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RATGEBER/256: Hautpflege - Gepflegt bis zur Stewardessen-Krankheit (SB)


Gepflegt bis zur Stewardessen-Krankheit


Angesichts der Auswahl an Pflegeprodukten in Drogerie- und Supermärkten geraten viele Frauen, aber auch immer mehr Männer unter einen gewissen Zugzwang, dem eigenen Teint die angemessene bzw. optimale Pflege zukommen zu lassen. Was davon für den persönlichen Hauttypus das beste wäre, läßt man sich gerne von der Werbung sagen. Und auch die Fachberater sparen nicht mit "Pröbchen", guten Ratschlägen und kritischen Blicken sowie der Ermahnung (selbst bei Kunden im fortgeschrittenen Alter, die ihre Haut "skandalöserweise nackt und ohne Makeup" zur Schau stellen), man "sollte doch einmal etwas für sich tun".

Stetiges, wechselweises Einreiben mit Tages- und Nachtcreme gilt wohl als das Mindeste, was von einer gepflegten Person erwartet wird, aber da gibt es auch noch Faltencremes, Cremes für die Problemzonen am Auge, Masken für die wöchentliche Anwendung, Feuchtigkeitscremes als Grundierung vor dem Makeup, getönte Tagescremes für das leichte Makeup, Lippenbalsame, Reinigungs- oder Abschminkemulsionen und nicht zu vergessen: die feuchtigkeitspendenden Gele, die nach der Reinigung und vor dem Auftragen der Cremes und des Makeup die fehlende Spannkraft künstlich ersetzen sollen.

Das alles soll allein der Pflege des Gesichts dienen und gehört nicht zur dekorativen Kosmetik, der sich die meisten Frauen auch noch unterwerfen.

Es gibt aber hin und wieder noch Menschen, die die Notwendigkeit solcher Behandlungen in Frage stellen, und sich von dem Überangebot und den teilweise massiven Nötigungen der kosmetischen Industrie erdrückt und vergewaltigt fühlen. Diese möchten wir an dieser Stelle in ihrem Widerstand stärken: Zweifelt nicht am eigenen Urteilsvermögen, denn ihr habt ja recht!

Tatsächlich hält die beste Haut fortwährende Instandsetzungs- und Regenerierungsmaßnahmen auf Dauer nicht aus und in den Praxen der Hautärzte finden sich immer mehr Patientinnen mit perioraler Dermatitis oder gar Mundrose ein, die dort auf die Verschreibung einer medizinischen Salbe hoffen, die alles wieder ins Lot bringen soll.

Da diese krankhaften Hauterscheinungen zuerst bei einer Berufsklasse entdeckt wurden, die quasi als Markenzeichen einen äußerst perfekten und gepflegten Eindruck hinterlassen muß, wurden sie auch unter dem Namen Stewardessen-Krankheit bekannt.

Inzwischen trifft sie aber nicht nur Flugbegleiterinnen, sondern auch andere gepflegte Frauen. Pusteln und Rötungen um den Mund, am Kinn und in den Nasenfalten, manchmal auch um die Augen und auf der Stirn erinnern nicht nur an eine hartnäckige Akne, sie sind auch ebenso schwer wieder wegzubekommen und strafen die mit kosmetischen Mitteln angestrebte, "schöne" Fassade Lügen.

Die Haut ist leicht geschwollen, gerötet und brennt auch noch entsprechend. Tatsächlich ist aber die genaue Ursache dieser Hauterkrankung, die mit Sicherheit auch auf multifaktorielle Umwelteinflüsse zurückgeführt werden könnte, medizinisch überhaupt nicht bekannt. Es wird zum einen eine gewisse Veranlagung vermutet, zum anderen auch eine Unverträglichkeit gegenüber Kosmetika und Zahnpasta.

Da der genannte "besonders gut gepflegte" Personenkreis mit solchen Produkten häufig in Berührung kommt, läßt sich der Zusammenhang zwischen Pflegeprodukten und Hautproblemen eigentlich kaum übersehen. Die Ärzte raten den Betroffenen dann auch, vorübergehend keine Hautcremes zu benutzen. Zu viel Pflege sei meist der Auslöser für die akneartigen Hautveränderungen.

Der ständige Gebrauch von Feuchtigkeitscremes läßt die Haut aufquellen, die durch die fetten, maskenartig abdeckenden Nachtcremes, die weder Luft noch Feuchtigkeit durchlassen, dann noch zusätzlich im eigenen Hautschweiß richtiggehend aufgeweicht wird, so daß ubiquitär vorhandene Keime oder Krankheitserreger beim Eindringen ein leichtes Spiel haben.

Darüber hinaus können ein dick aufgetragenes Make-up und intensives Abschminken zu Mikroverletzungen der Haut führen, was diese insgesamt gegen Pilze, Bakterien oder auch UV-Strahlen anfälliger macht.

Angesichts des Schadens sollte man allerdings darauf verzichten, sich weiterhin hinter Cremes und Tinkturen zu verschanzen und lediglich lauwarmes Wasser zum Waschen benutzen. Zumindest sollten bestenfalls noch Cremes oder Emulsionen verwendet werden, die keine Parfums und Konservierungsstoffe enthalten, um eine zusätzliche chemische Belastung auszuschließen.

Und auf gar keinen Fall sollten kortisonhaltige Salben benutzt werden. Diese lindern zwar sofort Schmerzen und lassen die Entzündungen abklingen. Da damit aber weder Wunden geheilt, noch die Erreger entfernt werden, setzen letztere ungehindert von der ausgeschalteten körpereigenen Abwehr ihr zerstörerisches Werk fort. Abgesehen von den typischen Nebenwirkungen des Cortisons (wie Pergamenthaut, aufgedunsenes Gesicht usw.) bekommt man dann wirklich ernste Probleme.

Spannt die gereizte Haut sehr, können in schwarzem Tee getränkte Umschläge Linderung verschaffen. Auf diese Weise erhalten die durch Kosmetika begünstigten Hautentstellungen die Chance, innerhalb weniger Wochen abzuheilen.

Erstveröffentlichung 14. November 2006
Neue überarbeitete Fassung

24. September 2008