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RATGEBER/283: Schluß mit dem Gerücht, Magnesium mache schlau (SB)


SCHLUSS MIT DEM GERÜCHT, ...

daß Magnesium Einfluß auf die Intelligenz nimmt


Daß Magnesium ein für den menschlichen Organismus wichtiges bzw. unentbehrliches Element darstellt, geht allein schon aus der Quantität hervor, mit der es in unserem Körper vertreten ist. So enthält der menschliche Körper etwa sechsmal so viel Magnesium (ca. 25 g) wie Eisen (ca. 4,2 g). Doch welche lebenswichtigen Funktionen dieses Element erfüllt und an welchen Stellen, darüber gibt es selbst unter Experten nur vage Vermutungen und Vorstellungen. Unbestritten ist jedoch, daß der menschliche Organismus, um gesund zu bleiben, verbrauchtes Magnesium täglich ergänzen muß.

Und ebenso unbestritten greift die chemische bzw. Pharmaindustrie an dieser Stelle gerne ein, um dem um seine Gesundheit besorgten Verbraucher als schützenden "Biofaktor" für Herz und Kreislauf, als Präventiv-Maßnahme für typische Zivilisationskrankheiten oder auch gegen nächtliche Muskelkrämpfe Hilfe von "exotischen" magnesiumhaltigen Mitteln anzubieten und damit sehr viel mehr "Wellness" und "Erleichterung" zu versprechen, als Magnesium tatsächlich halten kann.

Wissenschaftliche Erkenntnisse, an welchen Stellen Magnesium im Stoffwechsel eingreift, kommen der Pharmaindustrie somit wie gerufen. Bisher konnten sich die Forscher gerade einmal darauf einigen, daß Magnesium irgendwie am Proteinaufbau sowie an der Muskel- und Knochenbildung beteiligt sein muß, weil es in diesen Geweben in großen Mengen zu finden ist.

Mit Sicherheit wird die Anwesenheit von Magnesiumionen aber vor allem bei Ionenaustauschprozessen an den Membranen und bei allen Stoffwechselaktivitäten gebraucht, an denen das Nucleotid ATP (Adenosintriphosphat) beteiligt ist. Dieses soll nach neuesten Erkenntnissen in seiner aktivierten Form immer als Magnesiumkomplex auftreten, d.h. ein Magnesium (2+)-Ion schließt zwei oder drei der Phosphatreste in lockerer Verbindung zusammen, wie die folgende Skizze verdeutlicht.


Darüber hinaus spekulieren Biochemiker nun über eine Beteiligung von Magnesium als Baustein oder Bestandteil von Enzymen, die aus der Nahrung Energie gewinnen und ebenfalls bei Muskelkontraktionen und beim Stofftransport durch Membranen eine Rolle spielen. Auch wird eine Art antagonistische bzw. Inhibitor-Funktion beim herzantreibenden Calciumstoffwechsel und eine ausgleichende Wirkung auf den Mineralstoffhaushalt der Herz- und Muskelzellen vermutet. Mineralstoffexperten behaupten u.a. auch, daß Magnesiumgaben die Symptome des prämenstruellen Symptoms abschwächen und der Osteoporose entgegenwirken können. All das sind jedoch noch vage Vermutungen und eine künstliche Zufuhr von Magnesiumsalzen hat sich bislang auch nicht als Allheilmittel bei Funktionsstörungen dieser Art bewährt.

Einer Veröffentlichung in der englischsprachigen Fachzeitschrift "Neuron" (Dezember 2004) zufolge, soll Magnesium neben anderen Funktionen für den Körper eine Bedeutung beim Gedächtnis und Lernvermögen von Menschen ab der Lebensmitte zukommen.

In einer Studie des Massachusetts Institute of Technology nimmt Magnesium Einfluß auf einen Hirnrezeptor. Darin hätten Untersuchungen erwiesen, daß ein Magnesiummangel die Fähigkeit, zu lernen und sich zu erinnern negativ beeinflußt, während ein Überfluß an Magnesiumionen die kognitiven Hirnfunktionen, d.h. die Fähigkeit Zusammenhänge zu erkennen und Schlüsse zu ziehen, sichtbar verbessert.

"Our study shows maintaining proper magnesium in the cerebrospinal fluid is essential for maintaining the plasticity of synapses," the study authors wrote."

[Unsere Studie beweist, daß die Gewährleistung eines angemessenen Magnesiumspiegels in der Hirnflüssigkeit die Elastizität der Synapsen aufrecht erhält", schrieben die Autoren der Studie. (Übersetzung Schattenblick-Red.)]
(HealthDay, online 2. Dezember 2004)

Synapsen sind die Verbindungen zwischen den einzelnen Nerven- bzw. Hirnzellen. Ihre Elastizität bzw. Verformbarkeit und damit unmittelbar auch ihr Veränderungspotential seien die Grundvoraussetzungen für die Fähigkeit des Gehirns, Neues aufzunehmen und zu behalten.

