Schattenblick →INFOPOOL →NATURWISSENSCHAFTEN → CHEMIE

RATGEBER/252: Kohl bei Einnahme von Blutgerinnungshemmern erlaubt (SB)


Medikamente und Vitamin K?


Immer mehr Menschen werden heute zur Vorbeugung eines Infarktes oder Schlaganfalls oder nach dem Einsetzen von Stents oder künstlichen Herzklappen mit blutgerinnungshemmenden Medikamenten (sogenannten Antikoagulantien) dauerhaft behandelt. Durch Fehlinformationen und veraltete Diätempfehlungen verunsichert, stellen sie sich häufig die Frage, ob Spinat und Kohlgemüse von nun an für sie tabu sein müsse. Denn bekanntlich haben besonders grüne Gemüsesorten einen hohen Gehalt an Vitamin K. Es gehört zu den fettlöslichen Vitaminen und spielt bei der Blutgerinnung eine wichtige Rolle, indem es für die Bildung von Blutgerinnungsfaktoren in der Leber mitverantwortlich ist. Deshalb gilt Vitamin K als Gegenspieler von Antikoagulanzien, beispielsweise das Medikament Macumar(R).

Zu den K Vitaminen (oder antihämorrhagischen Vitaminen) zählen sieben verschiedene Substanzen, die die Blutgerinnung begünstigen (der Buchstabe K stammt vom Begriff Koagulation = Gerinnung). Sie finden deshalb auch tatsächlich z.B. bei Operationen Verwendung. Man kann sie aus verschiedenen grünen Blättern aber auch aus faulendem Fischmehl, Roßkastanien und dergleichen isolieren. In pharmazeutischen Produkten gibt es inzwischen aber auch schon synthetische Präparate.

Ein paar chemische Beispiele sind die am häufigsten vorkommenden K Vitamine:

Vitamin K1 2-Methyl-3-phytyl-1,4-naphtochinon,
Vitamin K2 2-Methyl-3-difarnesyl-1,4-naphtochinon,
Vitamin K5 4-Amino-2-methyl-1-naphtol,
und Vitamin K7 4-Amino-3-methyl-1-naphtol.

Wegen ihres natürlichen Vorkommens wird oft vorbeugend und damit fälschlicherweise der Verzehr von Gemüse, insbesondere von Vitamin K reichem Gemüse bei Marcumar-Patienten eingeschränkt.

Eine Anfrage bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) ergab jedoch, daß keine besondere Diät bei der Einnahme von Blutgerinnungshemmern erforderlich ist. Der Verzicht auf Vitamin K reiche Lebensmittel wie Leber, Spinat und Kohlgemüse sei völlig unnötig.

Prof. Dr. Heinrich Kasper, Präsidiumsmitglied der DGE, erklärte in einer Pressemitteilung zu diesem Thema: "Unsere Untersuchungen zeigen, daß selbst größere Mengen an Vitamin K reichen Lebensmitteln (z.B. 500 g Spinat) die Blutgerinnung gemessen am Quickwert nur unwesentlich beeinflussen". Eine Vitamin K arme Ernährung ist deshalb nicht erforderlich und wäre auch nur schwer umzusetzen, da kaum kontrollierbar ist, welche Mengen des Vitamins tatsächlich im Darm aufgenommen werden. Denn neben dem reinen Vitamin K Gehalt im Gemüse entscheiden weitere beeinflußbare Faktoren wie z.B. die Menge an Fett im Essen, die Ausschüttung von Gallenflüssigkeit und die Aktivität des fettspaltenden Bauchspeicheldrüsenenzyms über die Verwertung der Nahrung. Außerdem produzieren unsere Darmbakterien selbst Vitamin K, wobei zur Zeit noch unklar ist, wie der menschliche Organismus dies überhaupt nutzen kann. Die Angaben des Vitamin K Gehaltes in Lebensmitteltabellen sind darüber hinaus sehr unterschiedlich. Eine genaue Berechnung des Vitamin K Gehaltes eines Speiseplanes hat deshalb kaum Aussagekraft.

Blutgerinnungshemmer oder Antikoagulantien werden eingesetzt, damit die Blutplättchen nicht zu stark verklumpen, wenn es in verkalkten Gefäßen oder an den scharfen Herzklappenkanten vielleicht zu lebensgefährlichen Komplikationen führen könnte. Gerade Dauerpatienten sollten auf eine abwechslungsreiche und vollwertige Ernährung achten. Die DGE empfiehlt sogar, jeden Tag zwei Portionen Gemüse zu essen, und zwar eine als Rohkost und eine gegart. Hier die Ernährungstips im einzelnen:

- auf abwechslungsreiche und vielseitige Ernährung achten, aber nicht zu viel essen.

- Getreideprodukte, Kartoffeln, Gemüse und Obst sollten im Mittelpunkt der Ernährung stehen, tierische Lebensmittel nur als Ergänzung dienen.

- Essen Sie täglich etwa mindestens zwei Portionen (250-300g) Obst, eine Portion (200g) gegartes und eine Portion (100g) rohes Gemüse sowie eine Portion (75g) Salat. Dabei ist es unerheblich, wieviel Vitamin K das Gemüse enthält.

- Sparen Sie beim Verbrauch von Fett, Zucker und Salz.

- Trinken Sie mindestens 1,5 Liter pro Tag, am besten Mineralwasser, Saftschorlen und ungesüßte Früchtetees.

- Garen Sie kurz mit wenig Wasser und Fett.

Erstveröffentlichung 1999
7. August 2008