller kaum eine zwingende Notwendigkeit besteht, ihr bisheriges Verfahren mit der neuesten Erfindung zur Herstellung von PET auszutauschen, der laut Patentschrift unter Verwendung der oben erwähnten Kobaltverbindung (Cobaltacetat) die Aufgabe zugrunde liegt,

... Umweltbelastungen durch Freisetzung von Antimon durch den Ersatz des Antimontrioxids als Polykondensationskatalysator bei der Polyestersynthese durch Verwendung nichttoxischer Katalysatoren zu beseitigen und farbhelle Polyester mit geringem Gehalt an Nebenprodukten und Acetaldehyd und hoher thermischer und thermooxidativer Beständigkeit herzustellen. Die Polyester sollen gleichzeitig einen besonders niedrigen Gehalt an Metallverbindungen aufweisen.
(freepatentsonline, 15. Dezember 2007)

Es bleibt also alles beim alten und die Konzentration von Antimon in der Umwelt wächst zusehends. Dabei wird dem vermeintlichen Spurenelement längst nicht die Aufmerksamkeit entgegengebracht, die seiner Bedeutung für die Umwelt angemessen wäre. Wie Blei versteckt es sich als Sulfid-(hier: Antimonsulfid-)Anreicherung in der Kohle, und so gelangen Verbindungen des Halbmetalls aus den Schloten von Erzhütten und Müllverbrennungsanlagen in die Staubfracht der Atmosphäre und tauchen sogar in menschenfernen Regionen auf. Auch der antimonhaltige Abrieb von Autoreifen nimmt diesen Weg.

Seine Toxizität hängt, ähnlich wie bei Arsen und Selen, von der Antimonspezies ab. Das in PET gefundene Antimonoxid (Sb2O3) steht z.B. durchaus im Verdacht, krebserregend zu sein. Dazu schrieb Michael Krachler in Nachrichten aus der Chemie 9/2005 Seite 884:

Trotz der wenigen Daten zur Toxizität von Antimon gilt, dass anorganische Antimonspezies toxischer als organische Antimonverbindungen sind. Elementares Antimon ist giftiger als seine Salze, wobei Antimon (III)-Verbindungen [z.B. Antimonoxid (Sb2O3), Anm. d. Schattenblick-Red.] rund zehnmal toxischer als Antimon (V)-Verbindungen sind. Daher ist neben der Bestimmung des Totalantimongehaltes einer Probe für manche Fragen auch die Elementspeziesverteilung von entscheidender Bedeutung.
(aus: Antimon - ein globaler Schadstoff, Nachrichten aus der Chemie 9/2005 Seite 883-886)

Und weiter hieß es in diesem Artikel - also schon zwei Jahre vor der jüngsten Einschätzung des Stoffes durch den BfR -, die amerikanische Umweltbehörde (US EPA), die Europäische Kommission sowie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hätten "Antimon und seine Verbindungen als Schadstoffe, denen höchstes Augenmerk zuteil werden muß", eingestuft!

Nun muß man feststellen, daß sich diese "erhöhte" Aufmerksamkeit allein darauf beschränkte, sich hinter juristisch einwandfreien Grenzwerten zu verschanzen, während der Verbraucher unvermindert mit Antimon abgefüllt wird.

Erstveröffentlichung 25. Januar 2006
ergänzte und überarbeitete Fassung

29. April 2008