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RATGEBER/282: Schluß mit dem Gerücht, der Mensch müsse sich waschen (SB)


SCHLUSS MIT DEM GERÜCHT ...

daß waschen unabdingbar ist

Hautschutzprotein rechtfertigt reduzierte Hygiene


Vor fünf Jahren wurde ein Hautschutzeiweiß entdeckt, das die Haut angeblich vor bakteriellen Entzündungen schützt. Damals hieß es in einer Pressemitteilung:

Kiel/London (dpa) - Die menschliche Haut kann Krankheitskeime töten. Forscher der Universitäts-Hautklinik in Kiel haben nachgewiesen, dass ein Haut-Protein namens Psoriasin vor Infektionen mit Kolibakterien schützt. Diese Keime kommen etwa im Darm vor und umgeben den Menschen im täglichen Leben an vielen Orten.

Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe um Prof. Jens-Michael-Schröder sind im Fachjournal "Nature Immunology" nachzulesen.
(dpa, 30. November 2004)

Die Wissenschaftler waren, besorgt über das Anwachsen von Colibakterien in der Umwelt, d.h. also zunehmender Hygieneprobleme, nach Angaben der Kieler Universität der Frage nachgegangen, warum das Bakterium gesunde Haut normalerweise nicht infiziert, obwohl es so häufig vorkommt.

Vermutet wurde, daß das aus Hautschuppen isolierte Eiweiß Psoriasin den Darmbakterien das lebenswichtige Zink entziehen kann, die daraufhin absterben. Untersuchungen der menschlichen Haut sollten diese im Experiment gewonnenen Ergebnisse bestätigen. Das Ergebnis fiel wunschgemäß aus:

So wiesen die Forscher die höchsten "Psoriasin"-Konzentrationen an bakterienreichen Orten wie Kopfhaut oder Achselhöhle nach. Der Schutzstoff wurde außerdem vermehrt produziert und ausgeschüttet, sobald die Haut mit Colibakterien in Kontakt kam.

Für die Gegenprobe wurden Psoriasin-Antikörper hergestellt. Das sind Bestandteile des Abwehrsystems, die sich an Psoriasin anlagern können und es dadurch in seiner Funktion behindern. Sie werden hergestellt, indem z.B. menschliches Psoriasin auf andere Organismen übertragen wird (Versuchstiere), die daraufhin Antikörper produzieren, um das fremde Antigen auszuschalten.

Die auf diese Weise produzierten künstlichen Antikörper sollen dann in der Gegenprobe auch das körpereigene Psoriasin handlungsunfähig machen, indem die in Frage kommenden menschlichen Hautpartien mit der tierischen Antikörperlösung bestrichen werden. Als daraufhin erneut mit Colibakterien eine hautschädigende Infektion ausgelöst werden konnte, der natürliche Hautschutz also offensichtlich mit den Psoriasin-Antikörpern aufgehoben wurde, war für die Forscher der nötige Beweis erbracht, daß nur Psoriasin für den natürlichen Hautschutz verantwortlich sein kann. Auch eine pharmakologische Verwertung wurde schon diskutiert:

Mit Hilfe dieser Erkenntnisse könnten sich langfristig etwa auch die Schleimhäute, etwa in der Blase, vor einer Infektion schützen lassen, meinen die Forscher.
(dpa, 30. November 2004)

Das klingt zumindest logisch. Noch plausibler aber scheint die Schlußfolgerung, die vor Hygiene und Sauberkeit warnt.

Zudem ließen sich Schlüsse für die Hautpflege ziehen. Übertriebene Sauberkeit erscheine eher kontraproduktiv, sagte Schröder. "Wir sollten jedoch über die Stoffe nachdenken, mit denen wir uns waschen. Alles, was die Haut entfettet, greift auch in diese Schutzmechanismen ein."
(dpa, 30. November 2004)

Und damit liefert, kurz gesagt, der vermeintlich empfindliche und leicht abwaschbare Eigenschutz der Haut der Gesundheitsbehörde oder anderen regelnden oder kontrollierenden Organen gegen die anwachsenden Hygieneprobleme eine allgemein akzeptierte Kontroll- und Zugriffsmöglichkeit auf das Waschverhalten (wer sich also zu oft wäscht, ist an seinen Infektionen selbst schuld!), aber auch direkt - und das bekommt angesichts der absehbaren Ressourcenverknappung einen ganz anderen Sinn - auf den individuellen Wasserverbrauch.

Erstveröffentlichung 6. Dezember 2004
Neue, aktualisierte Fassung

10. März 2009