In der Regel muß sich der Mensch nicht um eine ausreichende Magnesiumaufnahme bemühen. Es können aber infolge von Mangelernährung, Alkoholismus oder im sehr hohen Alter Mangelerscheinungen auftreten. Die vermeintlich äußeren Merkmale eines solchen Mangels (wie Lethargie, Reizbarkeit, Depressionen oder Persönlichkeitsveränderungen) können aber auch ganz andere Ursachen haben.

Unter normalen Lebensbedingungen dürfte allerdings überhaupt kein Mangel auftreten. Ein abwechslungsreich zusammengesetzter Speiseplan liefert ausreichend Metall, von Spirituosen, Zucker und Fetten einmal abgesehen. Besonders magnesiumreich (mit über 0,2%) sind Mandeln, Para- und Cashewnüsse, Sojabohnen, Pastinaken (Urkartoffeln), Kleie, Bierhefe, Schokolade (!!!) und Kakao. Aber hinreichende Mengen an Magnesium (400 Milligramm entsprechen dem Tagesbedarf) kann man schon aus Gemüsen mit viel dunkelgrünen Blättern wie Spinat oder Grünkohl gewinnen. Die moderne Legende des Comic-Helden Popeye, der nicht nur physische, sondern auch mentale Stärke aus eingedosten Spinatkonserven gewann, bekommt hiernach einen geradezu substantiellen Wahrheitsgehalt...

Allerdings geht aus der oben erwähnten Studie auch hervor, daß die Mehrheit der erwachsenen US-Amerikaner heute nicht mehr genügend Magnesium zu sich nimmt, so daß die Autoren der Studie einen Zusammenhang mit den in der Bevölkerung zunehmenden mentalen Schwierigkeiten nicht ausschließen wollen.

Abgesehen von einer unzureichend ausgewogenen Ernährung gibt es durchaus Bedingungen, die eine ausreichende Aufnahme verhindern. So kann Oxalsäure in Rhabarber und Spinat die Aufnahme von Magnesium stören, weil sie mit dem Metall eine unverdauliche Verbindung bildet. Doch reichen die anderen Magnesiumlieferanten gemeinhin noch aus, daß man auf den Genuß des sonst sehr gesunden Gemüses nicht aus Angst vor Magnesiummangel verzichten sollte. Auch beim Kochen wird das Metall (anders als bei Vitaminen) nicht verändert. Wenn man allerdings das Kochwasser von grünem Gemüse verwirft, spült man damit auch etwa die Hälfte des leicht wasserlöslichen Magnesiumgehalts in die Kanalisation.

In seinem Buch "Magic of Magnesium" weist Trimmer beispielsweise darauf hin, daß der zunehmende Phosphatgehalt der Nahrung, der aus dem vermehrten Kunstdüngergebrauch stammt, die Aufnahme von Magnesium verhindern kann, das mit Phosphat eine äußerst wenig lösliche Verbindung bildet. Der Vorschlag von Trimmer, diesen nahrungsbedingten Mangel durch zusätzliche magnesiumreiche Nahrung (wie Spinatkonserven in magnesiumhaltigen Dosen) zu ergänzen, die dann aber ebenfalls gar nicht erst in den menschlichen Organismus gelangt, scheint unter diesen Voraussetzungen geradezu absurd.

Etwa die Hälfte aller Amerikaner würden nicht ausreichend Magnesium zu sich nehmen, heißt es in der Studie des Massachusetts Institute of Technology weiter. Mangelerscheinungen wie Beklemmungen, Herzstörungen, Muskelkrämpfe, Asthma, Allergien, Konzentrationsschwierigkeiten und andere Gesundheitsprobleme, die mit Magnesiummangel in Verbindung gebracht werden, nehmen auffällig zu.

Hier sollte man dann wohl oder übel doch einmal künstlich nachhelfen, um den Mangel auszugleichen. Gelegentlich ein Glas stark verdünnte Bittersalzlösung (ein gestrichener Teelöffel Magnesiumsulfat auf 200 ml Wasser) sollte wohl schon genügen. Ob man sich danach gleich intelligenter fühlt, bleibt dahingestellt. Die ungemein erleichternde (sprich: abführende!) Wirkung dieses schrecklich schmeckenden Getränks, auf die schon Quacksalber im Mittelalter schwörten, wird garantiert nicht lange auf sich warten lassen. Es gibt allerdings auch schmackhaftere Magnesiumzubereitungen in Drogerien oder Reformhäusern zu erwerben...

Erstveröffentlichung 17. Dezember 2004
aktualisierte Fassung

12. März 2009